Fachmesse für Audio

Bericht über den Besuch am Händlertag

...und ob sich die Reise gelohnt hat...

Kombinierte Anfahrt mit vollem Auto

seit Mitte der 90er Jahre hatte ich diese Messe genauso wenig besucht, wie mich die einschlägigen Fachzeitschriften noch interessiert haben. Doch langsam war ich neugierig, was sich seit den Zeiten im Frankfurter Kempinski (Gravenbuch) so getan hatte. Das Auto hatte ich voll mit Kollegen und einer Auslieferung nach München. Letztlich blieben dann noch etwa 6 Stunden zum Stöbern und für die eine oder andere Einschätzung.

Erste Auffälligkeit: genauso wie auf anderen Messen, die Hektik hat zugenommen. Zweite Auffälligkeit: Das eigentliche Vorführen hat weiter an Stellenwert verloren - gut man kann sich trefflich streiten, ob das in diesem Rahmen überhaupt gut funktionieren kann und ob ein ernsthafter Hersteller darauf verzichtet, wenn es sich ohnehin nicht optimal durch führen lässt. Doch fielen so oder so die Mengen an Hallenständen auf, die nichts zum Anhören hatten, sondern nur zum Ansehen, höchstens noch zum Anfassen. Mit der Zeit fanden wir allerdings noch heraus, dass die oberen Stockwerke auch Vorführ-Räume die Menge boten.

Was auch nach längerer Anwesenheit nicht verging, war die Vertrautheit mit der Situation, wie wenig wirklich attraktives Hifi hier wieder jeder Menge Marketing gegenüber stand, dass man nach "Highlights" suchen muss und nur wenige findet. Allgemein kam ich wider besseren Wissen mit dem Gefühl, dass sich das Niveau ja gehoben haben musste und man mehrheitlich mit der eigenen Arbeit konkurrenzfähige Produkte vorfinden müsse. War aber nicht so, tatsächlich bewies auch diese Messe, dass das "Feld" im Grunde auf der Stelle tritt, die durchschnittlich gebotene Qualität würde ich sogar unterhalb der von vor 25 Jahren sehen. Armselig. Was mir insgesamt von Ausnahmen abgesehen nahezu gruselig scheußlich vorkam, war die Durchschnitts-Qualität der D/A-Wandlung bei verschiedensten Vorführungen. Wenn sich Technik gleich von Anbeginn mit klar wahrnehmbaren technischen Stör-Komponenten in Form digitaler Artefakte vordrängt und somit beweist, dass die hiermit Beschäftigten weit mehr als ich (ich hocke ja das ganze Jahr ohne viel Neu-Gerät-Erfahrung in meiner Werkstatt...) den Bezug verloren haben, sich zur Herstellung einer guten Illusion nicht etwa an der Realität orientieren, sondern an genau so verfälschten anderen Komponenten, dann ist das für mich eine Art Bankrott-Erklärung der gesamten Branche. Geld hat man viel gesehen, Enthusiasten wenige. Mir erschienen die Plattenhändler als die am leichtesten erträgliche Erscheinung, näher am eigentlichen Thema als die Mehrheit der Technik-versessenen Markt-konformen Geräte-Feteschisten.

Ohne auch im Geringste den Anspruch auf Vollständigkeit zu stellen, kann ich dennoch ein paar für mich überraschende Erlebnisse vermelden - auch wenn die Zeit letztlich vielleicht doch für nur zwei bis fünf Prozent dessen gereicht hat, dessen genauere Beurteilung eine genauere Beschäftigung erfordert hätte. Und so ist mein Bericht einfach Stichproben-artig zu werten.

Project bei ATR

...zu ATR wollten die Kollegen, so war das einer der ersten Anlaufpunkte. Und deren Ausstellung betonte in erster Linie Project-Plattenspieler. Ich kann dazu aus Erfahrung sagen: gerade die Einstiegs- und Mittelfeld-Modelle bei Project haben in Ihrem Preissegment seit einiger Zeit nur wenige ernst zu nehmende Gegner. Seit einigen Jahren habe ich selbst einen "billigen" Project Genie RPM1.3 in der Vorführung. Das wenigste, was mir Kunden in den Laden schleppen, kann da auch nur annähernd mit halten, die Platte einmal von der mitgebrachten Plastik-Wanne auf das durchdachte MDF-Gerät gelegt, und die Diskussion ist vorbei, bei dem ehemaligen Verkaufspreis um die 350€ tut man sich auch mit Gebrauchten schwer, brauchbare Konkurrenz aufzubauen. Und gerade an diesem Modell wurde gearbeitet, zwei Varianten mit Karbon-Armen sind jetzt erhältlich, die ich in diesem Rahmen zwar nicht hören konnte, doch Freunde und Kollegen äußern sich mit einhellig guten Kritiken zu diesen Modellen. Kern der Sache ist bei vielen Project-Gerätschaften, dass man sich wirklich Detail-Gedanken gemacht und sich auf wesentliches konzentriert hat.

Beyerdynamic Kopfhörer

nachdem ich erst kürzlich für den Symphonic Line RG2/RG9/RG10/RG14 einen Kopfhörer-Verstärker (bzw. ein Multifunktions-Modul inklusive Kophörer-Verstärker)  entworfen habe, wollte ich hier u.a. mal nach einem Vorführ-Modell sehen (...hier die Beyerdynamic homepage). Es wurden verschiedene offene und geschlossenen Modelle an Firmen-eigenen Kopfhörer-Verstärkern vorgeführt. Leider konnte ich weder das Musikmaterial, noch die Musik-Quelle(n) richtig einschätzen, es wurde auf einem Tablet gewählt, doch mir blieb schleierhaft, welche Eindrücke ich welchen beteiligten Soft- und Hardware-Komponenten und/oder Effekten zuzuordnen hatte. Immerhin ergab sich ein sehr nettes Gespräch mit einem kompetenten Entwickler, der ein wenig auf den besseren Kopfhörer-Verstärker einging und mit den Leit-Gedanken bei mir offene Türen einrannte: man hatte das Gerät mit einem schützenden Längs-Widerstand versehen, an dessen beiden Enden der Gegenkopplungs-Abgriff umschaltbar aufgeführt ist. Damit bleibt das Gerät in jeder Lebenslage Betriebs-sicher, doch lässt sich der differentielle Innenwiderstand und damit der Dämpfungs-Faktor auf diese Weise wählen. Diese Option hatte ich auch für die individuellen Anpassung meines eigenen Entwurfes bereits geplant. Um schließlich einschätzen zu können, welches Kopfhörer-Modell genau unter welcher Anpassung mit meiner Entwicklung optimal zusammen arbeitet, wird aber am Ausleihen und Testen bei mir vor Ort kein Weg vorbei führen.

Symphonic Line

nun, von dieser Begegnung hätte ich mir mehr erhofft (hier die homepage). Der Meister präsentierte seine Geräte in der Halle und verzichtete auf Vorführungen. Man konnte die eindeutig gestiegene Verarbeitungs-Qualität bestaunen - und einen vergoldeten RG9. Mit der Begrüßung war schnell offenbar, dass er einen noch kannte, noch schneller machte er klar, dass er z.B. von Augenhöhe mir gegenüber nach wie vor nichts hält. Ihm gefalle nicht, dass ich in einem Artikel zu den RG4 die 90er als seine in meinen Augen kreativste Zeit bezeichnete, er sei aktuell mindestens genauso kreativ. Nun, im Dialog könne ich redaktionell durchaus auf ihn eingehen, meinte ich.
...darauf lege er gar keinen Wert, doch solle ich das Bemängelte einfach mal löschen, so könnten wir dann gute Freunde bleiben...
Und im Gespräch mit den Kollegen würzte er die gewohnte Selbst-Beweihräucherung noch mit ein paar weiteren Spitzen, z.B. dass außer ihm ja alle mit Effekten arbeiten würden.
Nun, lieber Rolf, hast Du schon das Bisherige offenbar ausführlich gelesen, dann werden Dir auch diese Zeilen nicht verborgen bleiben. Und ich gebe erst mal zu bedenken: ich kann eigentlich nur die 90er für Deine kreativste Zeit halten, denn späteres kenne ich einfach kaum - die Geräte sind von einer Qualität, die bei mir vor Ablauf zweier Jahrzehnte selten auf den Tisch kommt. Ich kaufe kein neues Hifi, auch kein Symphonic Line, aktuelle Entwicklungen entziehen sich daher weitgehend meiner Kenntnis. So kann ich zwar behaupten, dass ich die Zeit für kreativ halte, in der die Mehrzahl der auch heute noch angebotenen Produkte ursprünglich und namentlich entstand. Wie es dagegen heute um das Gemeinsche Künstlertum steht, kann ich nur an (zu) wenigen Beispielen fest machen und an den Aussagen von Leuten, die ein MK4-Update verweigert haben um ältere Geräte lieber bei mir in Stand setzen zu lassen - wobei man deren Aussagen ungeprüft sicher auch nicht überbewerten darf. Was ich allerdings aus den letzten Jahren selbst prüfen konnte, hat durchaus verschiedene Eindrücke hinterlassen, technisch wie klanglich. Also: kann durchaus sein, vieles jetzige ist besser, genaueres äußere ich dazu aber nur, wenn ich es selbst gehört habe. Die 3er-Serien jedoch kenne ich und halte sie für phantastisch. Eine vergleichbare Einstellung wünsche ich mir auch meiner Arbeit gegenüber, es wäre z.B. auch nicht korrekt zu behaupten, ich würde Effekte einsetzen, ohne ein von mir revidiertes und wieder eingespieltes (wichtig!) Muster-Gerät tatsächlich mal selbst unvoreingenommen angehört zu haben.
So oder so: Gerne lasse ich mich von neuen Kreativ-Phasen überzeugen, jedoch nicht auf diese verkürzte Weise und nicht ohne sachliche Untermauerung. Was mich überzeugt, das werde ich auch entsprechend würdigen.

Harbeth

Obwohl mein Kollege dort wohl weniger gutes geboten bekam, als er den Hörraum zu einem anderen Zeitpunkt alleine besuchte, bei Harbeth war auf dem gesamten Messebesuch zum ersten Mal das Gefühl wieder da, das hier etwas zusammen stimmt und musikalisch "aufspielt". Mir ist bei diesen Lautsprechern technisch betrachtet gar nicht so recht klar, wie so eine Bauweise derart gut funktionieren kann, doch egal, sie tut's. Die "große" Kette, die hier präsentiert wurde, litt auch nicht an dem was mir bereits einige Vorführungen lang sauer aufgestoßen war: nervige Wandler. Stimmwiedergabe war einfach kein Problem und bei dem jazzig-bluesigen Combo-Charakter des vorgeführen Stücks schien Schlagzeug greifbar, Gitarren-Amps klar zu orten, alles logisch und flüssig. Großes Lob, zumindest für das was man mir da vorgespielt hat. Harbeth ist ja an sich nicht ganz billig, doch alte wie neue Lautsprecher aus diesem Stall kombinieren sich bekannter Weise hervorragend mit einigen meiner historischen Lieblingsverstärker. Probieren Sie Wandler (Auswahl nach Raum-Größe) aus diesem Hause mal mit diversen revidierten Onix oder Exposure-Geräten.

Manger

diesen Raum habe ich auf den Tipp eines Symphonic Line -Abtrünnigen aufgesucht, die Aussage war: die aktiven Manger-Boxen erreichen nicht ganz seine ehemalige, große RG3/RG4-Kette, sind aber für seine Bedürfnisse auch kein allzu wesentlicher Abstrich - der WAF (wife acceptance factor) sei dagegen überragend besser. Ein wenig gelesen und dann mal zu Manger herein spaziert. Erster Eindruck: der Punkt-Schallquellen-Charakter und die behauptete Phasen-Richtigkeit treffen genauso zu, wie das wesentlich bessere Zerfalls-Spektrum. Zwar hatte ich wieder Probleme mit dem Einsortieren des zugespielten Materials (was macht der Wandler, was die Aufnahme, was der Vorverstärker), doch zweifelsfrei ist der Lautsprecher einer von den ganz "sauberen". Die Behauptungen des erklärenden Technikers kann ich nach meinen Eindrücken nur unterschreiben: der Wandler ermüdet den Zuhörer nicht. Gut, ermüdende Musik bleibt ermüdend, aber die Effekt-Freiheit des Wandlers ist verblüffend. Mir ging umgehend durch den Kopf, was hier die optimale Antriebs-Elektronik sein mag, denn gerade, wenn eine Komponente den üblichen Qualitäts-Rahmen sprengt, werden Unzulänglichkeiten der Ansteuerung deutlicher als sonst wahrnehmbar. Wäre tatsächlich ein interessanter Ansatz, sich da mal eine Passiv-Box zu kaufen, um sie selbst zu aktivieren.

Total DAC

Nach dem Aussterben sämtlicher Parallel-Wandler-Konzepte bei den IC-Herstellern (zumindest nahezu, einen AD-Typ gibt es m.E. noch) ist eine Entwicklung wie diese nahezu zwingend logisch. Und hier hat man nicht gekleckert, sondern gleich geklotzt - die R2R-Ketten des Geräts sind mit Vishay Foil-Widerständen verwirklicht, bei RS kostet ein einzelnes Exemplar davon um die 20€ netto - jetzt bauen Sie damit mal einen 24bit-Stereo-Wandler diskret auf, unter 96Stück geht da ja wohl nichts, schon stecken nominal 2000€ nur in Widerständen...
Ich fand das vorgeführte Ergebnis tatsächlich in allen Belangen, die ich dem Wandler direkt zuschreiben konnte, absolut überzeugend. Alles, was ich heutigen HighEnd-Wandler Chips nach dem Delta-Sigma/Bitstream-Verfahren so ankreide, hier gibt es das nicht. Füttere einen Total-DAC mit einer Jitter- und Aliasing-arm sorgfältig produzierten Konserve und Du kannst Dich fast nur noch über die Abstimmung von Netzteil und Ausgangs-Stufen unterhalten, zu Deutsch: analoge Details. Der eigentliche Wandlungs-Vorgang ist offenbar bestens getaktet und noch besser in der Linearität gestuft - und damit kaum zu übertreffen. Nicht ganz billig, aber schön, solche Gegenbewegungen zum Massenprodukt brauchen wir.

Lampizator

Schade, dass ich den in seinen Räumen nicht angetroffen habe (hier die homepage) und auch während wir dort gehört haben keines seiner Geräte in Betrieb war. Vielleicht ein anderes Mal...

Fazit

Wie es in den 90er Jahren auch schon war: wenige entschädigen einen für vieles, mir hat es am Ende vom Tag sogar sehr gut gefallen.