Vorverstärker

Micromega Tempo P

verkauft Anfang März 2017 für 528€

Eigenschaften:

  • 6x programmierbare Stereo-Eingänge (Cinch/RCA)
  • 1x symmetrische Eingänge XLR/Cannon
  • 2x Stereo-Endstufen-Ausgang Cinch
  • Vier Buchsen beschriftet mit 1x Subwoofer, 2x Rear, 1x Center - Anschlüsse führen allerdings offensichtlich zu einem unbenutztem internen Stecker - war offenbar für 5.1 nachrüstbar
  • Netzschalter hinten
  • Fernbedienbar - momentan kein eigener Geber vorhanden
  • Bedienanleitung Ausdruck
  • Verschleiß-freie Relais-Umschaltung und Lautstärke-Regelung - letzteres per hochwertigem Regel-Baustein (oft auch in der Studio-Technik verwendet)

das Display ohne Blitzlicht

Revision nach Bedarf

  • Erneuerung der Elektrolyt-Kondensatoren
  • Neues Firmware-EPROM

Tot geglaubte leben länger

Diesen hübschen Tempo hatte ich bei ebay in der Hoffnung ersteigert, den angegebenen Totalausfall möglichst schnell beheben zu können. Bestenfalls ein Versorgungs-Problem, einen Tempo-Vollverstärker konnte ich vor Jahren heilen, dort hatte ein Tantal-Kondensator Kurzschluss bekommen und einiges "mit genommen".
So leicht wollte der Tempo-P es mir aber nicht machen. Der erste Test hat das Thema schnell auf die lange Bank geschoben: Alle Lampen an, sonst nichts. Also alle LEDs und das komplette Display auf Festbeleuchtung. Ein eindeutiges Indiz für ein defektes Bedienteil, kein Progamm-Ablauf, ein defekter Prozessor kann so aussehen. Und da ich so was nicht für Micromega am Lager hatte, stand er halt im Regal und schlug Wurzeln.

die Front mit Blitzlicht

Inzwischen, Jahr und Tag danach, hatte ich allerdings für die Stage-CD-Spieler alles notwendige angeschafft, insbesondere ein EPROM-Lese- und Schreibgerät für die Firmware. Wegen eines CD-Spielers hatte ich nun auch einen passenden Prozessor und ein leeres EPROM parat, die Spannungen hatte ich schon vor der Wartepause geprüft. Kurz auf den Tisch genommen, habe ich zunächst das EPROM geprüft. Treffer - versenkt, da ließ sich inhaltlich nur noch "FF..." auslesen. Im E-Mail-Verkehr hatte ich mit einem andere interessierten Micromega-Besitzer über die Firmware ausgetauscht, der hatte sich auch ein Lese-Gerät gekauft und mir verschiedene Lese-Ergebnisse zum Vergleich und zur Sicherung geschickt. Dabei fand sich auch die passende Firmware für meinen Tempo, genau die Version meines defekten EPROMs. Gebrannt und eingesteckt, eingeschaltet - und funktioniert.

...mein Kopfhörer gehört nicht zum Liefer-Umfang, die Anleitung schon...

Kemet/Evox-Rifa-Ladekondensatoren habe ich für dieses Gerät leider nicht mehr passend bekommen, so wurden es noch teurere Becher von Mundorf aus der M-Lytic-Serie. das ist nur meine zweite Wahl(!), ich halte die Kemets in dieser Anwendung für leicht überlegen, aber meines Erachtens sind beide umd Welten weit passender, als die originale Philips-Bestückung. Die habe ich in verschiedenen Geräten, so z.B. eine Thule-Vorstufe, ein Lindemann und ein Atoll-Vollverstärker im Verdacht, die hauptsächliche "Spassbremse" zu sein, denn all jene klangen zum Einschlafen langweilig und undynamisch. Die umbenannten Evox-Rifa-Becher sind jedenfalls genau das Gegenteil, die Mundorfs machen weniger Dampf, aber mehr Sauberkeit - nach diesem komplettem "recapping" gehe hat diese Vorstufe klare klangliche Vorteile, allerdings steht ihr auch noch eine sehr lange Einspiel-Phase bevor.

Anschluss-Buchsen satt

Die Ausstattung sieht nur auf den ersten Blick puristisch aus, es ist alles fernbedienbar, jeder Eingang lässt sich vom Namen und Pegel her programmieren, die Zahl der Stereo-Ein-und -Ausgänge ist für die meiseten Anwendungen absolut hinreichend - bis hin zu einem Paar symmetrischer XLR-Eingänge z.B. für den Anschluss eines entsprechend ausgestatteten CD-Spielers oder Wandlers.

Interessante Konstruktionsmerkmale

Der Tempo ist nicht nur im typischen Micromega-Einheits-Gehäuse untergebracht, er teilt auch viel von seinem Innenleben mit seinen Geschwistern. Es sind jede Menge Tropfen-förmige Induktions-arme und Austrocknungs-freie (Fest-)Tantal-Kondensatoren verbaut, die sind teuer und erste Wahl für Dauer-Benutzer. Einen deutlichen Nachteil haben sie für reine Sammler: sie vertragen keine lange, Spannungs-lose Lagerung. Nach Jahren wieder eingeschaltet, kann die Formatierung derart abgebaut sein, dass sie mindestens prasseln, wenn nicht kurzschließen. Also möglichst nicht dauerhaft außer Betrieb nehmen so was, es könnte fünf Jahre später beim ersten Wieder-Einschalten kaputt sein/gehen, wo es bei gelegentlichem Betrieb nie zu Problemen gekommen wäre.

Innen-Übersicht des revidierten Geräts

Gegen den Ausfall des Firmware-Eproms bzw. seines Inhalts durch Alterung kann man eigentlich nichts machen, außer das vorhandene EPROM entweder auszulesen, mit UV-Licht zu löschen und neu zu beschreiben, oder besser noch den Inhalt in ein neues EPROM zu kopieren. Dessen Daten-Erhaltung bzw. Lebensdauer wird dann i.d.R. wieder mindestens so lang sein, wie die des ersten, vermutlich sogar durch verbesserte Fertigung auf einem neueren Stand der Technik sogar bei Markenware deutlich höher.

...und das ist bei diesem Gerät ja zwangsläufig geschehen...

Das neue Firmware-EPROM auf der Eingangs/Steuer-Platine

Besonders fällt bei den Tempo-Verstärkern aber auch folgendes auf: im Netzteil vor allem für weniger belastete Spannungen verwendet man Vorwiderstände in der Zuleitung der Gleichrichter. Nach britischem Gusto ein Unding, doch ist hier ein klares Ziel erkennbar, die Reduzierung der Ladestrom-Spitzen. Das Prinzip habe ich bereits beim RG9 beschrieben.

Klar erkennbar: die Leitungs-Treiber-Verstärker mit Kühlkörpern. Die Elektrolytkondensatoren wurden größtenteils durch Panasonic-Typen ersetzt, Ausnahmen: bipolare Nichicons, Snap-In-Becherelkos von Mundorf

Dennoch ist der riesige Trafo immer noch derart über-dimensioniert, dass man bei offenen, aufgedrehten Eingängen zumindest bei hoher vorprogrammierter Empfindlichkeit leise die Ladestrom-Spitzen hört, ich gehe davon aus, dass das bei dem Gerät normal ist, zumal es mit angeschlossenen Quellen und Pegel-Anpassung keine wahrnehmbare Rolle spielt.

Besonders interessant finde ich übrigens die reduziert-kompakte Ausgangsstufe mit richtig guten Operationsverstärkern, die für sich genommen keine großen Lasten treiben könnten, doch mit speziellen Buffer-Leitungstreibern zu super-schnellen Stromlieferanten aufgebohrt sind - die teuren Nachbrenner-Endstufen benötigen einen Aufsteck-Kühlkörper, denn sie arbeitet in einem extrem schellen und Verzerrungs-armen, doch auch verschwenderischen (Class-A-)Arbeitspunkt. Welcher Typ verwendet wird, kann ich nur anhand der restlichen Bestückung vermuten vermutlich je ein BUF634 pro Kanal. Doch so etwas gibt es mindestens von Burr-Brown/TI und von Linear Technology - ich habe nicht unter die Kühlkörper geschaut. Der von Micromega angegebene differentielle Innenwiderstand liegt jedenfalls bei 0,1Ohm, da könnte man an Hochwirkungsgrad-Lautsprechern schon gut ohne Endstufe hören - ein Cinch-Kabel zur Endstufe wird hiermit gezwungen, sein absolut Bestes zu geben.

im Test

zeigte diese Vorstufe tatsächlich noch das "alte Flair" der 90er-Jahre Micromegas, ich hatte da inzwischen Begegnungen mit aktuellen Micromegas, denen ich persönlich absolut nichts abgewinnen kann.
Nicht so bei diesem Alt-Gerät, das hat nämlich mit den heutigen Class-D-Verstärkern so angenehm gar nichts gemeinsam, es spielt auch bei niedrigem Pegel schon angenehm und lebendig. Und geht einem auch bei längerer Nutzung nicht auf die Nerven, ein riesiger Pluspunkt und Unterschied.

Sicher ist der Tempo für optimale Ergebnisse nicht beliebig kombinierbar, man kann mit ihm keine fade Kette "anhübschen". Er spielt nämlich weitgehend auf der neutralen Seite, ist schnell, hält sich raus und wirkt auf den ersten "Blick" vielleicht ein wenig unscheinbar. Doch ich kenne auch die größere Vollverstärker-Version des Geräts, die finde ich restlos überzeugend - und so, wie diese Vorstufe bei mir Exposure- oder Quad-Endstufen bedient, kann ich mir lebhaft vorstellen, wie sie sich am zugehörigen und besser darauf abgestimmten "AMP" schlägt (eine Endstufe im gleichen Format, gefüllt mit ganz viel Trafo und zwei schmalen, mit einem Pärchen Hitachi-MOSFETs raffiniert bestückten Platinen).

So schnell, tonal korrekt und mit weit zurück genommenen technischen Eigenschaften macht die Französin einfach Freude, richtig kombiniert kann man mit dieser Schalt- und Regel-Zentrale eine richtig gute Kette steuern.
Empfehlung: mein Stage4 dazu und dann laueren, bis man einen "AMP" auftreiben kann...