General-Überholung Musical Fidelity

A120/A200/Avalon - Revision

Die große Neufassung des A100(-X)

Beim A100(-X) habe ich bereits die mechanische Problematik des Gehäuses (Lüfter...) angedeutet, zusammen mit der Wärme-Entwicklung und der gegenüber dem A1 nicht wesentlich vergrößerten Kühlfläche auf Dauer wohl auch für Musical Fidelity ein schwer zu handhabendes Modell. So hat man mit der Serie der MK-II-Versionen (David, B1/Caruso bekamen alle veränderte Versionen, oft mit besserer Kanal-Trennung im Netzteil) auch den A200 als direkten  Nachfolger des A100 auf Reede gelegt. Das A200-Board war ursprünglich für einen Trafo, einen Gleichrichter, zwei gemeinsame Lade-Elkos für beide Kanäle und je ein Paar einzeln entkoppelte Sieb-Elkos pro Kanal vorgesehen.

Der Trafo war dabei von Größe und Spannungen her baugleich mit dem Vorgänger, die Leistung entsprechend nicht oder kaum erhöht. Der Entscheidende Unterschied war das wesentlich größere, Lüfter-lose Gehäuse, das zudem bei weitem einfacher zu montieren und zu zerlegen ging. Mit der proportional gleichen Fläche pro Ruhe-Watt wie beim A1 war eine aktive Kühlung überflüssig geworden.

Alles rot gefärbte wurde bei diesem Avalon bearbeitet oder erneuert. An die Gleichrichter-Eingänge (als Kreis markiert aber nicht sichtbar) kam je ein Entstör-Kondensator. Die neue Vorstufen-Platine ist als grüne Fläche angedeutet, die wurde unter dem Potentiometer montiert.

In dieser einfachen Urfassung kam das Gerät noch als A200 auf den Markt, wurde dann aber zum A120 umbenannt - denn der Ur-A200 konnte sich wohl vom A100(-X) aus verständlichen Gründen zu wenig absetzen. Man brauchte etwas Überzeugenderes - und so bekam der A200 dann etwas mehr "Strom aus der Steckdose" spendiert: man hat einen zweiten Netzteil-Satz, bestehend aus Trafo, Gleichrichter und Lade-Elkos zusätzlich montiert und die Platine so um-geschnitzt, dass tatsächlich ein Dual-Mono-Verstärker daraus wurde (mal abgesehen davon, dass die Vorstufe nur aus einem Kanal versorgt wird). Dieser neue A200 (DM - Dual Mono) bekam dann analog zu anderen Kontinental-Benennungen den Festlands-Namen "Avalon". Erstaunlich an der A200-Serie ist die Fortsetzung alter Berechnungs-Fehler bei gleichzeitigem "schießen neuer Böcke" wie einer Verpolung der Endstufen-Eingangs-Kondensatoren - und damit unterschiedlicher unterer Grenz-Frequenzen bei der Board-Version "issue5".

Typisches bei der Revision - der Avalon in Bildern

Wo der A100(-X) viel Mühe macht, ist beim A120/A200/Avalon alles gut und schnell zugänglich und zumindest vom Prinzip her jede Menge mechanische Probleme besser gelöst - zu Ungunsten des Platz-Verbrauchs. Das kürzt die Bearbeitungszeit zunächst mal eher um Stunden, als um Minuten. Gut, man hat es vielleicht sogar etwas übertrieben, zwischen Kühlprofil und Deckel gibt es keine Schraube, der Deckel wird einfach auf die Platine "gespannt" - ist dann z.B. das Bodenblech beschädigt und verbogen, dann kann das zu Problemen mit dem Wärmekontakt zum Deckel führen (schon erlebt...).

Was man an Zeit beim zerlegen und montieren spart, das fordert dann wieder der Einbau der Vorstufe - man hat nämlich weiter deren unsäglichen Schaltplan beibehalten - das Gehäuse ähnelt aber in nichts dem A1, der Umbausatz passt nicht richtig, alles muss kompliziert woanders hin montiert werden. Und was bei diesem Gerät auch ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor ist: Beim dicken Avalon verwende ich die besten Elkos, die ich für genau diese Maße bekommen kann: Kemet-Typen aus der Fertigung Evox-Rifa. Das ist teuer, aber angemessen. Die sind erstens doppelt so viele und zudem schon pro Stück dreimal so teuer wie die Panasonics beim A1(-X/David).

 

Ein Avalon von der Netzteil/Front-Seite her - deutlich zu sehen: der zusätzliche Trafo, der zweite Gleichrichter ist unter den bunten Trafo-Kabeln nachgerüstet, die zusätzlichen Lade-Elkos sind (Bild links) mit einer Hilfs-Platine angeklebt, wo Platz war.

 

Außerhalb der Spezifikation

...also in ähnlicher Weise falsch dimensioniert wie u.a. die (weit gefährlicheren) Sicherungen der MA50(-X) sowie z.B. die Zener-Dioden-Vorwiderstände in den gleichen Monos und in allen A100/A200-Varianten sind hier die Lade-Elkos in Bezug auf die tatsächliche Betriebs-Spannung aus den gegebenen Trafos bei üblicher Primär-Einstellung. Das habe ich leider (weil normalerweise gar nicht vorkommen darf ) erst beim vierten oder fünften Avalon/A200 bemerkt: am Netzteil misst man eher 36,5V bei 230V Netzspannung, als die durch die 35V, für die die räumlich ohnehin knapp bemessenen Lade-Elkos laut (Werks-)Aufdruck vorgesehen sind. Das hatte ich noch bei keinem A100(-X), bei den der Trafo genau die gleichem Maße und Farb-Kabel besitzt. Offenbar der Grund, warum man in diesen Geräten oft alle Becher-Elkos mit gewölbten Deckeln (durch inneren Druck!) vorfindet.
Durch die fest gelegten Durchmesser und Höhen-Maße kann auch ich hier keine Spannungs-festeren Typen einbauen, es gibt unter den für mich am Markt verfügbaren, in Lebensdauer und klanglicher Hinsicht geeigneten Typen keine räumlich passenden mit mehr Spannung und mindestens gleicher Kapazität. Seit ich das alles weiß, belege ich den Trafo immer für die höchste Primär- (=niedrigste Sekundär-)Spannung um, womit tatsächlich dir 35V Nennspannung unterschritten werden. Und warum nicht gleich ab Werk??? Um bei Leistungs-Messungen besser da zu stehen? Oder doch nur Schlamperei?
Ähnliches habe ich übrigens nachträglich beim Alchemist Nemo APD15A MKII feststellen müssen, manche Firmen hatten offenbar kein durchgehend hohes Niveau, gute Ideen, schlechte Durchführung.

Auf diesem Kühlprofil war noch viel Wärmeleit-Paste, die beim Zerlegen verschmiert wurde. Die Aufteilung ist im Prinzip besser als bei den Vorgängern, die Vorstufe sitzt in Buchsen-Nähe - dafür muss die Achse allerdings verlängert werden.

 

Oben: Da war jemand ungebeten tätig: der Schalter ist total Ballistol-verschmiert

Links: Immer noch von Hand aufgetrennte Leiterbahnen und angeklebte Kabel-Schleifen

Was unangenehm auffällt ist, wie viele "alte Zöpfe" eben auch nicht abgeschnitten wurden. Nach wie vor sind bei +/-34V Betriebsspannung 680Ohm-Vorwiderstände für die 12V-Zenerdioden im Einsatz (die Überlast hat also Jahre lang offenbar keiner nach gerechnet, der dritte Gerätetyp mit diesem Fehler), immer noch wird das Kabel-Provisorium am Phono-Eingang mit geschleppt. Und offensichtlich erst recht nicht konnte man sich bei der Vorstufe entschließen, mal etwas vernünftiges (wie z.B. bei den B-Geräten) einzubauen. Die bekannte "No-Go"-Schaltung blieb dem Erst-Käufer weiterhin erhalten.

 

immer noch die unsägliche, zweistufige TL084-Vorstufe mit dem Potentiometer im Gegenkopplungs-Zweig...

Und hier kommt jetzt ein ganz dicker Hammer:

Layout-Fehler bei A200 Board-Version "issue5"

Beim End-Test eines Geräts habe ich wie immer kurz ein Rechteck-Signal übertragen und mich über die Abweichung zwischen rechts und links gewundert. Alles wies auf eine unterschiedliche untere Grenz-Frequenz, der eine Kanal spielte wie gewohnt, der andere lag augenscheinlich mit seinem unteren Ende ein oder zwei Oktaven höher. Ob ich einen Fehler eingebaut hatte? Zuerst konnte ich nichts entdecken. Bei genauerer Betrachtung und Vergleich der beiden Kanäle mit dem Hameg Komponententester habe ich dann das gefunden: 

  

die beiden Endstufen-Eingänge einer "issue5"-Platine, rechts kann man den Layout-Fehler erkennen

Man hatte einfach einen Layout-Fehler gemacht. Kann vorkommen. Was nicht vorkommen darf ist, dass so was in Menge produziert wird und in dieser Form den Kunden erreicht. Ich habe bereits drei solche Boards in Händen gehabt, das muss einige Zeit unentdeckt so ausgeliefert worden sein. Bis zur Board-Version 6 genauer gesagt. Spricht nicht gerade für das Fertigungs-Labor und die Qualitäts-Sicherung, einen so einfach zu entdeckenden Fehler in Serie massenweise zu verkaufen.

Hier der korrigierte Fehler: die Koppel-Kondensatoren sind wieder parallel am Eingang, nicht mehr in Reihe geschaltet.

 

Ein komplettes Issue4-Board von unten - da gab es den o.g. Fehler noch nicht. Darunter ist die neue Vorstufe montiert.

Rechts: die Platine wird unter dem Poti ein wenig angesenkt.

Die Montage unter der Platine ist nicht ganz einfach, vor allem, wenn man die Haupt-Platine möglichst wenig verändern will (also alles so macht, dass es sich auch ohne Spuren zurück bauen lässt). Die einzige unvermeidliche Änderung an der Platine ist ein kleiner Rand, den man an den Potentiometer-Löchern mit dem Bohrer anbringen muss, damit man Berührungs-frei an den alten Verbindungen vorbei kommt.

So kann man das Potentiometer mit einer kleinen Hilfs-Platine auf der Unterseite verlöten, ohne dass man mit den ursprünglich angelöteten Leiterbahnen Verbindung bekommt. Sie sehen rechts, dass das ursprüngliche Vorstufen-IC entfernt wurde. 

die vorbereitete Hilfsplatine wartet auf die neue Vorstufe - Oberseite...

...und Unterseite

so wird sie montiert...

...und so verdrahtet

Das Potentiometer ist zusätzlich mit Heißkleber gesichert, um das Biegemoment an den Anschlüssen möglichst zu reduzieren.

Der Wahlschalter ist nun wieder sauber, die Vorstufe erneuert, der Verschleiß samt Fehl-Berechnungen beseitigt und - bei dem Gerät auf diesem Bild - auch die Endstufe repariert. Die End-Transistoren mit Jahrestag-Aufdruck sind übrigens ganz normale ON-Semi-Typen. In diesem Fall hatte ich noch genügend Originale aufgespart, um das Gerät wieder komplett machen zu können.

 

Entstör-Kondensatoren an den Gleichrichtern, bei diesem Exemplar ist auch ein neuer Netzschalter montiert (der Schaft war gebrochen)

Kurz vor dem Zusammenbau

End-Abnahme

Beim Endtest müssen Ruhestrom und Offset stimmen
- und natürlich jegliches Signal sauber von jedem Eingang zum Ausgang gelangen.
Dies ist übrigens auch das erste Mal im Verlauf, dass ich das Gerät in Betrieb nehme - zwar werden bei der Montage einige Bauteile und Gruppen geprüft, doch ein verschlissenes oder gar defektes Gerät werde ich mich hüten vor der Überarbeitung unter Strom zu setzen oder gar an wertvollen Lautsprechern anzuschließen - das kann einen möglichen Schaden nur unnötig vergrößern ohne für die Revision neue Erkenntnisse zu bringen.
Wenn beim Endtest auf dem Arbeitsplatz ausnahmsweise noch Probleme zeigen, muss man halt noch mal eine Runde zurück, z.B. bei zu unterschiedlichem Ruhestrom und/oder zu hohem Offset einen Satz gepaarte, neue Eingangs-Transistoren  in die Endstufen einbauen.
Und erst wenn alles stimmt, wird der Deckel wieder befestigt. Es folgt der Probelauf an meinem Lautsprechern. Wenn dann nach dem Heiß-Spielen immer noch alles in Ordnung ist und bleibt, erfolgt die obligatorische VDE-Messung und schließlich die Verpackung für den (Rück-)Versand.