Vollverstärker

Musical Fidelity Caruso

Revision:

  • Erneuerung aller Elektrolytkondenstoren und verdächtiger Styroflex-Kondensatoren,
  • Erneuerung zu klein ausgelegter Widerstände
  • Nacharbeiten der Lötstellen
  • Reinigung/Versiegelung Bedienelemente
  • Neue Trimmer, Abgleich

Eigenschaften:

  • Gehäuse: pulverbeschichtete, bedruckte Front
  • Phono MM/MC umschaltbar
  • 3 Line Eingänge
  • 2 Tape Schleifen
  • Kopfhörerausgang

Das Gerät

Wie im Hause Musical Fidelity Brauch, hat man Geräte für den Kontinent mit Namen versehen, die bei gleicher oder ähnlicher Konstruktion die heimischen "Buchstabensuppen"-Bezeichnungen ersetzt haben. Der Caruso ist in diesem Schema der Festlands-B1.
Beim B1 habe ich über die Konstruktion ja schon geschrieben - ich möchte das hier nur noch mal kurz zusammenfassen unter dem Term: "und er funktioniert doch. Sogar gut!".
Charakterlich merkt man die Handschrift des Konstrukteurs deutlich, es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen A- und B-Serie, an sich tritt der Caruso (respektive B1) deutlich den Beweis an, dass die Arbeitspunkt-Wahl nur ein Parameter unter vielen ist und keineswegs direkt auf die Klangqualität des Geräts schließen lässt, dass Konstruktiondetails für sich betrachtet sogar weit in die Irre führen können, wenn man deren Zusammenwirken nicht brücksichtigt. Unter diesem Gesichtpunkt muß man wirklich vom Ergebnis ausgehen, da hilft nur rein hören, ausprobieren. Und es zeigt sich hier wieder, dass in der Entstehungszeit in Großbritannien länger und gründlicher und vor allem empirisch entwickelt wurde. Man hat gebastelt, getestet, gehört und wieder gebastelt - und genau darum ist auch dieses Gerät so - der erste Blick hinein erklärt das nicht (siehe unten unter "Tech Talk"). Und so fit gemacht wie hier und dann richig kombiniert, klingt der Caruso auch nach über 20 Jahren noch konkurrenzlos gut. Sie werden kaum Neuware finden, die ihm zum Preis dieses Angebots mit ähnlich langer Garantie und vor allem tatsächlicher Haltbarkeit auch nur annähernd das klagliche Wasser reicht...

Durchgeführte Arbeiten

Der Caruso war nahezu spielbereit, als er mich erreichte, die Endstufen waren sämtlich in Ordnung, die Ansteuerung wies die üblichen lockeren Lötstellen im Bereich der kräftigeren Widerstände auf.

Die Innen-Übersicht

Zunächst wurde das Board komplett ausgebaut, Schalter und Poti abgelötet, alles (Ultraschall-)gereinigt und versiegelt.
Die Widerstände, unter der man im Bild die Platine etwas gebräunt sieht, wurden durchwegs von Kohleschicht-Typen auf je doppelt so große und belastbarere MOX-Typen geändert, die Platine darunter nachgelötet und wo nötig die Leiterbahnen mit Draht-Auflagen stabilisiert. Alle Elektrolyt-Kondensatoren wurden dann zu hochwertigen Panasonic-Typen der Reihen TS-HA (Netzteil) und, je nach benötigter Spannung FC oder FM.
Die Seitenteile waren (wie immer) in den Verschraubungen gebrochen, das habe ich mit Kunstharz (Flüssig-Metall) repariert, hält jetzt vermutlich besser als bei jedem anderen B-Gerät. Ich vermute allgemein, dass er nach der Überarbeitung mehr vor, als hinter sich hat ;-)

Unter dem Caruso-Aufkleber steht vermutlich noch B1... Board Revision 2 kann man lesen, die 2er-Varianten hatten stets kanalgetrennte Siebelkos, typisch für die späteren Varianten auch die Werks-nachgerüsteten Folien-Kondensatoren in der Phono-Versorgung.

Die Endstufen hatten im Eingangszustand eine Vor-Reparatur, die mir gar nicht gefiel, da im Werk doch aus gutem Grund auf nicht zu große Exemplarstreuung Wert gelegt wurde und die teils eingesetzten Ersatz-Transistoren nun so gar nicht mit dem Rest konform gingen.
Ich messe i.d.R. alle meine TO3-Leistungstransistoren auf Verstärkung aus und baue bei allen Reparaturen/Revisionen entsprechend zusammen passende Exemplare ein. Hier musste ich erst mal wieder eine größere Menge nachbestellen, um in engen Grenzen bestücken zu können. Wie unten noch erläutert wird, schwanken Stromverteilung und Ruhestrom durchaus noch - aber für einen Caruso jetzt wieder im absolut kleinsten erreichbaren Bereich.
Verwendet wurden in diesem Fall nicht die ursprünglichen MF-2N3055/MJ2955-Derivate, sondern ebenfalls von ON-Semi eine der belastbareren Varianten des gleichen Typs, MJ15015/MJ15016 (laut Datenblatt sind nahezu alle Werte gleich, bis auf die fast verdoppelte Gesamt-Belastbarkeit), in diesem Fall mit unter 10% Toleranz aller Verstärkungsfaktoren pro Halbwelle, pro Pärchen sogar in meiner Meßanordnung sogar nur 1% - nützt nichts, anderer Grundstrom, geringfügig andere Temperatur, schon rutscht diese Schaltung thermisch schon wieder aus dem totalen Gleichgewicht - egal, er klingt trotzdem gut...

oben: in der Vergrößerung zu sehen: blaue Spindeltrimmer und MOX-Widerstände

unten: das Endstufen-Netzteil mit den neuen 105°C-Panasonic-Elkos

Tech-Talk

...nun, vielleicht doch noch eine Erklärung, für die, die meine B1-Seite nicht gefunden haben: die Schaltung arbeitet komplett symmetrisch in zwei spiegelverkehrten Schaltungshälften, die nach dem Eingang erst in der eigentlichen Endstufe wieder verkoppelt sind. Die Ruhestrom- und Offset-Einstellung ist ein wahrer Techniker-Schreck, die Stromverteilung und Ruhestrom-Stabilität in der Endstufe ...ich sage mal "gewöhnungsbedürftig". So schwankt der Ruhestrom mit der Zeit zwischen dem halben und dem doppelten des eingestellten Werts, die Endtransistoren kann man (so wie ich hier) nach Stromverstärkung selektieren, wie immer man will, man bekommt keine gleich warmen Finger-Kühlkörper, im Leerlauf herrscht hier höchstens annähernd gleiche Temperatur. Die Einzelkühlung der Leistungs-Transistoren ist - mit Verlaub - ein Gimmick, Unfug für die Optik, um keine böseren Wörter zu benutzen.
Das scheibe ich mit etwas Grimm, weil der Abgleich dadurch extrem zeitaufwändig wird, um das Gerät in die Dauernutzung zu entlassen, ist man da schon mal ein oder zwei Stunden mit beschäftigt (nicht durchgehend, sondern immer wieder kontrollierend und justierend). So, und damit haben wir, was ich an dem Gerät nicht so sehr mag.

Denn was ich da schreibe, kann dem Konstrukteur ja nicht entgangen sein, doch komischerweise schwankt das Gerät mit dem Ruhestrom nicht wahrnehmbar in der Klangqualität, auch ist mir nicht bekannt, dass diese Geräte massenweise wegen schlechter Kühlung unter Last sterben. Bisher war immer, wenn ich einen kaputten Vertreter dieser Gattung bekommen habe, der Grund nicht in diesem gewöhnungsbedürftigen Endstufen-Setup zu suchen, es waren immer ganz andere, ganz normale Ursachen für möglichen Ärger:

  • Korrosion von Umschalter und Poti
  • durch Wärmeausdehnung gelockerte Lötstellen an kleinen Leistungswiderständen im Versorgungs/VAS/Treiberbereich
  • Kurzschluß am Lautsprecherausgang durch den Benutzer
  • Feinschlüsse in Styroflex-Tropfen-Kondensatoren (wo überhaupt bestückt)

also nahezu alles durch ganz normalen Verschleiß oder Fehlbedienung wie bei jedem anderen Gerät, statistisch sogar unterdurchschnittlich selten. Und all dem lässt sich auch bestens entgegen wirken. Also ist der B1/Caruso entgegen jedem Techniker-Misstrauen eine durchaus zuverlässige Konstruktion, er wird halt nicht besonders warm - sein technischer Haupt-Vorteil gegenüber den A-Geräten, denn Hitze bedeutet Verschleiß (von der Stromrechnung mal abgesehen).

An den noch vorhandenen Gefahrenpunkten habe ich bei der Revision natürlich besonderen Wert auf Langzeitstabilität gelegt, alle warm werdenden Widerstände durch leistungsfähigere, mit größerer Oberfläche (= geringere Temperatur = geringerer Lötstellen-Verschleiß) ersetzt, zudem ist sorgfältige Handlötung der ursprünglichen Tauchlötung an diesen Stellen ohnehin um Welten in der Haltbarkeit überlegen.
Die offenen Ruhestrom/Offset-Einsteller wurden weiterhin durch weit teurere, gekapselte Mehrgang-Trimmer ersetzt, ebenfalls eine Maßnahme für erhöhte Haltbarkeit. Verdächtige (weil Feinschluß-anfällige) Japan-Tropfen-Styroflexkondensatoren mußte ich aus diesem Gerät übrigens nicht entfernen, eine Bauteil-spezifische Musical-Fidelity-Ausfall-Spezialität, die mit dem Grundkonzept ebenfalls rein gar nichts zu tun hat.
Jetzt habe ich zwar ungeschickter Weise Ausfallgründe aufgezählt (dabei biete ich das Gerät doch zum Verkauf...), doch dem Leser sollte nicht entgangen sein: da kommt diese Konstruktion im Vergleich mit ähnlich alten Geräten extrem gut weg.

Von der Gesamt-Erwärmung her ist das oben kritisierte Konzept seiner Finger-Kühlkörper übrigens in Ordnung, verglichen z.B. mit (in meinen Augen unsäglichen) Atoll-Verstärkern ist die Kühlung völlig ausreichend zum Netzteil und den sonstigen Belastungs-Parametern dimensioniert, unkritisch, da jeder Transistor immerhin um die 10 Watt los wird, bei einem Vollast-Sinus-Wirkungsgrad von gepeilten 70% könnte man also theoretisch ohne weiteres eine ganze Weile 100W pro Kanal entnehmen ohne den Hitzetod zu riskieren - und die gibt das Netzteil gar nicht her. Man hat also im Gegensatz zu dem o.g. Beispiel bei der B-Serie offensichtlich lange gerechnet und probiert, bevor man so in Serie ging.

Was ich mag an den Geräten:
die "hakelige" Endstufe klingt zwar für sich genommen nicht ganz so sauber, wie in den A-Geräten, aber da man hier von vornherein deren Störkomponente "Vorstufen-Fehlkonstruktion" (siehe auch bei Marc Hennessy) weg gelassen hat, würde ich einen "naturbelassenen" MF B-Verstärker sogar insgesamt als den mit dem vergleichsweise saubereren Klang einschätzen. Er teilt mit der "A-Klasse" ja zudem den Charakter des PP-Röhrenendstufen-ähnlichen, aus wenigen ungradzahligen Oberwellen bestehende Klirrspektrums. Er ist für seinen geringen Ruhestrom (mehr wäre auch thermisch nicht ausreichend stabil) sogar eine extrem Klirr-arme Konstruktion, erreicht das sogar ohne gewaltige Gegenkopplungsmaßnahmen und ist daher wie seine A-Geschwister bestens für die etwas feinfühligere Wiedergabe geeignet.

Ergebnis nach Überarbeitung

Von Gesichtspunkten her wie "Verdeckungseffekte, Lautsprecherführung, tonale Abstimmung, Verzerrungsarmut/Charakter" klingt er unglaublich nahe an den A-Geräten.
Anders ist das Dynamik-Verhalten, das anderen Briten (wie meinetwegen einem Creek 4040) weit ähnlicher als den A-Geräten.
Und so erhält man hier auch eine viel typischere UK-Konstruktion, als bei der A-Geschwister-Serie. Wo die A-Geräte die Betonung mehr auf Dinge wie auf Stimme, Kammermusik, Combo legen, zeigt der B1/Caruso eine deutliche Vorliebe für die Darstellung von Live-Geschehen. Da macht er große Bühne, egal ob da ein Orchester Beethoven spielt, oder Southern Rock vor 20.000 Zuschauern gegeben wird, sein etwas längerer Atem erlaubt ihm das auch, wenn der angeschlossene Lautsprecher nur einen mittleren Wirkunsgrad besitzt.