Vollverstärker

Arcam Delta 290

Revision:

  • Austausch aller Elektrolytkondensatoren,
  • neue Einstell-Trimmer
  • Bedienelemente Reinigung
  • Austausch des gesamten Quellwahlschalters gegen einen mit vergoldeten Signal-Schalt-Ebenen oder Austausch dieser Schalt-Ebenen alleine gegen harvergoldete Exemplare - Erneuerung oder Reinigung/Versiegelung der Steuer-Ebenen des Schalters.

Eigenschaften:

  • Gehäusefront aus glänzend hart eloxiertem, gebürstetem, Alu-Strangguß-Profil.
    Die Knöpfe sind gelegentlich ausgebleicht und haben den rötlichen Schimmer der Unterverkupferung angenommen.
  • Fernbedienung (System-fähig) für Lautstärke und Quellenwahl
  • 4 Line Eingänge
  • 2 Tape-Schleifen mit Record-Wahlschalter
  • Balance-Regler
  • Klangregelung
  • Mono-Schalter
  • Direct-Schalter
  • Kopfhörerausgang 
  • zwei einzeln per Relais schaltbare Lautsprecher-Gruppen
  • Einschaltverzögerung

Beschreibung

Ganz anders als die meisten Briten. Eine Hochleistungs-MOSFET-Endstufe in Quasi-Komplementär-Schaltung, wobei die positive Halbwelle für eine symmetrische Ansteuerung im Treiberbereich aufgestockt ist - diese Schaltung ist mir sonst nur von Profi-Bühnengeräten (ECLER) bekannt. Es wurde dabei jeder Aufwand betrieben, um die üblichen Vor- und Nachteile von solchen MOSFET-Konstruktionen zu trennen und sich davon das beste heraus zu picken. Zum Beispiel sind MOSFETs richtig eingesetzt durch Ihre NTC-Eigenschaft quasi "unkaputtbar" - solange man verhindert, dass die Gegenkopplungsschleife im Überlastungsfall immer mehr Gas gibt und also die Gate-Source-Spannung schlicht begrenzt, schützen diese Bauelemente sich selber gegen Überstrom, sie verhalten sich dann genau wie eine Röhre, die eine bestimmte maximale Emmission ja auch nicht übersteigen kann und erst dann wirklich an Überlastung stirbt, wenn der Glaskolben schmilzt. Das ist hier alles richtig gemacht und sogar noch zusätzlich mit einer weiteren Standard-Maximalstrom-Begrenzung abgesichert.
Weiter funktionieren MOSFETs im Transienten-Bereich nur dann optimal, wenn die Gate-Kapazität aus einer genügend mächtigen Treiberstufe angefahren wird, denn schnelle Spannungssprünge erfordern an dieser Stelle kurzzeitig sehr hohe Umladeströme. Hier auch korrekt gelöst... Sodann muß man MOSFETs für ein halbwegs sanftes Klangbild entweder einen hohen Class-A-Bereich gönnen, oder ihnen die Kennlinie eines bipolaren Treibers aufzwingen, damit die Übernahmeverzerrungen nicht die typisch unangenehme Färbung dieser Bauelemente annimmt - denn leider sind solche Teile am unteren Kennlinienknick nicht so sanft zum Signal, wie bipolare Transistoren - dafür ist die Kennlinie im weiteren Verlauf wiederum vorzuziehen. Auch das ist gelungen, und zwar mit einer Kombination der o.g. Maßnahmen, so dass das Gerät nicht allzu viel Strom verschwendet und eher kühl bleibt.
Und so sieht man hier eine völlig ungewöhnliche Ausgangskonfiguration, sehr aufwändig gemacht, die so ziemlich jeden halbwegs normalen Lautsprecher fest im Griff hat und beileibe keine deutlichen Hinweise auf ihr Schaltungskonzept gibt, wie es sich so unangenehm z.B. bei einigen Creeks (Classic 5350 SE) zeigt. Beim Arcam ist keine Spur von dessen gekünstelter, Plastik-artiger Darstellung (ich meine den Kunststoff, nicht die Kunst...), der Delta 290 geht alle tonalen und räumlichen Aufgabenstellungen in gewohnt britischer Manier an - und dem Hörer dabei nicht auf die Nerven.
Seine großen Vorteile hat er gegenüber den "Schuhkarton-Briten" allerdings vor allem auf Seiten seiner maximalen Kraftentfaltung und seines Bedienkonzepts. Er kann auch mit weniger Wirkungsgrad-starken Lautsprechern zusammen arbeiten und er lässt sich per Fernbedienung umschalten und in der Lautstärke regeln. Das ist für einen nicht mehr so jungen, wohlklingenden Briten eher ungewöhnlich. Wobei: "nicht mehr so jung"  stimmt auch nicht mehr ganz, denn er war ja bei mir im Jungbrunnen.

Das Gerät habe ich von einem Kunden in sehr gepflegtem Zustand bekommen, an sich war die Funktion von vornherein perfekt, keine aussetzenden Regler oder Schalter, ganz offensichtlich hat es Staub- und Rauch-frei gestanden und nie eine böse Behandlung erlebt.
Jetzt weiß ich allerdings von früheren Reparturen ein paar Schwachpunkte (auch meinem Schwager habe ich so einen Delta besorgt, weil er so ein schöner Kompromiss zwischen britischem Klang, mächtiger, universeller Leistung und moderner Bedienbarkeit ist).
Die Achillesverse am Gerät ist nämlich der Motor-betriebene Quellwahlschalter von Alps, an sich gute Qualität, aber leider mit gut belüfteten versilberten Kontaktebenen, die teilweise kaum oder gar nicht geölt/gefettet ausgeliefert wurden. Solange die Luft sauber ist, kein Problem, ist allerdings in Spuren z.B. Schwefel enthalten (Küchennähe - Zwiebelsuppe...), dann bildet sich hier ein brauner Silbersulfat-Belag. Im Gegensatz zu schwarzem Silber-Oxid leitet diese Schicht exterm schlecht und zudem nicht-linear, die Schalter neigen zu Deutsch stets zum Aussetzen und Verzerren.
Das ist vor Jahren der Firma Yamaha bei Ihrer AX-Serie und den dauernden, wiederholten Problemen mit dem fast baugleichen Quellwahlschalter zu viel geworden und man hat bei Alps eine Edel-Version bestellt - mit vergoldeten Signal-Kontaktebenen. Nun, die Erfahrung zeigt, dass kein Yamaha-Verstärker nach der Umrüstung auf den neuen Schalter je wieder Probleme gemacht hat, jedenfalls nicht bei der Quellwahl. Es sind auch noch ein paar Bestände dieser Schalter greifbar, man kann allerdings nicht davon ausgehen, dass es eine Neuaflage geben wird, wenn die vergriffen sind.
Konsequenz jedenfalls: dieser Arcam Delta 290 hat von mir einen Yamaha-Alps-Schalter transplantiert bekommen, besser gesagt: dessen Kontaktebenen, denn mechanisch unterscheiden die Schalter sich minimal. Leider gibt's das nicht umsonst, der Preis ist horrend, Sie können selber googeln, was der Schalter so kostet, die Yamaha-Bestellnummer ist "VT176900", wobei man aufpassen muß, tatsächlich auch einen vergoldeten zu bekommen.
Auf lange Sicht ist das aber eine sehr lohnende Investition in das Gerät, denn Gold korridiert eben überhaupt nicht, egal welche Umweltbedingungen einwirken. Die Kontakte haben also immer einen gleichmäß niedrigen, sehr linearen Kontaktwiderstand und werden das Gerät jetzt vermutlich störungsfrei überleben.

Durchgeführte Arbeiten

Im Grunde genau das, was ich immer mache:

  • Alle Elkos neu, einschließlich der bipolaren Koppel-Kondensatoren und der großen Becher im Netzteil
  • Eingansgwahlschalter umgebaut in Gold-Kontakt-Version

Nicht angefasst habe ich dagegen die beiden  rötlich goldglänzenden Knöpfe, ich bin mir nicht mal sicher, ob dieser Farbton hier nicht sogar Absicht war. Jedenfalls sieht man einen kupfernen Schimmer durch, die Knöpfe kann man leicht abziehen und einzeln matt schwarz lackieren (lassen), das verkneife ich mir aber, ich bin Elektroniker, kein Maler.

Ergebnis

Die neuen Netzteil-Elkos waren schon ein Satz vorwärts, hier sind 105°C Panasonic HA-Typen eingesetzt worden, ansonsten fast überall wieder Panasonic FM und FC-Typen. Als dann in der Nachlieferung noch die bipolaren Koppel-Elkos kamen (Panasonic BP) lief das Gerät bereits deutlich runder, als in der angeschlissenen Originalfassung - die eingesetzten Teile sind einfach alle von vornherein mit Abstand besser, auch besser als die Erstbestückung am ersten Tag. Wenn ich die paar Stunden Einspielen bisher revue passieren lasse, dann wird es mit dem fertigen Gesamtergebnis nach so etwa einem Halbjahr Benutzung sicher noch spannend, da wird der Delta 290 seine Urfassung meiner Meinung nach weit hinter sich lassen, so viel lockerer wie er jetzt schon antritt. Mit einem minimalen Hang zur Analytik ist er eher auf der breitbandig-griffigen Seite anzusiedeln, denn auf der farbig-molligen, lässt dabei die Muskeln seines üppig dimensionierten Rinkerntrafos gerne spielen und bewahrt auch bei hohen Pegeln die Übersicht. Eine gelunge 90er-Jahre UK-Konstruktion mit japanischen Einschlag, absolut solide und langlebiger denn je.