Vollverstärker

Meracus Intrare - erste Version

Verkauft Januar 2016 für 459,- €

Eigenschaften

  • Gehäuse kaum Gebrauchsspuren - Metallic-Effekt-graue Front mit aufgedrucktem Schriftzug
  • Deckel aus MDF, schwarz hochglanz-lackiert (Lackierung neu)
  • 5 Line Eingänge Tape Schleife mit eigenem Record-Schalter, wahlweise Tape- oder Monitor-Anschuß
  • Potentiometer, Quellwahlschalter und beide Druckschalter überarbeitet
  • Einschaltverzögerung/Thermo-Schutzschaltung geändert, Konstruktionsmängel beseitigt - siehe Text

Das Gerät war eine Überraschung

...anders kann ich es nicht sagen. So wie z.B. ein Mission Cyrus II oder ein Audiolab 8000A (Camtech 100/101) unter den Briten einen auch etwas japanischen Charakter aufweisen so würde ich diesen deutschen Verstärker jederzeit in der britischen Ecke mit unterbringen, er hat dazu einfach alles - zumindest alles Positive. Dieses Exemplar hat mich als Kundenangebot zur Inzahlungnahme erreicht, ich kannte ihn nicht. Nach dem ersten Revisionsdurchgang hat der Verkäufer das Gerät allerdings noch mal angehört und behalten. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt die möglichen Fehlerquellen der Konstruktion allerdings auch noch nicht ausreichend eingekreist und konnte auch einige Phänomene im Verhalten speziell dieses Exemplars nicht ganz einordnen: er hatte nach der Reparatur der defekten Endstufe trotz Lautsprecher-Relais immer noch einen deutlichen Einschalt-Plopp, das Relais zog nach meinem Geschmack viel zu schnell an - das ohne Unterlagen genau zu analysieren hätte allerdings auch umgehend ordentlich Zeit in Anspruch genommen - hätte ich das mal gleich gemacht. Geklungen hat er jedenfalls schon mal gut, nachdem die Elko-Bestückung mal vom Feinsten war und natürlich alle Kontakte im Signalweg aufpoliert und geschützt wieder eingebaut wurden. Ja und der Charakter war auf der Stelle einnehmend, er hat mich sofort an einen alten Bekannten erinnert, den Naim Nait 1 - und ich habe mich natürlich gleich auf die vergleichende Suche gemacht warum. Und ich will hier mal die Hauptschuldigen nennen: es sind einerseits die Auslegung in dynamischer Sicht, speziell das Verhältnis Netzteil- zu Ausgangsleistung, beides mit durchaus ähnlicher Strickart, was die Komponenten angeht. Und dann ist es die Schaltungs-Topologie insbesondere in Bezug auf den Gegenkopplungs- und Dämpfungsfaktor in Kombination mit Ausgangstransistoren, die mir unerfindlicher Weise immer wieder sehr positiv aufgefallen sind: BD911/BD912 heißen hier die Leistungs-Elemente. Das hat dieser erste Intrare ebenfalls mit dem genannten Naim und auch mit den kleineren Onix-Modellen aus dem gleichen Herstellungszeitraum gemein. Hier wurden diese 15-A-Typen zwecks Belastbarkeit pro Kanal doppelt eingesetzt, also je vier für rechts und links, doch das ändert kaum etwas an deren Grundeigenschaft: sie haben ein extrem gutes Kleinsignalverhalten im komplementären Push-Pull-Betrieb (also der gängigsten Standard AB-Schaltung), ein überragend angenehmes Klirrspektrum. Und das prädestiniert das Gerät, sich in die Reihe der Klangfarben-Künstler einzureihen. Denn das ist, was der Intrare, der Onix OA20 und der Naim Nait 1 nun tatsächlich gemeinsam haben: es ist eine wahre Freude den Klangfarben, den so leicht zu Unterschlagenen Details im Mitteltonbereich zu lauschen. Ich meine keine Analytik in Sachen Ereignis-Fülle, nicht die scharfen Kanten des Klangbildes, nein, die selbstverständlichen Schattierungen gerade da, wo andere nur noch die Unterscheidung eines einzelnen (Farb-)Tons zulassen.
Was übrigens die Farbenfreude zu Ungunsten einer größeren Breitbandigkeit noch unterstützt ist die Innen-Verkabelung der Lautsprecher(-Buchsen), hier wurde ein hochwertiges, wohl Teflon-beschichtetes Volldraht-Kabel verwendet, solche Kabel-Varianten neigen immer zu schönen Mitten und etwas weniger betonten Höhen und weniger kontrolliertem Bass. Hier meiner Meinung nach genau passend.

Jedenfalls hat der Vorbesitzer das Gerät zurück gekauft und dessen Eigenschaften begonnen neu zu schätzen, dann kam aber erst noch mal...

...zuerst mal eine böse Überraschung

Wie schon angemerkt: einigen Details hätte man etwas mehr analytische Aufmerksamkeit schenken sollen, hinterher ist man immer schlauer.
Das Gerät verabschiedete sich unerwartet mit einem lauten Knall. Und gab mir entsprechend die Hausaufgabe der Detailsuche auf - nach dem versteckten Auslöser, immerhin waren seit der ersten Fertigstellung Wochen vergangen.
Da kamen z.B. die noch nicht erneuerten Ruhestrom-Potentiometer in Frage, aber auch die Bonding-Drähte bzw. deren Kontaktierung in den BF-Treiber-Transistoren, die LEDs, die Eingangstransistoren. Eventuell auch einfach Überhitzung, denn, da werde ich noch darauf zurück kommen, das Kühlkonzept dieses Erstlings ist etwas ungünstig.

Elkos, LEDs, und alle Transistoren im Bild - neu

Jedenfalls wurden die Trimmer, die Treiber und die defekt gegangenen Endtransistoren neu und schließlich nahm ich mir noch die Einschaltverzögerung vor, habe den Schaltplan ausgelesen, aufgemalt und für schlecht befunden. Es gab nur eine Zeitkonstante für die Einschaltverzögerung, und die ganze Schaltung war recht niederohmig ausgeführt, so konnte man eigentlich keine ausreichende Verzögerungszeit realisieren. Schon gar nicht präzise. Und der größte Nachteil: die Verzögerung war direkt mit der Temperturabschaltung gekoppelt, denn gegen mögliche Überhitzung war eine Lautsprecher-Trennung vorgesehen.
Den Vorwiderstand habe ich durch eine Konstantstromquelle mit Anlauf-RC-Glied versehen. Dadurch ließen sich die beiden Komponenten besser trennen: die Anlauf-Schaltung sorgt nun für eine wesentlich längere Wartezeit nach dem Einschalten, kein "Plopp" mehr, der einstellbare Endwert des Konstantstroms dagegen legt die Abschalt-Temperatur fest. Im Moment habe ich 55°C eingestellt, denn zur Kühlung hält das relativ dünne Bodenblech her, durch dessen hohen thermischen Widerstand kann man hier sicher nicht allzu hohe Werte am Messfühler vorsehen, denn es gilt ja die Sperrschicht der Transistoren vor Überhitzung zu schützen. Ist das Temperaturgefälle im Material hoch, dann bedeuten 80°C am Blech leicht 160° in der Sperrschicht - da wird es kritisch. Mit der jetzigen Einstellung mit Sicherheit nicht.

Die Erweiterung der Einschaltverzögerung/Themoabschaltung

mit Lerneffekt und einem absolut betriebssicheren Ergebnis...

Jedenfalls sind alle Ausfallquellen beseitigt - das Gerät ist dann auch wenigstens ein halbes Jahr störungsfrei gelaufen.
Bei mir ist er deshalb wieder gelandet, weil der Kunde nach seinem Umzug Lautsprecher mit mittlerem Wirkungsgrad in einem sehr großen Raum damit betrieben hat. und nach einiger Zeit lautem Betrieb dann öfters mal die Quittung in Form einer Temperatur-Abschaltung erhalten hat. Nachdem das immer wenigstens eine halbe Stunde gebraucht hat, habe ich ihm angeboten, noch ca. 5°C zu erhöhen, das hätte sicher gelangt - doch er hatte inzwischen auf ein wesentlich kräftigeres Gerät mit guter Kühlung umgestellt und mir den Intrare vermacht.

die BD-911/BD912-Ausgangsstufe, in weißer Wärmeleitpaste sieht man den Temperaturfühler

Die Maßnahmen

hier mal die Zusammenfassung, was an dem Gerät alles überarbeitet wurde:

  • neue Endstufen-, Treiber- und VAS-Transistoren
  • neue Trimmeralle Elkos neu, die kleineren Exemplare Panasonic FM und FC, die Netzteil-Elkos Evox-Rifa
  • Umschalter und Potentiometer ausgebaut, gereinigt/poliert und versiegelt
  • Einschalt-Verzögerung und Thermo-Schutzschaltung nachentwickelt und wesentlich verbessert
  • das Montageblech der Endstufe ist jetzt mit Wärmeleitpaste an das Bodenblech geschraubt (!)
  • der Deckel ist neu Hochglanz-Schwarz-lackiert und poliert

Netzteil-Elkos vom Feinsten: Evox-Rifa Typen mit 6000h@105°C

Wenn Sie ein späteres Modell des Intrare gehört haben

abgesehen mal von den offensichtlichen Unzuläglichkeiten der Schutzschaltung und der Kühlung ist diese Version meiner Meinung nach allen ihren Nachfolgern vorzuziehen. Sie klingt einfach besser. Einen späteren Intrare hatte ich da, die Umschaltung und Lautstärkeregelung waren mit CMOS-ICs und einem Studio-Regel-Baustein verwirklicht, messtechnisch ist so etwas eher haushoch überlegen, besserer Gleichlauf, bessere Trennung usw.
In der Endstufe hatte ein vernünftiger Kühlkörper und ein Satz japanische Transistoren Einzug gehalten. Die Schaltungstopologie mag noch ähnlich sein - aber das Gerät hatte seinen kompletten Charme verloren. Nein, ich meine nicht dass die Nachfolger wirklich schlechter spielen, aber sie sind glatter, mehr Allerweltsgeräte. Und die schönen Klangfarben - nicht mehr da. Was richtiger ist, lasse ich mal dahingestellt. Mir gefällt dieser hier jedenfalls, die späteren Modelle üben dagegen auf mich weniger Anziehung aus.

Schade, dass die Konstrukteure das wohl zu spät eingesehen haben, hätten sie den wirklich guten Kern des Geräts erkannt und weiter verfolgt, wäre da zurecht  ein gehobener Kultstatus drin gewesen. Das hier behandelte Gerät ist ein Sammlerstück und eine Ohrenfreude. Nach ein paar weniger anrührenden Nachfolgern  hat die Firma halt irgendwann aufgehört.

Und wofür kann man ihn brauchen?

nun, er ist genau da richtig, wo es auch ein alter Nait oder Onix wären. Schlechter Wirkungsgrad eines sehr komplexen Lautsprechers und das noch in einem riesigen Raum - geht nicht. Ein kleines Musikzimmer mit meinetwegen 12 Quadratmetern, einem kleinen Zweiwege-Lautsprecher im Regal oder auf Ständern, ein vielseitiger Musik-Geschmack und viel Freude am Entdecken gerade bei nicht so hohen Pegeln - da fühlen sich Gerät und Besitzer dann gleichermaßen wohl.

Nacharbeiten

das Gerät war in der Vorführung öfters im Einsatz, immer mit einwandfreier Funktion. Dann fand sich ein Käufer, doch der hatte plötzlich ein Problem mit der Empfindlichkeit. Er könne kaum aufdrehen, schon bei "8:00 Uhr - Stellung" des Reglers sei er fast an seinem Limit. Und - wie das immer so ist - sei in dem geringen Regel-Bereich so nahe am Links-Anschlag auch der Gleichlauf nicht gut. Dämpfungsglieder haben ihn letztlich auch nicht glücklicher gemacht, es gäbe da immer noch ein Balance-Problem. Also habe ich den Verstärker zurück genommen.

Leider kann ich keines der genannten Probleme an meinen Quellen und Lautsprechern nachvollziehen, schon nicht, als das Gerät mich nach der Rücksendung erreicht hat, und nach genauer Untersuchung immer noch nicht. Die gemessene Kanal-Abweichung war wie die gehörte marginal. Ich habe während der Untersuchung des Reglers die nervige Rasterung entfernt, aber nichts verbessern können. Immerhin habe ich dabei gelernt, dass sich der Gleichlauf eines komplett montierten blauen Alps-Reglers einstellen lässt, dafür sind die seitlichen Service-Öffnungen: Durch die hintere kann man den hinteren Schleifer fest halten und so mit dem Knopf gegen den vorderen verdrehen, bis man minimale Abweichung und gleichzeitiges Einsetzen der Kanäle hat. Deshalb ist zwischen den Schleifer-Blöcken oder dahinter auch immer eine Gummi-Scheibe montiert.

Jedenfalls: der Meracus spielt nach wie vor einwandfrei und völlig in der Balance, auch die über-hohe Empfindlichkeit konnte ich nicht feststellen. Wer weiß was da war...

Ach ja: die Kapazität des Kondenstors, aus dem die Versorgung für das Relais entnommen wird, habe ich im Vorbeigehen für ein satteres Einschalten erhöht.
Und einen Kratzer im schönen neuen Lack musste ich wieder auspolieren.