Vollverstärker

ION Obelisk 3 - 1990

Revision:

  • Austausch aller Elektrolytkondensatoren,
  • neue Einstell-Trimmer mit Abgleich
  • Bedienelemente Reinigung

Eigenschaften:

  • Phono-MM-Eingang Chinch,
  • Phono-Platine austauschbar (lässt sich auch um-bestücken)
  • Alle Line-Pegel-Eingänge Chinch
  • Eine Tape-Schleife,
  • CD- und Tuner- Eingang
  • Gehäuse Stahl, Strukturlack, gebürstete, dunkle Alu-Front

über dem Lautstärkeregler ist die Beschriftung etwas abgegriffen

Da hat möglicherweise mal jemand etwas heißes drauf gestellt, die helle Verfärbung ist in der Kunststoff-Beschichtung, ansonsten ist die Oberfläche völlig gleichmäßig.

Die Herstellergarantie wurde ganz offensichlich durch Unterlassung verletzt - bei mir gibt's dafür neue...

Zu den britischen "Schuhkarton-" Verstärkern aus der Hifi-Kleinindustrie-Phase der 80er und 90er Jahre ist der ION Obelisk neben z.B. Naim (Nait 1&2), Onix (OA20/21/22) und Mission Cyrus (1/2/ff.) ein weiteres Beispiel, bei mir lange unetdeckt, dieser hier ist mein zweiter Obelisk - nach einem Zweier jetzt ein Dreier. Einiges dazu können Sie bereits beim Artikel über den Zweier nachlesen. Die Version 3 ist allerdings nicht unbedingt das spätere, eher das größere Modell.
Wobei auch "größer" etwas übertrieben wirkt, an sich ist der Bauplan sehr ähnlich, die deutlichsten Unterschiede sind die austauschbare Phono-Sektion und das umfangreicher bestückte Netzteil. Von diesem Modell gibt es dann noch die "X"-Variante, die wiederum noch kräftiger versorgt wird - der Trafo befindet sich dann in einem eigenen Gehäuse. Und da in der "X"-Variante genug Stromlieferfähigkeit zur Verfügng steht, hat man dafür auch doppelt so große Lautsprecher-Koppelkondensatoren bestückt - wie die meisten Briten wirtschaftet der Obelisk mit seiner verfügbaren Leistung sparsam und steckt per Bassbegrenzung seine begrenzten Ressourcen nicht wie anderer Geräte in riesige, aber fast unhörbare Tieftöner-Hübe.
Hat man hier genug Leistung und muß zudem ein großes Raumvolumen in Bewegung setzen, dann ist Tiefbassleistung natürlich das, was die Wiedergabe im wahrsten Sinne des Wortes zum "Atmen" bringt - doch setzt man seine musikalischen Schwerpunkte innerhalb der technisch vorhandenen Möglichkeiten nach ihrer psychoakustischen Wichtigkeit, dann wurde hier wirklich durchdacht vorgegangen. Nun kann man die Grenzfrequenzen einer Schaltung auch ohne Koppelkondensator festlegen, doch hier bestimmt - sogar Lautsprecherimpedanz-abhängig - der Koppelkondensator die untere Grenzfrequenz, dabei schützt er nebenbei den Lautsprecher wirkungsvoll gegen gefährliche Gleichspannungsanteile, im Betrieb wie im Fehlerfall. Keine moderne Schaltungsart, aber duchaus auch mit Vorteilen. Bei niederohmigeren Lautsprechern liegt die Grenzfrequenz höher, so dass der höheren Last mit weniger Bass-Hunger entgegen gewirkt wird. Mit dem dickeren Trafo geht er dann eben auch eine Oktave mehr nach unten. Der "Standard"-Dreier hier hat allerdings die gleiche Koppelkondensator-Größe wie der Zweier - das Netzteil hat nur mehr Sieb-Kapazität, bleibt daher zumindest kurzzeitig stabiler.
Und noch ein Unterschied: auf der Endstufen-Platine wie auf der Buchsen/Netzteil-Platine ist je ein Paar Cinchbuchsen montiert, so dass man beim Kappen der inneren Verbindung eine Vor-Endstufen-Auftrennung erhält - auch ohne Unterbrechung an dieser Stelle kann man hier das Vorstufen-Signal ableiten.

Immer wieder das Gleiche - und was anders ist...

Typisch für so einen kleinen, nominal schwachen Briten ist die mächtige Versorgung, das sticht bei diesem Obelisken genauso ins Auge wie bei allen direkten Mitbewerbern. Ebenfalls typisch ist die anscheinend recht klein geratene Kühlung, Japaner werden da stets mächtiger ausgestattet - doch haben die Briten da eine unsichtbare Gemeinsamkeit: sie benutzen stets das Gehäuse zur Wärmeabfuhr mit und haben damit große Vorteile gegenüber den thermisch isoliert montierten Fernost-Kühl-Konzepten, denn sie brauchen so auch keine Lüftungsschlitze. Die Gehäuse sind geschlossen, bleiben i.d.R. innen sauber und schützen die Bedienelemente weit  besser vor Umwelteinflüssen wie Staub und anderen Luftbelastungen, so auch hier.
Doch es gibt auch ein paar Alleinstellungsmerkmale, der ION hier hat eine Druckschalter-Signalwahl, die mit Kombinationen funktioniert, binär sozusagen - und eben die Elko-Ankopplung der Lautsprecher trotz doppelt ausgeführtem Netzteil, hier hat man wohl lieber jede logische Signalstufe separat versorgt, als nur in zwei Halbwellen zu trennen.
Die Schaltung ist wiederum eher konventionell, alles diskret mit einzelnen Transistoren aufgebaut, der Kühlkörper ist flächig am Bodenblech verschraubt und wärmt so das ganze Gerät mit, es gibt wie so oft in dieser Sparte wahlweise über die Kopfhörerbuchse geführte Lautsprecherausgänge, die schalten ab, sowie ein Klinkenstecker eingeführt wird ("switched"), die anderen Terminals sind für den direkten Anschluß ohne möglicherweise klangmindernde Schaltkontakte im Signalweg.

Die Endstufe mit Ihren 2200µF-Koppelkondensatoren - hier jetzt in Panasonic FC

Die Phonostufe noch in Originalfassing...

...und jetzt mit Panasonic FM/FC-Elkos

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Regler, Kopfhörerbuchse, Signal-Umschaltung, Netzschalter

was war noch zu überarbeiten?

während der Neu-Bestückung...

beim ersten Hörtest nach dem Abgleich der Endstufen, fiel mir gleich auf, dass der Lautstärkeregler am Beginn des Regelbereichs kratzte.
Den habe ich mir dann noch mal vor geknöpft, ein 50kOhm Alps-Potentiometer könnte man natürlich auch komplett erneuern, doch eine Überarbeitung ist genau betrachtet die bessere Wahl: alles auseinander, Silber putzen und Schutz-ölen, neues Silikon-Dämpfungsfett in die Achsführung - schließlich läuft das Potentiometer wie ein Löffel im Honig und funktioniert besser denn je, vermutlich auch länger als ein neues. Die Schadow-Signalschalter habe ich übrigens unbearbeitet gelassen. Wie fast immer haben diese nämlich keine Probleme gemacht, konstruktionsbedingt reiben sie sich viel leichter frei, als die (nicht schlechten) Schalter der ALPS-Konkurrenz.

So sah das Potentiometer vor der Reinigung aus, die Versilberung (bzw. deren Korrosion) an dem inneren Ring ist das eigentliche Aussetz- oder Kratz-Problem, vor allem, wenn wie hier Schwefel im Spiel war und sich ein brauner Belag aus Silbersufat gebildet hat.

Alles frisch - mal angehört

Wo würde man den Obelisk 3 einordnen?
Er funktioniert nach dem Prinzip des ersten CAS4040 oder einer QUAD303, man merkt ihm an, dass er definitiv nicht dafür gedacht war über den relativ kleinen Koppel-Kondensator Berge zu versetzen. Diese Schaltungsart schränkt ihn ein wenig auf 8-Ohm-Lautsprecher in kleineren Räumen ein, dann wird nämlich von einem Defizit im Bass überhaupt nichts spürbar, da spielt er seine Karten bestens aus. Wie auch bei den Mitbewerbern gleichen Formats legt der Obelisk vor allem Wert darauf, das für ihn Machbare richtig im Griff zu haben, sich auf auf das Wesentliche zu konzentrieren. Also zeigt er erwartungsgemäß keine extreme Breitbandigkeit, sondern griffige Dynamik, gute räumliche Darstellung und vor allem eine natürliche Darstellung des Stimmbereichs, farbig und Verdeckungs-arm.
Abgesehen davon, dass das Grundkonzept eine heutzutage seltene untere Begrenzung aufweist, reiht er sich bei einer Gesamtbetrachtung seiner Eigenschaften mitten zwischen den anderen "Kästchen" ein. Mal abgesehen von den Cyrus-Geräten, die in dieser Klasse die "japanischste" Charakteristik haben, liegen Onix, Naim und ION doch nahe beieinander. Sie sind artverwandte Konstruktionen, typisch in ihrer Grundabstimmung. Und meiner Meinung nach ist der Obelisk tatsächlich sogar ein gelungener Kompromiss zwischen Onix und Naim, in Sachen Klangfarben und Dynamik jeweils zwischen den beiden anzusiedeln - natürlich wiederum mit noch anderen Schwerpunkten.
Man kann ihn als Sammler tatsächlich nicht ignorieren, beim Kombinieren einer kleinen, britischen Kette ist der ION einfach in der ersten Wahl, je nach den anderen Komponenten sicher oft mal sogar die beste...

Anmerkung Sommer 2016

Die Ruhestrom-Einstellung des Obelisken erwies sich bei später bearbeitetem Obelisk 3 mit X-Pack als durchaus heikel, inzwischen weiß ich auch, dass je nach verwendeten Leistungs-Transistoren, Isolierscheiben und Emitter-Widerständen die Ruhestrom-Einstellung umzurechnen, eventuell auch zu erproben und anzupassen ist. Was in dem einen im Netz zugänglichen Schaltplan steht, ist also mit äußerster Vorsicht zu genießen, wenn nicht gar als falsch zu bezeichnen, der Wert ist für den Durchschnitts-Obelisken zu hoch. Was man mit Sicherheit behaupten kann: bei ca. 10mA pro Kanal bleibt alles immer thermisch stabil. Zwischen ca. 12mA und 20mA allerdings findet sich stets ein Punkt, bei dem das Gerät thermisch "kippen" kann. Lässt man es an einem Lastwiderstand heiß laufen und der Ruhestrom ist oberhalb dieser Grenze eingestellt, neigt er dazu sich mit der Erwärmung schlagartig aufzuschaukeln, die lokale Erwärmung steigert dann den Ruhestrom, dieser wiederum die Erwärmung - bis zu Zusammenbruch durch Überhitzung. Man sieht das, indem man eben die Stufe unter Beobachtung der Spannung an den Emitterwiderständen durch kurzes Aufdrehen unter Last "anheizt" und dann beobachtet, ob der durch Erwärmung erhöhte Ruhestrom bei Entlastung stets sofort wieder fällt. Tut er das nicht, besteht äußerste Ausfall-Gefahr, sofort abschalten und erst mit einer niedrigeren Einstellung wieder anfahren. Empirisch haben sich für das getestete Exemplar ca. 13mA optimaler, sicherer Ruhestrom ergeben. Mein Obelisk1-Eigengerät habe ich darauf hin nochmals demselben Test unterzogen - mit dem Ergebnis, dass der Ruhestrom dort bereits optimal lag.