Vollverstärker

Sansui AU-X1

Eigenschaften:

  • übergroßer, überschwerer Bolide aus den End-Siebzigern, Material- und Daten-Schlacht
  • extrem hohe Anstiegsgeschwindigkeit und obere Grenzfrequenz
  • keine Klangregelung
  • Vor- und Endstufe lassen sich getrennt betreiben
  • DC-Endstufe mit JFET-Eingängen und superschnellen Multi-Emitter-Leistungs-Transistoren
  • ausgefeilte Phono-Stufe mit vier Mono-Modulen (MC-Pre-Pre-R, MC-Pre-Pre-L, MM-EQ-R, MM-EQ-L), spezieller Versorgung und sehr hoher Leistungs-Aufnahme

Revision

  • Erneuerung aller kleinen Elektrolyt-Kondensatoren
  • Erneuerung aller Einstell-Trimmer
  • Entfernen allen aggressiven Industrie-Klebers
  • Alle Bedien-Elemente inklusive Relais überarbeiten, ggf. wechseln
  • Hochfrequenz-Stabilität sicher stellen

Vollverstärker der Extreme

Den AU-X1 hatte ich vor Jahr und Tag bereits ein oder zwei mal auf dem Tisch und wusste einerseits, dass die Bearbeitung aufwändig würde. Andererseits war damals die Endstufe defekt, schon vor-bearbeitet und musste aus finanziellen Gründen auf beschaffbare Transistoren umgestellt werden. Vom Reparatur-Ergebnis war ich damals trotz Spar-Version der Bearbeitung begeistert. Und deshalb habe ich vor Jahr und Tag so ein Gerät angeschafft, weil sich alle darum reißen schon im Defekt-Einkauf mit knapp 600€ kein wirklich billiger Spaß.

Gerätefront, eingeschaltet

Absehbar war von vornherein, dass er wirklich lange auf dem Tisch stehen würde, dennoch hatte ich einige Detail-Informationen noch nicht. Hätte ich gewusst, was ich in Foren bei genauerer Suche noch finden würde, hätte das den Optimismus in Bezug auf eine reibungslose Revision empfindlich dämpfen können - doch macht einen andererseits nichts nachhaltiger schlau, als eigene Erfahrung...

...ursprünglich hatte ich die Überarbeitungszeit  auf zwei bis vier Tage geschätzt, multiplizieren Sie nun diese ungefähr erwartete und eingeplante Zeit einfach mit einer beliebigen Zahl zwischen 3 und 10 - und Sie liegen immer noch zu niedrig.
Denn aus der Revision wurde letztlich pure Entwicklungs-Arbeit, das Gerät musste gezwungener Maßen über seinen Neu-Liefer-Zustand hinaus verbessert werden um darauf auch letztlich nach meinen eigenen Maßstäben garantieren zu können.

...und im Blitzlicht

vorne offen

Mit den den Phono-Platinen hatte  ich die Revision begonnen, schon im ersten Durchgang war deren Bearbeitung durchaus anspruchsvoll, dann drängte sich anderes vor, das Gerät stand beiseite.

ein weitgehend revidiertes MM-Modul

die Relais-Steuerung noch im Original-Zustand

links: die revidierte Relais-Steuerung, rechts: der zerlegte und wieder zusammengebaute Alps-Lautstärke-Regler

Was übrigens das "dicke" Alps-Potentiometer angeht - ich persönlich bevorzuge eigentlich die blaue Standard-Serie, die ist mindestens so wohlklingend und zuverlässig, doch hat sie einen für mich ganz entscheidenden Vorteil, der dem  großen Bruder fehlt: die seitliche Service-Öffnung.
Bei den blauen Reglern lässt sich nämlich mit einem kleinen Schraubendreher der hintere Schleifer im Winkel gegen den vorderen ein wenig verdrehen, die beiden sitzen unter Druck einer Federscheibe hintereinander auf der Achse, wobei stets eine Gummi-Scheibe zwischen-gelegt ist. Die Kunststoff-Halterung des hinteren Schleifers hat zudem eine rückseitige Zahnung, damit man sie auf jeden Fall unter beliebigen Drehwinkeln einzeln in ihrer Position fest halten kann, während man an der Achse bzw. am Knopf dreht. Mit dieser Anordnung lässt sich das Potentiometer sogar meist im eingebauten Zustand auf optimalen Gleichlauf, insbesondere auf den gleichen "Startpunkt" hin trimmen, beim "großen Bruder" geht das nicht, ist nicht vorgesehen. Entsprechend sind die "dicken" auch meist wesentlich schlechter in der Balance bei niedriger Lautstärke, da macht auch dieser AU-X1 keine Ausnahme. Dennoch habe ich das Potentiometer aus Gründen der Originalität nicht ersetzt. Immerhin kann man hier die Endstufen-Pegelsteller als Balance-Regler benutzen, zudem wirken beim AU-X1 minimal abgedrehte Endstufen-Eingangs-Regler als entstörende Höchstfrequenz-Filter, ich empfehle sie daher ohnehin immer ein klein wenig zurück zu nehmen.

ein großer Teil der Modul-Platinen ausgebaut und weitgehend überarbeitet

 

Netzteil-Platine mit Anlauf-Strombegerenzung

Jedenfalls war das Gerät erst mal wieder halb zerlegt geparkt - bis mein Kollege sich erbarmte, es von vorne bis hinten "durch zu ackern". Das ist ihm binnen ca. einer Woche auch gut gelungen und die Inbetriebnahme gestaltete sich vordergründig problemlos. Viele Details hatten gelöst werden müssen, z.B. der Ersatz der defekten Glühlämpchen für die Quellwahl-Anzeige

langlebige LEDs statt Glühlampen neben den gereinigten Umschaltern

oder die Montage hochwertiger Spindeltrimmer in bei zusammengesetztem Gerät noch erreichbarer Position. Aller aggressiver Industrie-Kleber war nun von den Platinen geschabt, alle Elkos bis auf die im Rahmen montierten Becher erneuert (...also alle auf den Platinen), auch Halbleiter wie z.B. Transistoren wurden bei erkennbaren Schwächen schon bereits vor der ersten Inbetriebnahme ausgetauscht.

Die aufwändig geregelte 8-fach-Spannungsversorgung für die Phonoplatinen und den Flat-Amp

Abschließend ließ sich jede Spannung optimal einstellen, eine gewisse DC-Drift der Phono-Stufen fiel auf, schien zunächst aber normal. Es gab merkwürdige Aussetzer an den Endstufen-Eingangsreglern, die sich beim genaueren Blick hinein von selbst zu erklären schienen: die Kunststoff-Träger der Schleifer waren beide gebrochen.

gebrochene Kunststoff-Halterungen der Schleifer in den Eingangs-Pegelstellern der Endstufe

Ersatz-Potentiometer mit passenden Achsen

Hier waren neue Regler zwingend, wenn es auch keine mit genau gleichen Maßen gab, so doch immerhin mit exakt gleichen Achsen, die sich mit Drahtverlängerungen an den Anschlüssen verwenden ließen.

Die Phono-Umschalt-Relais haben auch erst im zweiten Anlauf ohne Probleme geschaltet, ein zweiter Reinigungs-Durchgang für die Kontakte war dabei auch erst die halbe Miete. Tatsächlich waren bei drei (von fünf dieser Relais im gesamten Gerät) direkt unter dem transparenten Deckel die Spulen-Drähte von ihren Anschluss-Pins ab korrodiert.

alle vier revidierten Phono-Module auf ihrer Verbindungs-Platine

Der AU-X1 wurde schließlich ohne eindrückliche Auffälligkeiten fertig montiert und ging in den Probelauf. Zeigte sich auch einen ganzen Tag von seiner besten Seite, zwar mit entsprechendem "Nagelneu-Klang" wegen der vielen erneuerten Teile, dennoch sehr ansprechend. Ich gab per E-Mail dem Besteller des Geräts Bescheid, dass es sich der Fertigstellung nähere. Wohl zu voreilig, leider, doch das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Am Abend habe ich dann noch ein wenig Quellen umgeschaltet, plötzlich ein deutliches Brummen, mit scharfer 100Hz-Oberwellen-Betonung - sofort abschalten!

Wieder auf den Tisch, nachsehen, was war passiert? Und jetzt begann erst die erzwungene Phase, sich in aller Gründlichkeit mit dem Gerät zu befassen.

Konstruktionsfehler-Suche und Nach-Entwicklung

Wieder auf dem Arbeitstisch und mit freigelegten Platinen war allerdings kein Fehler mehr vorhanden. Besser: nicht dauerhaft vorhanden, merkwürdige Effekte gab es bei bestimmten Potentiometer-Stellungen, plötzliches Kratzen, offenbar Gleichspannung auf den Reglern und am Ausgang. Mein erster Verdacht: aussetzende Masse-Verbindungen, einen guten Teil der Erforschung habe ich erst mal dem Kollegen überlassen.
Bei der groben-Verbindungs-Durchsicht fiel ein interessantes Detail auf:
Sämtliche Eingangs-Cinch-Buchsen besitzen Schalter, die den jeweiligen Eingang auf Masse kurz schließen, so lange kein Cinch-Stecker eingesteckt wird. Wer also im Zubehör-Handel teure Kurzschluss-Abdeck-Stecker für nicht benutzte Eingänge erworben hat, beim AU-X1 sind die jedenfalls überflüssig.

Im Verdacht waren auch die Phono-Platinen, der übertriebenen Drift des MM-Moduls habe ich mich als erstem Zwischen-Schritt zugewandt. Doch hier half auch die nach-und-nach-Erneuerung fast sämtlicher Halbleiter nichts, es gab einerseits gelegentliche DC-Sprünge der Endstufe, die ich zu diesem Zeitpunkt noch zu Unrecht darauf zurück führte, andererseits zeigte sich immer noch eine Drift im Volt-Bereich am Ausgangs-Messpunkt (vor dem Koppel-Kondesator) des mit geschlagenen +/-47V (!) betriebenen MM-Moduls. Letztlich habe ich einen Schaltungs-Trick eingesetzt, der nur zwei winzige zusätzliche Bauteile pro Kanal erfordert hat und die Gleichspannungs-Verstärkung jetzt auf 1 reduziert. Die untere Grenzfrequenz liegt dabei in der Gegend eines Bruchteils eines Hertz, verschlechtert also bei der ohnehin vorhandenen Elko-Auskopplung absolut nicht den Bass-Frequenzgang - doch verringert sich damit die Drift plötzlich auf Bruchteile eines Millivolts, in der vorher-nachher-Größenordnung 10.000 zu 1. Warum nicht gleich ab Werk so? Leider lässt sich der Trick auf die andere Eingangs-Topologie des MC-Modul-Eingangs nicht anwenden, doch driftet das MC-Modul auch bereits ab Werk weit weniger.

Wieder zusammen gesetzt lief der AU-X1 dann Probe - und zeigte ziemlich bald doch wieder das geschilderte Brumm-Problem. Auf dem Messplatz war das in geöffnetem Zustand dann wieder weg, allenfalls konnte man Effekte durch bestimmte Potentiometer-Stellungen und Wackeln an den Regler-Achsen provozieren. Auf der Suche nach dem Unterschied Probelauf<->Messplatz setzte ich die für die Untersuchung entfernte Abdeckung der Phono-Module wieder auf - und es zeigte sich augenblicklich ein Höchst-Frequenz-Schwingen auf der Endstufe, mit niedrigem Pegel, aber deutlich messbar.

Der erste brauchbare Hinweis.

Auf den MM-Modulen waren ganz offensichtlich ab Werk Keramik-Kondensatoren zwischen einer der Betriebsspannungen und den Kühl-Winkeln nachgerüstet worden. Nach deren Entfernung war die Dauerschwingung der Endstufen bei aufgesetztem Deckelblech verschwunden. Und ich fand den oben genannten Artikel zum Hochfrequenz-Verhalten des Geräts - ab jetzt hatte die Suche eine Zielrichtung. Ich konnte mich auch gleich vergewissern, dass die vorliegende Endstufe bereits zur stabileren späteren Variante gehörte, die entsprechenden Kompensations-Kondensatoren wiesen bereits 47pF auf (anstatt kritischen 33pF in früheren Ausgaben). Mit dem, was ich später noch heraus gefunden habe (s.u.) wäre eine etwas "offenere", also noch näher an der Stabilitätsgrenze (mit noch geringerem "Phasenrand") betriebene Endstufe wirklich in ernster Gefahr. In meinem vorliegenden Fall eher nicht, schon gar nicht wenn keine Anregung durch Vorstufen-Fehler erfolgt.

Ganz offensichtlich wusste man jedenfalls bei Sansui von der Problematik und hatte verschiedene Maßnahmen probiert, die Kondensatoren auf den MM-Boards waren allerdings im momentan gegebenen Zusammenhang eher kontraproduktiv. Und nun zeigte sich auch bald, wo der eigentliche Haken war, zum Zeitpunkt des vorläufigen Abschlusses der Arbeiten im Phono-Bereich konnte ich nämlich den Kardinal-Fehler erstmals in Rein-Form provozieren:

Der Flat-Amp (der Line-Vorverstärker) direkt hinter der Front (elektrisch wie mechanisch in der Nähe der Lautstärke-Regler) der war der Böse!
Je nach Temperatur ließ sich da das Phänomen "hinein klopfen", in Zusammenhang mit bestimmten Regler-Stellungen fand sich hier eine selbstständige Höchst-Frequenz-Schwingung, die ich mit meinem Oszilloskop kaum mehr auszählen konnte - ca. 60MHz. Die fand auf beiden Kanälen statt und war zudem noch moduliert von Netzteil-Brumm, richtete sich im Endstufen Eingang gleich und sorgte so für Brummen, Offset und kratzende Regler.

Nun kam etwas auf den Schirm, was der Kollege schon recht bald bemerkt hatte, dem ich mangels weiterer Information aber wenig Bedeutung zugemessen hatte: vermutlich bei Vor-Arbeiten (also eher nicht ab Werk) hatte man zwischen dem Gehäuse-Rahmen und einer der Phono-Eingangs-Massen eine Brücke gesetzt. Ich begann nun systematisch die Masseführung zu analysieren, die im Grunde sehr logisch sternförmig vom zentralen Massepunkt am Phono-Verbindungs-Board ausging, wo auch die ursprünglich einzige Gehäuse-Verbindung vorgesehen war. Die Netzteile hingegen waren mit ihren Massen immer einzeln auf die Masse-Untersterne der jeweils versorgten Schaltung bezogen. Die gefundene Zusatz-Brücke unterlief dieses logische Konzept absolut, genauso wie eigentlich schon die Keramik-Kondensatoren auf den MM-Modulen.

Doch auch unter Entfernung dieses nachgerüsteten Fehlers war die Schwingneigung des Flat-Amps beim nächsten (wieder komplett zusammen gebauten) Probelauf nur seltener geworden, nicht verschwunden. Ich sah mir die Flat-Amp-Schaltung genauer an. Nicht mehr verblüffen konnte mich, dass ich hier gleich vier Varianten auf einmal vor Augen hatte: das Service-Manual zeigte im Schaltplan die eine Fassung, im abgedruckten Layout eine andere, das tatsächliche Layout wich davon wiederum ab und war zudem nochmals modifiziert worden. Also ganz klar, die Sansui-Jungs wussten zum Zeitpunkt der Fertigung längst, dass sie ein Problem hatten. Und ich hatte mindestens die dritte oder vierte Modifikation vor Augen, die vielleicht sogar die offiziell letzte war - aber das Problem im Grunde immer noch nicht löste. Erkennbare Ansätze der Entwickler für den Flat-Amp waren gewesen: minimale Verringerung der Open-Loop-Verstärkung, mehrfach andere Kompensation - mit all dem habe ich auch noch mal experimentiert, ohne da wirklich einen Pflock einschlagen zu können, der dem Gerät nicht sofort seinen "Breitband-Charakter" genommen hätte.

Zwischenstand bei der Nach-Entwicklung des Flat-Amp

Letztlich kam mir ein Ansatz zur Hilfe, eine Methode, die offenbar auch im Werk schon eingebaut worden war, allerdings für das Phono-Verbindungs-Board und nicht für den Flat-Amp:

Man hatte in den Bereich, wo die fehl-bestückte Brücke saß, ein dickes Zusatz-Kabel vom zentralen Massepunkt aus geführt, dort aber nicht direkt mit der rechten und linken Phono-Eingangs-Masse verbunden, sondern über je einen Folien-Kondensator - zusätzlich verband ein dritter dieser Folien-Kondensatoren die beiden Signal-Massen.

Nachdem eine Messung der zweikanaligen-HF-Schwingung des Flat-Amps ergeben hatte, dass die lokalen Massen des FLAT-Amps eine gegenüber der anderen und beide gegenüber dem zentralen Massepunkt mit schwangen, wurde dieses unter den Phono-Boards gefundene Prinzip auf den Flat-Amp übertragen.
Denn hier lag der Hund eigentlich begraben: ein einzelner Kanal erfüllte gar nicht die Oszillator-Bedingung, gefährlich wurde es durch die getrennten und Hochfrequenz-technisch extrem schwach gekoppelten Signal-Massen der beiden Kanäle zusammen mit dem räumlich engen Aufbau. Einmal angeregt wirkte ein schwingender Verstärker auf die Masse des anderen Kanals und regte über diese den anderen Kanal an, der die Schwingung erwiderte und zurück gab. Nur beide zusammen konnten derart außer Kontrolle geraten - und nur mit Hilfe ihrer HF-technisch gegenseitig sehr lockeren Bezugspunkte. Mit einer dicken Zuleitung vom zentralen Masse-Punkt wurden die Signalmassen nun über je 10nF MKT (Epcos) an diesen gebunden und dann über einen weiteren dieser Kondensatoren HF-technisch auch miteinander verbunden. Seit dem läuft das Gerät bereits etliche Wochen absolut störungsfrei und stabil.

Derart nach-entwickelt spielt der AU-X1 jetzt auch seine Karten optimal aus, klang er in ersten Probeläufen gut, so wollte man ihn aber immer gerne direkt, also ohne den aktiven Vorverstärker (Flat-Amp) betreiben, dafür hat er an der Front einen -14dB Bypass-Schalter. Die Bypass-Variante klang einfach besser, stabiler, weniger nervig - klar, wenn der Vorverstärker stets am Kippen ist und los schwingen möchte...

das ausgebaute Material - unter den großen Teilen liegt ein Vielfaches mehr an kleinen...

Mit der jetzt endlich sicher gestellten Stabilität der Vorstufe zeigt sich allerdings, dass in Summe ihre Vorteile als entkoppelnder Treiber tatsächlich ihre Nachteile als "Zwischenstufe mit Eigenleben" überwiegen. Bypass klingt sanfter, doch auch sowohl weniger aufdeckend als auch weniger aufregend, im Vergleich also mit einer langweiligen Tendenz.

Insgesamt tendiert das Gerät in Richtung Profi-Technik, so etwas ist in meinen Augen bis heute hervorragend als Studio-Abhör-Verstärker geeignet, auch ohne übertriebene Analytik zeigt er umfassend jedes Detail auf, bei schlechtem Quell-Material manchmal bis hin zur Gnadenlosigkeit.

Was dem geneigten Techniker ganz besonders ins Auge sticht, ist der extreme Aufwand für die Phono-Vorstufe, was hier sowohl an Material als auch an elektrischer Energie aufgeboten wird habe ich auch bei dedizierten einzelnen Phono-Vorstufen noch nicht gesehen. Hier arbeitet ein wirklich nicht kleiner Vorstufen-Trafo über vier Kanal-getrennte Doppel-Regelungen mit deutlicher Erwärmung, von der gesamten Ruhe-Leistungs-Aufnahhme des AU-X1 geht der größte Anteil in die Phono-Module. Die MC-Module werden zwar nur mit +/-10,5V betrieben, doch die Auslegung der Ausgangs-Stufe entspricht in etwa einer Class A-B Lautsprecher-Endstufe, der gewaltige Ruhestrom erzeugt um die zehn Watt Wärme. Wobei natürlich in diesem Fall keine 4 Ohm angeschlossen sind und entsprechend von vorne bis hinten lupenreines Class A herrscht.

Beim MM-Modul ist der Ruhestrom deutlich kleiner, doch im gleichen Maß ist auch die Versorgungsspannung größer, hier bleibt man einerseits immer noch satt im Class-A-Bereich, andererseits wählt man auf den Kennlinien nur winzige und entsprechend nahezu ideal lineare Teil-Abschnitte - auch hier wieder unter gewaltiger Erwärmung in der Größenordnung um 10W/Modul.

Und so erwärmt sich das Phono-Abdeckblech insgesamt mit einer Leistung von mehreren zehn Watt, entsprechend ist der korrekt arbeitende Verstärker im Leerlauf auch über den Phono-Modulen deutlich wärmer, als über der Endstufe.

Wer so ein Gerät dann ohne Plattenspieler betreibt, wirft im wahrsten Sinn "Perlen vor die Säue", ein Ausbau der Phono-Boards und das Abstecken des dann überflüssigen +/-10,5V-Netzteils würde immerhin jede Menge unnötigen Stromverbrauch vermeiden.

Was ich übrigens von den Foren-Beiträgen zum AU-X1 ins Reich der Märchen verweisen würde ist, dass die eigentliche Endstufe nicht Leerlauf-fest sei, sich also aufschwingt, sowie man sie ohne Lautsprecher-Last betreibt. So etwas muss man zwar bei gegengekoppelten Röhrenverstärkern vorsichtshalber immer annehmen, hier aber nicht. Gäbe es diese Neigung, dann dürfte man den Verstärker auch nicht mal einschalten, denn bis das Relais die Lautsprecher frei gibt, hängt die Endstufe ja ebenfalls "in der Luft", genauso wie z.B. beim Betätigen des Lautsprecher-Schalters. Nein, die Endstufe hat kein Leerlauf-Problem, nicht mal in ihren frühen Fassungen, sondern sie ist extrem schnell, damit besonders in der Erst-Fassung in der Nähe ihrer Stabilitäts-Grenze - und wird im Fehlerfall aus dem eigenen Vorverstärker zum Schwingen angeregt, u.U. bis hin zum "Abrauchen". Das Verhalten des Benutzers kann so etwas schwerlich auslösen, noch weniger steuern.

Beurteilung

Nach diesem überbordenden Bearbeitungsaufwand und der zwangsweisen langen Probehör-Phase lässt sich jetzt ein recht genaues Fazit zu dem Gerät ziehen. Zusammengefasst ergibt sich: Guter Entwicklungs-Ansatz mit überragender Basis-Technik, ein für seine Zeit technisch wie stilistisch fortschrittliches, puristisch ausgestattetes Spitzen-Modell.

Leider hat man sich den Zwängen der Zeitpläne, der Vorstands-Diagramme und Verkaufs-Prospekte gebeugt und hatte die Sache zur Markt-Einführung nicht ordentlich zu Ende gebracht, wodurch das Modell unfertig blieb, durch Instabilität Fehler und Ausfälle aufwies und offenbar nach Abzug der Entwicklungs-Ressourcen auch leider in keiner endgültig stabilen Fassung zu haben war.

Es hat dem ansonsten hervorragend entworfenen Gerät nicht gut getan, dass man auf Biegen und Brechen "schnell mal" eine obere Grenzfrequenz von einem geschlagenen halben Megahertz über alle Line-Stufen verwirklichen wollte, im reinen Endstufen-Betrieb übrigens sogar ab 0Hz (Gleichspannung). Solche aus der Messtechnik abgeleiteten Breitband-Ambitionen sollte man nur verfolgen, wenn man auch willens und in der Lage ist, die Ressourcen für eine Rundum-zu-Ende-Entwicklung ohne wenn und aber aufzubringen.

Beseitigt man allerdings den Stabilitäts-Pferdefuß durch Nach-Entwicklung, zeigt sich der AU-X1 als mächtiger, neutraler, spielfreudiger und zuverlässiger Vollverstärker-Bolide, den ich jetzt erst recht in die Reihe der besten bis heute industriell gefertigten Vollverstärker zähle.