Vollverstärker

Inzahlungnahme. Das Gerät ist komplett nachgelötet, die Trimmer für Ruhestrom, DC-Offset und Vorstufen-Arbeitspunkt sind mit Bourns-Spindel-Potentiometern ersetzt und exakt nach Service-Manual neu abgeglichen. Die häufigste Störung bei diesem Gerät sind nämlich lockere Lötstellen, besonders im Endstufen-Block - auf allen drei Platinen, da war auch bei diesem Exemplar sehr viel locker.  Da von Hand sorgfältig nachgearbeitete Verbindungen dauerhafter sind, als die ursprüngliche Tauch-Lötung, ist hier in den nächsten Jahren nicht mit Problemen zu rechnen. Außerdem sind auf den Endstufenplatinen und der Treiberplatine sämtliche Elkos erneuert.

Natürlich ist die komplette Demontage eine aufwändige Arbeit. Das Gerät kann ich nicht verschenken, dafür hat der Käufer aber auch wenig Ärger zu erwarten - abgesehen mal von statistischen Unwägbarkeiten.
An der Rückseite ist die Abdeckung für den Impedanz-Umschalter verloren gegangen, dafür habe ich leider keinen Ersatz, bitte nicht mitten im Betrieb umschalten - Lautsprecher aus, Gerät aus, erst dann betätigen. Des weiteren war der Einsatz des Sicherungshalters zerbröselt (so dass kein Schraubenzieher mehr griff), der Einsatz ist gekürzt und mit einem eingesägten Schlitz für den Schraubenzieher versehen, dadurch ist der Einsatz jetzt ein wenig versenkt. Sieht halt leicht verändert aus, ändert aber nichts an der Funktion oder Sicherheit.

Konstruktion

Kein Ausgangsrelais sondern ein in mehreren Kontaktebenen parallel genutzter Drehschalter, eine super MM/MC Phonostufe, nichts übertrieben, aber alles super solide ist diese Geräteklasse unter den Industrie-Geräten ein ganz großer Wurf gewesen. Ein paar Kleinigkeiten sind auch recht verschleißarm gelöst, die Quell-Umschaltung z.B. erfolgt elektronisch in einem IC - das tut der Qualität aber keinen Abbruch, da wo bei anderen Geräten der Verschleiß der Schalter beginnt, hat diese Konstruktion dann sogar deutlich die Nase vorn.
Durch Umschaltung des Netzteils (bitte nur bei ausgeschaltetem Gerät!) zwischen 4- und 8-Ohm-Modus kann man je nach Lautsprecher und Vorlieben eine höhere Spitzenleistung oder eine bessere Strom-Lieferfähigkeit auswählen, im 8-Ohm-Modus hat das Gerät eine höhere Betriebsspannung und auch einen höheren Ruhestrom/Verbrauch/Spitzenleistung, ist wärmer und cleaner. In der 4-Ohm-Stellung etwas sparsamer und rotziger, mehr Stromreserve an geringeren Impedanzen.
Man hat auch zusätzlich die Wahl, das Gerät an der Rückseite zwischen 220 und 240V Netzspannung umzustellen (bitte in Deutschland NIE 110  oder 120V wählen, nach dem Einschalten wäre das Gerät Schrott!!!). Damit erhält man 4 verschiedene mögliche Übersetzungen/Betriebsspannungen, bei der höchsten (220V/8Ohm) fließt auch der höchste Ruhestrom, man hat den saubersten und im wahrsten Sinne des Wortes "wärmsten" Klang. Bei der niedrigsten (240V/4Ohm) ist die Ruheleistung und damit Stromverbrauch und Wärmeentwicklung deutlich reduziert - natürlich auf Kosten des Klirrfaktors, aber zugunsten der Strom-Lieferfähigkeit.

Klang

Die Typen 6800, 6900 und 6950R sind wohl so ziemlich die besten Verstärker, die Harman je gebaut hat. Unter den großindustriell gefertigten Geräten mit gutem Preis-Leistungs-erhältnis, z.B. Rotel, NAD und eben Harman nehmen für mich diese Modelle (vielleicht auch noch die Reihen HK6500, HK6600 und später HK680) eine hervorragende Sonderstellung ein. Am inneren oder äußeren Aussehen kann man das nicht festmachen, aber klanglich sind die Geräte einfach klasse. Spielen richtig sauber und kräftig, schöne Stimmwiedergabe und eine bereits beeindruckende Räumlichkeit für's Geld, dabei kaum kaputt zu kriegen.
Und ganz ehrlich: dieser Vollverstärker nimmt es auch mit den Harman Vor-End-Kombis auf. Anzumerken ist, dass die Harman CD-Spieler (z.B. HD75xx-76xx-77xx) total auf diese Verstärker zugeschnitten sind - und umgekehrt, miteinander machen solche Gespanne stets eine  noch bessere Figur als einzeln.
Und mit den durchzugskräftigen ca. 120W pro Kanal ist der Normal-Hörer mehr als reichlich bedient, zumal der Verstärker nicht besonders Boxen-kritsch ist. Er ist rauscharm genug für Hörner, stromstark genug für Flächenstrahler und dämpft einfache Konstruktionen fast schon ein wenig stark. An bassstarken deutschen oder amerikanischen Standlautsprechern ein excellenter Allround-Spielpartner, in dieser Preisklasse nur von britischen Vollverstärkern zu toppen - allerdings weit flexibler was die angeschlossenen Lautsprecher angeht.