Vollverstärker

Musical Fidelity B1

Verkauft November 2017 für 468,- € - komplett revidiert
3 Jahre Garantie*
*Erläuterung siehe Garantiebestimmungen

Frontansicht inklusive neuem Netzschalter

Einen hab ich noch...

Man traut dem schmalen Hemd an sich nichts zu. Ein Flachbau, der in professionellen 19"-Maßen gerade mal eine Höheneinheit zuwege bringt, innen sind vier bis fünf Zentimeter Bauhöhe auf der Platine das höchst der Gefühle. Entsprechend ist der Netztrafo zwar immerhin ein Ringkern-Typ, doch beim besten Willen kann man dem nicht mehr als zwischen 100 und 160VA zuschreiben, "groß und mächtig" ist anders.

Haben wir hier also ein Gerät aus der Liga schwachbrüstiger Klein-Japaner auf dem Niveau von Kompakt-Anlagen-Verstärkern?
...in fact that's a trick question, of course not...
Es ist wirklich schwierig zu erklären, wie das Fliegengewicht es schafft, derartig sauber und locker Raum, ja Druck aufzubauen, aber es geht. Er ist im Klang deutlich mächtiger als seine A1-Kollegen und gleicht das, was diese an absoluter Verzerrungsfreiheit aufweisen auf anderer Ebene wieder aus - er kann einfach auch mit Lautsprechern und Raumgrößen, mit denen sich sein heißer Kollege schwer tut.

Wer jetzt im 90er-Jahre Stil eindimensionale Fragen stellt (nicht single ended? ausschließlich kräftige über-Alles-Gegenkopplung?) wird hier mit seiner Prinzipien-Reiterei auch nicht glücklich, gegen solche viel-hilft-viel-Philosophien (da zähle ich auch die "möglichst-wenig-Gegenkopplung"-Theorie dazu) war der Entwickler wohl schlicht immun und hat einfach eine bestimmte Balance gesucht und gefunden. Der Verstärker hat an sich nicht nur kein großes Netzteil, es ist durch "Bremswiderstände" entstört und damit im Grunde "butterweich", sondern auch eine sonst keine "fette" Auslegung, keine gewaltigen Lautsprecher-Terminals, keine Arm-dicken Innen-Kabel. Wie soll denn da "Dynamik" funktionieren?

die Rückseite zeigt eine nicht zu knappe Ausstattung

Und er bewegt sich doch

Nun, durchaus geht B1 "Dynamik"- aber anders. Mit den am häufigsten verbreiteten Transistor-Verstärker-Konzepten hat diese Konstruktion auch nur ein paar wenige Schnittmengen gemeinsam, er ist ein naher Verwandter des A1, der ja von Paravancini eher aus der Röhrenwelt "herüber designt" war. Die Einstellung des minimalen Ruhestroms ist genauso ungewöhnlich, wie deren völlige Unabhängigkeit vom thermischen Zustand der Leistungs-Transistoren. Vor allem aber hat die Endstufe wie bei einer Anoden-gekoppelten Push-Pull-Röhrenendstufe oder dem A1 so gut wie keine lokale Gegenkopplung im Lautsprecher-Kreis, dafür sind die Eingangsvergleicher hier extrem "scharf" ausgelegt, Sziklai-Paare sorgen für extreme Empfindlichkeit und Verstärkung der allerersten Stufe und damit auch für eine extreme Unterdrückung von Effekten aus der Betriebsspannung. Und genau dadurch merkt man auch vom "weichen" Netzteil nichts.

Der Verstärker setzt für seine Präzision auf diese Sziklai-Paare. Und auf den reinen B-Betrieb für ideale dynamische Verhältnisse. Wieso aber soll reiner B-Betrieb dynamisch besser sein als gewöhnlicher AB-Betrieb? Und das mit einem so "schlechten" Netzteil?

In Wirklichkeit kommt es für eine in allen Lebenslagen gleichmäßig hinterfütterte Signalübertragung auf den absoluten Innenwiderstand des Netzteils gar nicht so sehr an, vielmehr auf dessen Konstanz für jede Frequenz und für jede Lautstärke. Und hier haben reine A-Verstärker den gleichen Vorteil wie reine B-Geräte: sie wechseln nicht den Modus. A-Verstärker belasten unter gewaltigen Verlusten das Netzteil konstant (wie eine Parallel-Stabilisierung), ein B-Verstärker belastet das Netzteil immer, auch schon bei kleinen Signalen, proportional.
Bei A-B-Konzepten gibt es dagegen einen Übergang zwischen den Modi, der mehr oder weniger gut überspielt wird.

Beim B1 bleiben daher die Verhältnisse Lautsprecher-Last zu Netzteil-Last immer gleich und liefern ihm ideale Voraussetzungen für eine Lautstärke-neutrale Abbildung von Phantomschallquellen, da diese eben nicht ab einer bestimmten Lautstärke plötzlich anders behandelt werden.

Phonostufe mit diskreter erster Stufe und Burr-Brown-Doppel-OP (OPA2134) im Entzerrer

Bei Phono ähneln sie sich alle

Die Phonostufe dieses B1 ist vom Schaltplan her dem A1 noch viel ähnlicher, als die Endstufe. Im Grunde ganz schlicht, je zwei Transistoren als erste Stufe, hier wird auch die Verstärkung für MM und MC umgeschaltet, dann folgt eine RIAA-Entzerr-Stufe mit dem entsprechenden Widerstands-Kondensator-Netzwerk in der Gegenkopplungs-Schleife. Immerhin habe ich hier mit einem feinsinnigeren Operationsverstärker ein wenig nachgeholfen.

Auch der Line-Verstärker ist auf OPA2134 umgerüstet, die Endstufen mit neuen Trimmern und korrigierter Kompensation

Endstufe stabilisiert

Wie Sie bereits auf meiner Revisions-Seite zum B1 nachlesen konnten, gab es bei frühen Exemplaren des B1 Probleme mit der Schwingungs-Stabilität. Dieser B1 gehörte bereits zu den ab Werk relativ gut kompensierten Exemplaren, dennoch habe ich ihn noch etwas weiter in die Richtung der selber ermittelten Werte verändert. So lässt er sich jetzt problemlos justieren und klingt auch wirklich rund.

Alle Elektrolytkondensatoren sind erneuert worden, alle Bedienelemente waren zerlegt und sind blitz-sauber und versiegelt wieder montiert, die Ruhestrom-Trimmer sind neu und neu abgeglichen - im jetzigen Zustand kann er wirklich noch lange durchhalten.

 Board-Unterseite in der Übersicht

Die Schalter wurden wie wie beim Nachfolger durchgehend mit Brücken zwischen den Ebenen versehen, um durch Verdopplung den Kontaktwiderstand und die langfristige Aussetzer-Wahrscheinlichkeit zu minimieren.

Ab Werk war die Kompensation bereits teilweise geändert

Überblick nach Revision

Preis-Klang-Verhältnis

Nun, da ist er wirklich einer meiner Höhepunkte. Merkwürdiger Weise spielt er an den großen Bluesline "Groove" sogar noch überzeugender auf, als an den kleineren "Beat", die für so was eigentlich gemacht sind. Wenn einem keiner sagt, dass der Verstärker nahezu ohne Ruhestrom auskommt, würde man nie von selbst auf die Idee kommen, da mehr Hitze zu fordern, das passt genau so, wie es ist. Mag er kein Leistungs- und Kontroll-Gigant sein, klanglich ist er einer, für den es schwer wird Konkurrenz aufzubauen. Seit dem Einsatz der Burr-Brown Operationsverstärker in Phono-Entzerrer und Line-Stufe hat er zudem in einem Maß an Feinheit gewonnen, die ihn nahe an meine ähnlich bestückten A1er heran rücken lässt. Und nach wie vor kommt mir die modifizierte erste Version noch einen Tick schöner und attraktiver vor, als die MK2-Variante (auch Caruso), von der ich auch noch zwei habe, die ich demnächst bearbeiten will.