Vollverstärker

ION Obelisk 1

Verkauft im Herbst 2016 komplett revidiert für 479,-€

Revision:

  • Alle Elektrolytkondensatoren erneuern
  • Endstufen neue Einstell-Trimmer und neuer Abgleich
  • Bedienelemente reinigen und versiegeln
  • Betriebsspannung absichern

Eigenschaften:

  • Phono-MM-Eingang Chinch
  • Alle Line-Pegel-Eingänge Chinch
  • Eine Tape-Schleife,
  • CD- und Tuner- Eingang
  • Gehäuse Stahl/Aluminium, Struktur-Lack.

Der gebürstet-eloxierte Lautstärke-Knopf war leider etwas angeschlissen und ist per Edding geschwärzt.
Kratzer hat er aber nicht, im Gegensatz zum AUX-CD-Knopf - doch auch der ist nicht tragisch.

Der erste, der keinste

so vermute ich, ohne dabei gewesen zu sein. Nachdem ich ohne zu großen Aufwand und mit wirklich ansprechendem Ergebnis bereits einen Obelisk 2 und einen Obelisk 3 überholt hatte, habe ich bei diesem ebay-Defekt-Gerät schon wegen der Vollständigkeit zugeschlagen.
So stand er dann dann ungeöffnet eine Weile vor sich hin, bis ein österreichische Anfrage einen Vergleichstest heraus gefordert hat: ein Cyrus1, ein Onix OA20 und dieser Obelisk 1 sollten ins Rennen gehen.
Erstens war ich da mal selber gespannt, zweitens stand er aber noch defekt da - das haben wir "gleich" - also zumindest bald.

...dachte ich

Dem Kunden hatte ich die Auswahl auch schon zugesagt.

Der erste Blick ins Gerät und auch der erste geruchliche Eindruck ließen aber sofort Zweifel aufkommen, ob aus diesem Test etwas werden sollte.
Ich war schon drauf und dran, die Auswahl einzuschränken - es kann in einem gegebenen Umfeld und mit gegebenen Lautsprechern sowieso nur ein Gerät die Nase vorn haben. Und nach der Schilderung des Kunden war der Obelisk mit seiner zum Lautsprecher hin Elko-gekoppelten Endstufe ohnehin der unpassendste Kandidat in Bezug auf die zu beschallende Zahl von Quadratmetern - auch wenn die Anlage "klein aber fein" werden sollte.

Aber bei mir kommt auch so leicht kein interessanter Verstärker auf den Müll, schon gar nicht im Ganzen...
...und so habe ich mich entschlossen, eine Strategie zu entwickeln.
Von Vornherein war dabei erst mal unklar, wie es zu dem Ausmaß der Zerstörung hatte kommen können, das klärte sich erst gegen Ende der Überarbeitung und wurde auch einer Wurzel-Behandlung unterzogen.
Jedenfalls hatte es einen Endstufen-Kanal komplett zusammen geschmort und aufgelöst, die Platine war genauso verbrannt (und damit leitfähig) wie die Bauteile darüber.

Zudem hatten die entwichenen Gase, vermutlich viele Halogen-basierte Flamm-Hemmer die komplette Umgebung angegriffen, unter anderem den Lack an der Innenseite der Rückwand, alles aus Eisen zeigte in diesem Bereich mindestens Rost-Spuren. Dass das nicht leicht sauber zu bekommen wäre, stand fest.

Auf diesen Bildern sieht man deutlich das Ausmaß der Zerstörung

Nun, was tut man, wenn ein Bein nicht mehr zu retten ist vor Wundbrand? So ähnlich lag der Fall hier auch, es kamen die Klein-Bohrmaschine mit Fräser, das Taschenmasser, das Skalpell und die Feile zum Einsatz. Es wurde amputiert und eine Prothese eingebaut.

Glücklicher Weise funktioniert so etwas in der Technik sogar weit besser, als in der Medizin. Macht man es richtig, sind keinerlei Abstoßungs-Erscheinungen oder sonstigen späteren Einschränkungen zu erwarten, so gut müsste man Menschen erst mal helfen können...

Hier das "Transplantat" noch unbestückt, die Platine ist bereits ordentlich gewaschen.

+

Von unten sieht man alle weg gebrannten Leiterbahnen mit Kupferdraht und Zinn rekonstruiert, in der Regel wurden für die Verbindungen die überstehenden Bauteile-Beine verwendet.

Das ganze von oben lässt auch die neue Bestückung erkennen - abgesehen von der Farbe der Platinen-Ecke ist wieder alles in Reih und Glied.
Man beachte auch die Neubestückung der Elektrolytkondensatoren und Ruhestrom-Trimmer.

Schöner bekommt man das sicher mit einer neuen Platine hin, elektrisch oder klanglich hätte die aber keine Vorteile.

Und selbst wenn man rein schaut: die Prothese sitzt unter dem Kühlkörper

mehr fällt auf, dass innen der Lack gelitten hat. Der ist an den lockeren Stellen abgeschliffen, dann hat die Innenseite eine Schicht Klarlack bekommen, da rostet nichts weiter.
Rechts erkennt man den Phono-MM-Verstärker mit der Panasonic-Bestückung.

Was man den Bildern auch entnehmen kann

Selbstverständlich sind auch alle Schritte einer "normalen" Revision erfolgt, so wurde der Lautstärke-Regler gereinigt und versiegelt, waren die Umschalter zerlegt im Ultraschall und haben ebenfalls einen Spritzer "Schutz"-Öl erhalten.
Das Netzteil mit seiner unsymmetrischen Versorgung hat neue Lade-Elkos von Panasonic, das Ultraschallbad hat auch die Rückstände von den Oberflächen der Buchsen genommen.

Die originalen Endstufen-Darlington-Transistoren musste ich wegen der Beschaffbarkeit mit einem anderen, ähnlichen Typ ersetzen, hier ließe sich nach einem Bedienfehler jetzt wieder jederzeit Nachschub organisieren.
Endlich waren alle Platinen-Grund-Arbeiten abgeschlossen. Jetzt kam ein unangenehmes "um-die-Ecke-Gefummel" unter dem Kühlkörper, was sich die Konstrukteure eben mal so ausgedacht hatten. Denn die Transistoren müssen samt dem Kühlkörper genau in Position sicher verschraubt werden - nur sieht man um die Ecke weder Transistoren noch Schraubenköpfe, schon gar nicht die genaue Position der Glimmerscheiben hinter den Transistoren.

Und wie kam es zu dem Brand?

Ich wollte es mir bei der Montage der verdeckten Endstufe einfacher als im Original machen und habe anstelle der einzelnen Glimmerscheiben mit Wärmeleitpaste (was natürlich thermisch wunderbar funktioniert, wenn es erst mal in Position ist) eine selbstklebende, Glasfaser-verstärkte Silikon-Folie für alle Transistoren zusammen aufgebracht. Alles wunderbar, gut und schnell zu montieren, dachte ich. Nur im Last-Test musste ich dafür Lehrgeld zahlen. Wurde die Endstufe warm, eskalierte der Ruhestrom und mit einem leisen "Blipp" begann mein Trenntrafo zu brummen, Transistoren kaputt. Normalerweise müsste nun die Primär-Sicherung auslösen. Tat sie aber nicht, ich habe eiligst von Hand abgeschaltet. Die Kontrolle zeigte: der richtige Wert für die Netzsicherung war eingesetzt, der passte auch zum Trafo, sicher auch zu einem Netzteil-Schaden - doch bei Endstufen-Problemen floss der Strom einfach weiter. Das war auch der Grund für den vorgefundenen kapitalen Schaden: man kann schon mal durch einen Fehler eine Endstufe töten (Lautsprecher-Kabel-Kurzschluss z.B.), doch dabei darf das Gerät nicht komplett innerlich verkohlen - ehrlich gesagt: das war eigentlich ein Totalschaden, der nur wegen meiner Neugierde ignoriert und behoben wurde, der Zeitaufwand schlägt sich im Angebotspreis nicht annähernd nieder.

Ein paar Transistoren, ein Satz neue Glimmerscheiben samt Wärmeleitpaste und einen Sicherungshalter mit passend berechneter und ausgetesteter Sicherung später lief das Gerät thermisch stabil und absolut belastbar. Im Rahmen der Ursachenforschung habe ich auch die Zobel-Glieder seiner Nachfolger ergänzt (der Obelisk 2 hat ansonsten den gleichen Schaltplan), was die HF-Stabilität klar erhöht und damit auch manche nervtötende Unart aus dem Klangbild entfernt. Der Ruhestrom wurde nach Werksangaben eingestellt und sowohl bei mir, als auch bei dem österreichischen Kunden lief der Obelisk ab da absolut störungsfrei. Er ist als geheilt und revidiert entlassen, muss aber noch eingespielt werden.

Mit der ergänzten Sicherung ist das Gerät jetzt wirklich Betriebs-sicher, ein erneuter Schaden der oben beschriebenen Art ist ausgeschlossen, zumindest, solange die Sicherung mit unverändertem Wert montiert bleibt.

Anmerkung Sommer 2016

Die Ruhestrom-Einstellung des Obelisken erwies sich bei später bearbeitetem Obelisk 3 mit X-Pack als durchaus heikel, inzwischen weiß ich auch, dass je nach verwendeten Leistungs-Transistoren, Isolierscheiben und Emitter-Widerständen die Ruhestrom-Einstellung umzurechnen, eventuell auch zu erproben und anzupassen ist. Was in dem einen im Netz zugänglichen Schaltplan steht, ist also mit äußerster Vorsicht zu genießen, wenn nicht gar als falsch zu bezeichnen, der Wert ist für den Durchschnitts-Obelisken zu hoch. Was man mit Sicherheit behaupten kann: bei ca. 10mA pro Kanal bleibt alles immer thermisch stabil. Zwischen ca. 12mA und 20mA allerdings findet sich stets ein Punkt, bei dem das Gerät thermisch "kippen" kann. Lässt man es an einem Lastwiderstand heiß laufen und der Ruhestrom ist oberhalb dieser Grenze eingestellt, neigt er dazu sich mit der Erwärmung schlagartig aufzuschaukeln, die lokale Erwärmung steigert dann den Ruhestrom, dieser wiederum die Erwärmung - bis zu Zusammenbruch durch Überhitzung. Man sieht das, indem man eben die Stufe unter Beobachtung der Spannung an den Emitterwiderständen durch kurzes Aufdrehen unter Last "anheizt" und dann beobachtet, ob der durch Erwärmung erhöhte Ruhestrom bei Entlastung stets sofort wieder fällt. Tut er das nicht, besteht äußerste Ausfall-Gefahr, sofort abschalten und erst mit einer niedrigeren Einstellung wieder anfahren. Empirisch haben sich für das getestete Exemplar ca. 13mA optimaler, sicherer Ruhestrom ergeben. Mein Obelisk1-Eigengerät habe ich darauf hin nochmals demselben Test unterzogen - mit dem Ergebnis, dass der Ruhestrom dort bereits optimal lag.

Probelauf beim Kunden

Es kam natürlich genau wie erwartet: die direkt gekoppelten Verstärker machten bei dem Test die bessere Figur. Kein Wunder, wenn man viel Luft bewegen muss, klingt das bei dem Obelisken zu angestrengt.

Entweder, man kombiniert an diesem Zwerg einen großen 8Ω-(Stand-)Lautsprecher mit gutem Wirkungsgrad, oder man beschallt mit kleinen 8Ω-Boxen einen sehr kleinen Raum - in beiden Fällen merkt man von dem Koppel-Elko nichts, spielt das Gerät seine vielen anderen Stärken ohne Abstriche aus. Ein mittelgroßer Lautsprecher, gar noch 4 Ohm (da geht dann nach unten eine Oktave weniger), wenig Wirkungsgrad und ein ganzes Dachgeschoss - da kann der Kleine einfach nichts ausrichten, jedenfalls nicht gegen einen bestens hergerichteten OA20 (den Cyrus hat der Kunde aus Nostalgie übrigens gleich mit behalten).

Den ION habe ich also noch, und Sie haben gerade gelesen, wie man ihn am besten kombioniert. Würde man ihn so einsetzen wie ich es vorschlage (und ich habe z.B. mit meinen Bluesline BEAT einen Lautsprecher, der genau zu diesem Gerät passt), dann fällt der Vergleich u.U. ganz anders aus - ich habe hier den Obelisk an sich schon fast als Vergleichs-Sieger gesehen, jedenfalls war er nicht schlechter als der OA20, nur anders - und an diesen Lautsprechern sogar deutlich angenehmer als der Cyrus

von links nach rechts:
neue Netzteil-Lade-Elkos, die neue Absicherung der Endstufen, etwas bescheiden hinter Kabeln der hellblaue 25x gekapselte Bourns-Spindeltrimmer für den Ruhestrom

Wie er klingt

der Obelisk 1 hat zwar kein austauschbares Phono-Board, doch die Schaltung entspricht der seiner Nachfolger. Trotz noch kleinen Gehäuses ist das Netzteil und die daraus gewonnene Maximalleistung durchaus mit dem Obelisk 2 zu vergleichen. Mit der Nachrüstung in Schaltungsdetails (siehe oben) finde ich die beiden Varianten sogar noch ähnlicher. Die Offenheit und Spielfreude, das geringe Maß an Verdeckungseffekten weisen auf eine durchaus ausgereifte Schaltung mit genau bemessenem Gegenkopplungsfaktor, der Koppelkondensator schützt wirkunsgvoll sowohl den Verstärker vor Überlastung im Leistungs-zehrenden Tiefbass-Bereich, als auch den Lautsprecher in jedem Betriebs- oder Defektfall vor Gleichspannung, an meinen "BEAT" (die unten herum etwas effektvoll dick auftragen, weil sie gerade für solche Geräte abgestimmt sind) läuft der Obelisk in Sachen Raum-Proportionen, Timing und perkussiver Lebendigkeit sogar zur Höchstform auf.

Also wenn Sie einen kleinen Raum mit einer kleinen Anlage im besten Sinne "british" beschallen wollen oder einen Lautsprecher ähnlich meiner "BEAT" besitzen, kommen Sie mit diesem neu aufgebauten Liliputaner klanglich in eine Region, in der Sie nichts anderes suchen - außer neuen Platten.
Wichtig ist aber gerade an so einem Einfachst-Verstärker: Investieren Sie in eine hervorragende Quelle, der lässt von einem guten Signal gaaanz viel durch.