Vollverstärker

Mission Cyrus II Revision im Kundenauftrag

Verstärker verkauft von Gebraucht-Händler als "Werkstatt-geprüft"

Verstärker:

  • Gerät komplett revidiert, technisch nach Reparatur Überarbeitung TOP
  • alle kleinen 85°C Elektrolytkondensatoren gegen Panasonic FM 105°C bzw. die Elna-Bipolar-Typen komplett gegen bipolare Nichicon Muse (85°C), bipolare Roederstein Elkos gegen neue bipolare Panasonic (85°C) Elkos erneuert
  • Umschalter ausgebaut, zerlegt, gereinigt, versiegelt und wieder eingebaut.
  • Balance-Regler auf einer Achse mit gerastetem Lautstärkeregler
  • drei Line-Eingänge
  • eine Tape-Schleife mit Tape-Record-Umschalter
  • Gehäuse mit wenig Gebrauchsspuren, Macken an den Kanten, keine großen Kratzer

Das muss ich mal los werden...

Die Beschreibung einer Revision im Kunden-Auftrag? Hier, zwischen den ganzen gebrauchten Gebraucht-Geräte-Artikeln?
Ja, denn hier ist weniger das Gerät, sondern ein unglaublicher Hergang beschrieben. Als Beispiel dafür, wie ausgeliefert der technisch unwissende Kunde unwilligen Verkäufern sein kann und wie unfair "reinrassige Verkäufer" mit "juristischem Backup" mit einem verfahren können. Und so wie in diesem Beispiel sollte ein vertrauenswürdiger Anbieter nie verfahren - jedenfalls nicht entgegen allen Tatsachen durchgehend und konsequent. Wo doch, wäre es schön, wenn dem Händler mal etwas mehr Widerstand und langer Atem entgegen stünde, als die meisten Kunden ihm allein schon aus Zeitgründen tatsächlich entgegen setzen können...

...was war geschehen?

Ein Kunde aus Berlin hatte bei mir seinen Cyrus1 zur Revision beauftragt. Und da er die guten Eigenschaften der Cyrus-Erstlinge bereits an dem unbearbeiteten Gerät schätzen gelernt hatte, hat er (ohne Rücksprache mit mir, doch ich hätte zu diesem Zeitpunkt auch keinen da gehabt) einen Cyrus2 mit PSX bei einem großen Gebraucht-Hifi-Händler erworben.

Da er ja auch bereits wusste, wie sehr der Verschleiß-Zustand bei über 20-jährigen Geräten eine Rolle spielt, hatte er im Vorfeld angefragt und erfahren, dass das Gerät "Werkstatt-geprüft" und in absolut einwandfreiem Zustand sei. Darauf hat er bestellt und das äußerlich hübsche Gespann gut verpackt in speziellen Kartons des Verkäufers erhalten. Der Preis lag auf dem Niveau eines bei mir revidierten baugleichen Gespanns im Bereich von 500€.

So weit so gut, wäre ja alles reell - dachte er.
Denn von Anfang an setzte das Gerät aus. Signal-Unterbrechungen, aber kein dauerhafter Total-Ausfall - nun, denkt er sich, Gewährleistung/Garantie, da schickt man das Gerät ein. Und damit fing der Ärger erst mal an.
Er hatte nämlich den Karton von der Zulieferung nicht aufgehoben und schickte das Gerät in eigener Verpackung mit einem Versandaufkleber des Händlers zurück - der nun wegen Übergewicht Nachporto zahlen musste.
Das Gerät kam in die Werkstatt und dann mit einer Berechnung des Portos per Nachnahme zurück. Der Kunde hat das nicht eingesehen, hat recherchiert, dass er dazu nicht verpflichtet sei und hat sich das Porto (zurecht) zurück geben lassen. Damit war nun der Händler sauer auf ihn.

Und weil es gar nicht anders sein konnte (warum erkläre ich noch weiter unten), setzte das Gerät weiter aus. Der Kunde sagte sich, dass er ja vielleicht selbst was verkehrt machen könnte, oder vielleicht einen Fehler in der Cinch-Verkablung hätte und probierte also andere Quellen und Kabel aus. Die Lautsprecher-Anschlüsse blieben dabei angesteckt und unberührt - und bei Anschluss der Soundkarte des PCs an einen Line-Eingang verabschiedete sich der Verstärker plötzlich endgültig.
Ungläubig untersuchte der Kunde das Gerät erst mal selber, ein Blick unter den Deckel zeigte defekte Sicherungen im Verstärker (!?).

dieses Foto ist bei der ersten Sichtung entstanden.

Da hat er erst mal recherchiert und zwangsläufig heraus gefunden, dass im Verstärker bei PSX-Betrieb gar keine Sicherungen bestückt sein dürfen.
Darauf ein Anruf beim Verkäufer. Der reagierte auf die "Anschuldigung" gereizt. Das mit den Sicherungen erklärte er für normal und beliebig, den Totalausfall dagegen schob er umgehend dem Kunden in die Schuhe - der habe bei eingeschaltetem Gerät mit Sicherheit einen Kurzschluss verursacht, das Gerät habe keine Kurzschluss-Sicherung/Strombegrenzung und da sich das mit Sicherheit bei der Reparatur herausstellen würde, müsse er mit einer kostenpflichtigen Bearbeitung rechnen.

In dieser Situation wandte sich der Kunde an mich und kam ein paar Tage später aus Berlin zu mir gefahren um mir den Cyrus1 zur Revision zu bringen. Das Problem-Gerät hatte er zur Begutachtung dabei.
Und da kamen schon bei der ersten vorsichtigen Sichtung einige Details zum Vorschein, die bei einer angemessenen Bearbeitung anders hätten aussehen müssen. Ich habe, um den Beweis-Wert des Geräts nicht zu vernichten, zunächst mal nur den Deckel abgenommen und ansonsten keinerlei Verbindungen gelöst.

Erster Eindruck: von der Bestückung her alles im 25-jährigen Originalzustand, z.B. rissige Fußpunkt-Elkos.

rissige Rödersteine unter dem Flachbandkabel

Die Sicherungen waren (siehe oberstes Bild) tatsächlich bestückt und durch gebrannt.
Was sofort ins Auge und in die Nase stach: die Signalschalter standen in einer Pfütze aus Ballistol, der Blick ins offene, hintere Ende zeigte allerdings auch sofort den nicht beseitigten Grund der ursprünglichen Reklamation: die Kontaktflächen waren tief-braun korrodiert, jetzt etwas mit Öl beschmiert, doch das hilft in diesem Zustand genau gar nichts, zumindest nicht für längere Zeit.

alles geölt...

...aber nichts geputzt

Zu sehen war auch, dass die Platine heraus gehoben worden war, die Befestigungen der Endtransistoren waren vor kurzem geöffnet worden, die Transistoren auf der Isolier-Folie etwas verschoben. Auffällig war noch, dass die Kühlkörper der Phono-Spannungsregler vertauscht montiert waren, wodurch der Bereich vermehrt Kurzschluss-gefährdet ist.

steckt man die Kühlkörper so auf, kann es bei einem Zusammenstoß einen Kurzschuss geben

Damit stand erst mal folgendes fest:
An dem Gerät war vor dem Verkauf exakt GAR NICHTS gemacht worden, außer vielleicht einem kurzen Funktionstest. Solche Geräte sind im Gespann immer und überall von Privat aufzutreiben und dürfen angesichts der IMMER fälligen Überarbeitung zusammen nicht wesentlich mehr als 300€ kosten. Mehr war das Gespann zum Zeitpunkt des Verkaufs also nicht wert, der Händler hatte es mit großer Wahrscheinlichkeit noch wesentlich günstiger angekauft und dann zum Verkauf einfach meinen Preis aufgerufen (den ich dagegen nur für komplett revidierte Geräte nehme!) - und das ohne den geringsten Aufwand damit zu treiben. Diese Masche ist verbreitet - da wird mit dem Risiko einer möglichen Reklamation spekuliert - in vielen Fällen übersteht das Gerät ja die Gewährleistungs/Garantie-Frist mal gerade so. Und wenn es schief geht, kann man in vielen Fällen - wie hier - berechtige Ansprüche immer noch abwehren.
Dem Kunden konnte ich in diesem Augenblick folgende Tatsachen mitteilen:

  • der Ursprungsfehler war der Signalschalter, dieses Problem war mit ungeeigneten Spar-Methoden nicht beseitigt worden, es waren nur vermutlich die Buchsen nachgelötet, ganz sicher aber das Gerät verölt und die Aufsteck-Kühlkörper verdreht worden, die Schalter waren noch immer korrodiert.
  • die Sicherungen im Gerät waren fehl am Platze - für einen sicheren Betrieb mit dem mit verkauften PSX so nicht zulässig und gegen die Vorschriften des Service-Manuals auch nach der Reklamationsbearbeitung immer noch montiert.
  • das Gerät besitzt im Gegensatz zur Aussage des Verkäufers sehr wohl eine Überstrom-Sicherung (bei allen Cyrus 1 und 2 mit Metall-Gehäuse!), klar im Schaltplan zu erkennen - eine Tyristor-Schaltung, die bei zu hohem Ausgangsstrom so lange den Eingang abschaltet, bis das Gerät eine Weile komplett abgeschaltet wird.
  • die eine Endstufe war definitiv defekt, einen Zusammenhang mit seinen Cinch-Kabel-Umsteck-Aktionen war aber vorläufig nicht erkennbar (dazu später mehr) und musste vorerst als Zufall betrachtet werden (z.B. durch einen aussetzenden Treiber-Transistor)

Der Kunde hat nun mit dem neuen Wissen direkt den Verkäufer angerufen, in meinem Beisein die Tatsachen geschildert und ihm meinen Vorschlag mitgeteilt, das Gerät auf seine Kosten für ca. 200€ komplett zu revidieren, dabei die Endstufe "im Vorbeigehen" zu reparieren und die Gewährleistung/Garantie dabei komplett auf mich zu übertragen.

...ein durchaus vernünftiger Vorschlag, denn da hätte er allen Ärger los gehabt, im Grunde keinen Verlust gemacht und wäre kein Risiko eingegangen, ggf. vor Gericht anhand meines Gutachtens haushoch zu verlieren...

Der Verkäufer hat einfach aufgelegt.

An diesem Punkt fuhr der Kunde erst mal nach Hause und ließ mir die Geräte da, der Cyrus 2 wartete auf Entscheidungen, der Cyrus 1 wurde fit gemacht. Im Hintergrund sammelten sowohl der Kunde, als auch ich Informationen. Man ermittelte vor allem in Foren-Beiträgen, doch auch über Bekannte, dass der Händler ähnliche Fälle bereits öfters in die Länge gezogen, sich oft sehr unschön aus der Affäre gezogen hatte, vermutlich mit Hilfe juristischer Unterstützung aus dem engsten Familienkreis. Bei einer Garantie/Gewährleistungs-Einsendung war nicht nur - unabhängig von den Tatsachen - mit keiner kostenlosen Bearbeitung zu rechnen, sondern auch mit einer Rücksendung per Nachnahme, so dass man gezwungen wäre, die Rechnung zumindest vorerst zu begleichen. Diesen Ablauf konnte man in mehreren Forenbeiträgen zu selbigem Verkäufer nachlesen. Auch die Konsequenz der Annahme-Verweigerung bei Nachnahme: da hatte der Verkäufer dann Lagergebühr erhoben, bis der Wert des Geräts aufgebraucht war. Eigene Erkundigungen brachten auch zu Tage, dass man in einem Zivil-Verfahren zwar beste Chancen hatte, nach Ablauf von ca. 2 Jahren zu obsiegen - wobei das ganze für den Verkäufer extrem teuer würde. Doch bei Beschreiten dieses Wegs würde das Gerät als Haupt-Beweis-Stück bis zu einem rechtskräftigen Urteil unverändert defekt bleiben müssen, also auch nicht nutzbar sein. Zudem wäre das Ergebnis dann nur ein Titel, man hätte am Schluss weder Geld noch einen intakten Verstärker.
Hätte man das Gerät jetzt noch mal eingeschickt, hätte man es vor Prozess-Ende nicht mehr kostenfrei und schon gar nicht in wirklich gutem Zustand zurück erhalten, davon war auszugehen. Weiterhin konnte man annehmen, dass es ohnehin unklug gewesen wäre, das Gerät als einziges Beweismittel aus der Hand zu geben. Man hätte es also behalten und einen Anwalt einschalten müssen, da der unqualifizierten Werkstatt des Verkäufers anhand der gelieferten "Arbeitsprobe" keine Verbesserung des Zustands zuzutrauen war und ein weiterer Nachbesserungsversuch des Verkäufers daher nicht zumutbar - man hätte also im Prinzip die Kosten einer qualifizierten Nachbesserung als Minderung einklagen müssen - und das musste alles abgeschlossen und rechtskräftig sein, noch bevor man das Gerät überhaupt hätte anfassen können. Wahlweise hätte man auf komplette Rücknahme zum vollen Verkaufspreis abstellen können.

Weil er aber in absehbarer Zeit ein Ergebnis haben wollte, ist der Kunde hier "eingeknickt" - denn er wollte mit dem Gerät hören und kein weiteres zur Überbrückung kaufen müssen, um endlich einen Cyrus 2 in gutem Zustand zeitnah zu nutzen. Wie gut der revidierte Cyrus 1 spielte, wusste er mittlerweile, der stand inzwischen fix und fertig generalüberholt bei ihm in Berlin, ein guter Vorher-Nachher-Vergleich.
Er beauftragte schlicht bei mir die Fixpreis-Revision.

Bei der Revision zeigte sich der wahre Grund des Defekts

Mit dem weitern Zerlegen wurden dann auch noch weitere Details der Vorarbeiten sichtbar. Wie vermutet war die Platine bei der "Nacharbeit" heraus gehoben worden. Man hatte tatsächlich die häufig lockeren Cinch-Buchsen nachgelötet. Das war neben der Verölung alles, was bei der Reklamationsbearbeitung vorgenommen wurde, das wirklich Notwendige (Ausbau der Sicherungen, Ausbau und Reinigung der Bedien-Elemente) hatte man sich, wie bereits ermittelt, auch beim zweiten Werkstatt-Besuch geschenkt.

Eine Endstufe war defekt und wurde repariert, die kleinen Elkos wurden erneuert, das ganze Programm eben.

oben: der Quellwahlschalter im "Werkstatt-geprüften" und "Werkstatt-verölten" Zustand
unten: nach angemessener Reinigung noch vor dem Entfernen der Reinigungs-Rückstände im Ultraschallbad

Merkwürdiger Weise brannte bei der Endmontage und ersten Inbetriebnahme der neue, vorher schon unerklärlich unterbrochene Verbindungs-Widerstand zwischen Schaltungs- und Gehäuse-Masse durch, ansonsten war vordergründig alles o.k.
Und bei der Suche nach der Ursache zeigte sich dann endlich der wahre Grund für den Komplett-Ausfall per durch gebrannter Endstufe:
zwischen dem (Ausgangs-Signal führenden) Kollektor-Anschluss des einen Endtransistors und dem Gehäuse herrschte Verbindung. Ein Kurzschluss an ungewohnter Stelle.

Und jetzt genau betrachtet wurde auch klar, was eigentlich geschehen war:
Der Bearbeiter hatte, um die Platine ausbauen zu können, die nach 25Jahren normalerweise sehr fest an der Isolierfolie klebenden End-Transistoren nicht etwa (wie ich das immer mache) mit der Zange gegriffen und mit einer kleinen Seitwärts-Bewegung gelöst. Nein, man hatte einfach mit dem Schraubendreher hinter den blanken Kollektor "ins Weiche" gehebelt und damit die Isolierschicht durchstoßen. So perforiert war das Ganze am Schuss wieder zusammen gebaut worden, ein Lautsprecher-Ausgang hatte mit dem Festschrauben des entsprechenden Transistors dann durch das Loch Kontakt mit dem Gehäuse.

Das Loch hätte man auch früher bemerken können - zumindest wenn man sich so was Unqualifiziertes überhaupt vorstellen kann und nach solch irren, eingebauten Fehlern sucht

In so einem Zustand funktioniert der Verstärker nach dem Einschalten nur deshalb noch, weil sofort der Verbindungs-Widerstand zwischen geerdetem Gehäuse und Schaltungsmasse in Rauch aufgeht und damit unterbricht. Denn das Gehäuse führt ja das Lautsprecher-Plus-Signal der einen Endstufe. Das Ganze geht auch noch genau so lange halbwegs normal weiter (abgesehen von einem Brummen bei Phono-Betrieb), bis man an den Cinch-Buchsen ein Gerät anschließt, das eine weitere, neue Verbindung zur Erdung herstellt, z.B. einen Tuner mit angestecktem, geerdetem Antennenkabel oder...
...einen PC.
Denn mit der zweiten Erdung arbeitet die Endstufe über die defekte Isolierung dann auf einen satten Kurzschluss, den sie nicht mehr (wie den Koppel-Widerstand) weg brennen kann. Die oben genannte Kurzschluss-Sicherung ist in diesem speziellen Fall übrigens wirkungslos, da der Kurzschluss-Strom direkt vom Kollektor des-Leistungs-Transistors zum Gehäuse fließt - der zur Strom-Messung der Sicherheits-Schaltung verwendete Widerstand wird an dieser Stelle umgangen. Diese Sicherung wirkt eben nur bei Kurzschlüssen an der Lautsprecher-Buchse...
Das Ende der Endstufe hatte also bereits der unqualifizierte Bearbeiter der Reklamation besiegelt, die ursprüngliche Aussetzer hatte man zwar im total verölten Gerät gelassen, doch
ein viel schlimmeres Problem war zusätzlich eingebaut worden.
Und das Ganze wurde dann noch per Nachnahme verschickt.

Unglaublich.