Vollverstärker

Thule Spirit IA150B

Revidiert 2015 im Kundenauftrag

Eigenschaften

  • Inkrementgeber und Taste als Nahbedien-Elemente
  • Fernbedienung
  • Lautstärke, Klang- und Balance-Regelung elektronisch
  • drei Chinch- Line-Eingänge, davon eine Tape-Schleife
  • symmetrische XLR Eingänge
  • symmetrische und unsymmetrische Vorstufen-Ausgänge
  • symmetrische Signalführung bis zu den Lautsprecherklemmem (Brücken-Verstärker)
  • Standby-Ausgang

Revision:

  • Ersatz aller Nass-Elektrolyt-Kondensatoren der Haupt-Platine
  • Lötstellen nacharbeiten
  • nach Bedarf neue Lautsprecher-Relais
  • nach Bedarf Ersatz defekter Operationsverstärker/Regel-ICs

schlichte Front

Unter uns Analog-Verstärker-Freunden...
...kommen wir nun zu etwas völlig anderem. Oder auch:

Flugzeugtechnik

Der Thule Spirit wurde mir per E-Mail angekündigt, ein Kunde aus dem Landkreis. Nach einer kurzen Vorbesprechung und anhand von angehängten Fotos habe ich erst mal die Schrack Lautsprecher-Relais und die großen Netzteil-Elkos bestellt, Hintergrund: schlechte Erfahrung mit beiden Teilen. Den Relais-Typ hatte ich schon mal wegen Aussetzern auf dem Zettel - dabei hat sich heraus gestellt, dass wie hier gerne die billige Variante verbaut wird, das gleiche Relais gibt es auch doppelt so teuer mit besseren, vor allem mit Kleinsignal-tauglich vergoldeten Kontakten. Und in allen Geräten mit den hier vorgefundenen Vishay/Philips(BC)-Typen als Netzteil-Becher-Elkos habe ich bisher durchgehend das Phänomen beobachtet bzw. gehört, dass man sich bereits bei den ersten Tönen bequem legen möchte. Nicht vor Entzücken, nur um nicht zu Boden zu purzeln, die Wirkung liegt nämlich zwischen einer hohen und einer Überdosis Schlaftabletten. Und die Tendenz war immer eindeutig, ein betroffenes Gerät war z.B. ein Lindemann-, ein anderes ein Atoll-Vollverstärker, immer das gleiche Valium, diese hellblauen...

Es wurden also für den Thule passende Epcos-Typen geordert, die Bestellung ließ auf sich warten. Bemängelt wurde zunächst übrigens nur, dass ein Kanal kratzend zeitweise ausfallen sollte.
Als das Material angekommen war, haben wir eine Samstag-Nachmittag-Sitzung vereinbart. Ich fing mit dem geplanten Teile-Wechsel an, noch in guter Hoffnung, dabei das geschilderte Problem direkt oder indirekt zeitnah lösen zu können um den Fall in zwei Stunden wieder vom Tisch zu haben.

Doch bereits der Wechsel der Becher stellte sich als schwieriger als erwartet heraus. Denn das zweiseitig-durchkontaktierte Platinen-Material stellte sich als wenig hochwertig und Wärme-belastet heraus, beim Lösen der Snap-In-Elkos rissen viel zu leicht die Hülsen aus den Löchern und rutschten heraus, nicht ohne an zwei Stellen falsch platzierte und viel zu schmal ausgeführte kleine Leiterbahnen auf der Bestückungsseite mit ab zu reißen, die dann durch vernünftige Verbindungen auf der Unterseite ersetzt werden mussten. Bei den ausgebauten Elkos zeigte sich die schlechte Qualität auch in zwei Details: einerseits waren alle Deckel durch Innen-Druck gewölbt (und das ohne Überlast oder Überspannung), andererseits lag der Wickel locker im Becher, man kann diese Elkos im Grunde als leises Percussion-Instrument verwenden - nur dass sie auch bei dieser Einsatz-Art nicht sehr überzeugend klingen. Da es sich anbot, wurden auch gleich die kleineren Durchsteck-Elkos des Netzteils mit erneuert, was weniger Probleme machte.

EPCOS Becher-Elkos, je einer pro Brückenzweig

Es folgte das erste Einschalten, mit einem merkwürdigen Pfeifen aus dem Gerät - doch ohne genaue Inspektion fiel nichts weiter auf und der erste Hörtest war für mich sehr überraschend. Den Anblick hatte ich nicht allzu überzeugend gefunden, eine Vorstufe der Serie hatte ich noch mit ihrem Schlaftabletten-Klang im Gedächtnis. Und dieser Spirit war nun - zumindest mit den neuen Epcos und Panasonic FM-Elkos das blanke Gegenteil, unbändige Spielfreude an meinen Bluesline BEAT, auch eine hervorragende Kontrolle der unteren Register. Von kleinen Problemchen mal abgesehen (knackende Lautstärke-Regelung/Umschaltung links war ein wenig auffälliges Rest-Problem) war das richtig schön, eine ordentliche Dosis Spass-Faktor gepaart mit einer hervorragenden Eignung für den Wandler.

Er blieb im Leerlauf an, während ich etwas anderes gezeigt habe, als wir abschließend noch mal geprüft haben, war aber der ursprüngliche Fehler da. Also wieder auf den Tisch - und erst jetzt begann der eigentliche Aufwand.

Und die Erzählung des Eigentümers über einen Artikel in einer Fachzeitschrift. Über den grünen Klee gelobt worden sei der Thule, ganz modern und innovativ habe man das Gerät beschrieben, das sei "Flugzeugtechnik".
Nun, ich habe mir in dieser Phase die Platine mal genauer angesehen. Und selten habe ich ein Gerät mit derart unterschiedlichen Niveaus von Idee und Durchführung vor Augen gehabt. Im Grunde ist das Konzept gradlinig und kompromisslos, absolut alles wird symmetrisch behandelt, von vorne bis hinten - so werden von Stufe zu Stufe nur Differenzansteuerungen zur Weiterverarbeitung akzeptiert, Störungen wirken prinzipiell auf beide Symmetrie-Leitungen gleichermaßen und im Gleichtakt - und daher werden sie gar nicht erst mit dem Signal vermischt. Sogar die Stromversorgung ist "anders als bei anderen Kindern" - jeder Brückenzweig hat einen großen Becher-Elko für Plus- und Minus-Spannung, der Nullpunkt in der Mitte wird nur über Widerstände erzeugt - die von kleinen Elkos gebrückt sind. Das hat vor allem einen Sicherheits-Aspekt, wurde schon beim Revox A78 so gemacht und bei (Am-)Crown Bühnen-Verstärkern: im Defekt-Fall kann so ein Netzteil keine zerstörerische Gleichspannungs-Leistung liefern, der Lautsprecher ist also bei Endstufen-Schäden weit sicherer, als in gängigen Standard-Konzepten. 

Und all das ist so konsequent wie möglich in SMD-Bauweise ausgeführt, sehr umfangreich, dicht und klein dennoch mit im Grunde hervorragender Teile-Auswahl bei den Halbleitern des Signalweges. So weit so gut.

Der Haken ist eine nur mäßige thermische Planung, die prinzipiell schlechtere Handhabung im Service-Fall - von durchkontaktierten Platinen im allgemeinen und SMD-Bestückungen im Besonderen.

Und nun war hier dazu gekommen: die Löt-Technik war mäßig, an jedem SMD-Bauteil hingen seitlich mit Flussmittel anklebende Zinn-Perlen, die Haftung des Kupfers bei den gewählten Platinen ist unterdurchschnittlich, insbesondere bei Erwärmung. Und dann hat man noch ein paar Böcke geschossen, z.B. wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die Versorgungs-Spannungen für die ICs genau wie die geregelten Versorgungen der diskreten Endstufen mit ordentlich großen Spannungsreglern im traditionellen TO220-Gehäuse zu machen. Nein, da mussten es 100mA-SMD-SOIC-ICs sein, der gleiche Regler in klein und somit ohne gute Wärme-Ableitung. So was rächt sich.

Auch hätte man dein paar Lötstellen nicht dem Automaten alleine überlassen dürfen, wenn das Gerät mit durchaus hohem AB-Arbeitspunkt und entsprechender Erwärmung daher kommt. Da zerrt die Erwärmung nämlich kräftig am Lot, wenn man sich drauf verlässt, dass da bei durchkontaktierten Boards schon nichts passieren wird, irrt.
Auch die Auswahl kleiner SMD-Elkos im Bereich weniger Mikro-Farad fand ich schon beim ersten Hin-gucken alles andere als prickelnd, die meisten sind für die Stabilität der Spannungsregler zuständig, sollen deren Schwingneigung unterdrücken, werden aber mit ihrer winzigen Bauform von den Reglern kräftig gewärmt - absehbar, dass sie versagen, insbesondere, wenn man auch noch sparsam eingekauft haben sollte.

Nach genauerer Betrachtung der "Flugzeugtechnik" und nach dem, was sich bei diesem offenbar viel gebrauchten Gerät noch so heraus gestellt hat, kann ich nur anmerken: da würde ich lieber nicht mit fliegen...
...jedenfalls nicht ohne all die Maßnahmen, die dem Thule inzwischen verpasst wurden.

Nachdem man den Fehler ja hören konnte, war ich zunächst der Meinung: wenn es nicht das Realais ist, dann sitzt das Problem im Bereich der Umschaltung im Bereich der Lötstellen. Also die ICs mal alle nachlöten - nur dass da eine ganze Menge drin sitzen alle Oberflächen-montiert. Na ja, muss man wenigstens nicht noch mal das Board ausbauen ...dachte ich.
Doch danach war eher alles schlechter als vorher, wollte gar nicht mehr einschalten.
Nach und nach stellte sich heraus:
Die SMD-Spannungsregler hatten aufgegeben, lange bevor ich das Gerät angefasst habe - dass zuerst ein OP angeschlagen war und mit zusätzlicher Last für noch mehr Erwärmung sorgte, wusste ich zwar noch nicht, doch in dem Bereich war die Platine immerhin deutlich sichtbar viel zu sehr gebräunt. Von vier Reglern fü +/- 7,5V und +/- 13,5V waren zwei bereits völlig im Eimer, Ersatz ließ aber immer noch kein normales verhalten zu, an den Vorwiderständen ging zu viel verloren - Überstrom.

Beim Nachlöten hatte ein vorbelasteter Operationsverstärker offenbar ganz und gar aufgegeben, erst als ich den gefunden hatte, stimmten auch die Versorgungs-Spannungen wieder.
Jetzt lief das Gerät wieder komplett, nur fielen mir zwei Dinge noch deutlicher auf: das Pfeifen beim Einschalten und das Knacken aus den Lautsprechern bei der Umschaltung und während man Lautstärke regelte.

Das Pfeifen fand sich schnell: bereits am ersten Spannungsregler, an den ich mein Oszilloskop hielt, herrschte heftiges Schwingen. Da musste ich gar nicht weiter überlegen, die SMD-Elkos waren mindestens zum Teil kaputt und mussten alle neu rein. Nachdem die erneuert waren, war jegliche Schwingneigung beseitigt. Von den 16 ausgebauten SMD-Elkos hatten 12 komplette Unterbrechung, 3 zeigten noch ungefähr die ursprüngliche Kapazität von 3,3µF, einer war hochohmig und wies noch um die 100nF auf.
Verwendet habe ich übrigens Panasonics vom Feinsten, tatsächlich haben die neuen laut Datenblatt eine Lebensdauer von 5000 Stunden bei 105°C - so was hätte da gleich rein gehört...
...dänische Sparfüchse.

Mit dem Knacken war es nicht so einfach - da musste ich den symmetrischen Signalweg nach ungewollter Gleichspannung absuchen - die ließ sich zwar schnell finden, aber bei zwei kreuzweise gegengekoppelten Doppel-Operationsverstärkern, die auch noch an Schalt-ICs hingen, war der eigentliche Schuldige gar nicht so leicht zu ermitteln, letztlich hatte einer der Doppel-OPs in einem der Verstärker tatsächlich einen Schuss, ganz offensichtlich schon länger, da könnte die Misere mit den defekten Spannungsreglern z.B. angefangen haben.

oben: neu ausgestattet, ab nun mit Elkos und Relais vom Feinsten
unten: das ausgebaute Material, aufgeblasene, innen lockere Becher-Elkos fallen klanglich unter das BTM-Gesetz, Billig-Kontakt-Relais, SMD-Elkos ALLE kaputt, defekte Regler und die davon mit genommenen Operationsverstärker

Nun war technisch theoretisch alles wieder o.k. und vom Feinsten - im Dauer-Probelauf trat aber immer noch das Aussetzen auf (!?).

Risse im Lot

Mir fiel auf, dass der betroffene Kanal besonders klopf-empfindlich war, das Problem ließ sich im Warm-Zustand sogar "hinein klopfen", wobei ich zum ersten Mal messen konnte, was vorlag. Und es war mitnichten die Umschaltung, sondern ein Brückenzweig der Endstufe!

Alles SMD-Nachlöten half nichts, immer noch ließ sich das Problem provozieren, wobei der richtig aussetzende Zweig nur der schlimmste war, alle anderen hüpften ebenfalls heftig, wenn man mit dem Schraubendreher-Griff ein wenig auf die Platine klopfte. Ich habe dann den Fehler mal so stabil wie möglich provoziert und mit das ganze mit dem Oszilloskop und Voltmeter angesehen und kam zum verblüffenden Ergebnis: ein Leistungs-Zweig brach aus, die DC-Regelung zog nach und dann herrschten von oben gemessen zwischen Basis und Emitter der NPN-End-Transistoren ca. 10 Volt. Noch mal klopfen - alles normal. Da nicht vorstellbar war, dass die End-Transistoren selbst in dieser Form aussetzten, zumal auch noch je zwei parallel geschaltet sind, habe ich die Platine dann doch noch mal ausgebaut und genau untersucht.

Alle End-Transistoren waren in ihren Durchkontaktierungen locker, das war nahezu unsichtbar, Zylinder-förmige Haar-Risse im Lot, bei zwei nebeneinander liegenden Leitungs-Transistoren offenbar inzwischen komplett durchgehend.

Mit dem Nachlöten der Endtransistoren war der Spuk vorbei. Anmerkung dazu: die Verlötung war offensichtlich maschinell gemacht, hätte man das gleich von Hand gemacht oder mit Augenmaß nachgelötet, wäre das niemals locker geworden, wird es jetzt aller Voraussicht nach auch nie mehr.
Und nachdem jetzt jeder Elko neu war und die sicherlich schon länger defekten ICs alle frisch, durfte er im Probelauf erstmals seine kompletten Fähigkeiten zeigen.

Nicht von schlechten Eltern, die Epcos-Elkos hatten schon beim ersten Anspielen die Philips-Elkos deklassiert.
Jetzt wurde die Sache frappierend. Mag man in dem Gerät einen bedenklichen Aufbau vorgefunden haben, man kann dennoch nicht umhin, den nunmehr einwandfrei und stabil gemachten Thule Spirit für sein grundsätzliches Konzept und seinen Klang über alle Maßen zu loben - so was ist mir noch selten unter gekommen: Guter Plan, schlechte Durchführung, dennoch hervorragender Klang. Nur dass man das beim Neugerät wegen der Philips-Elkos zu einem guten Teil bereits verschüttet hatte, mit dem Verschleiß war dann endgültig der Ofen aus.

erst die Rückseite zeigt die für einen reinen Analog-Line-Vollverstärker recht  gute Ausstattung

Beurteilung

Und ich muss zugeben, dass ich das Gerät beim ersten Blick hinein aus technischer Sicht nicht sonderlich geliebt habe, es musste mich nach Instandsetzung erst überzeugen. Das ist ihm grandios gelungen, derart knackig, sauber und kontrolliert habe ich meine kleineren Standlautsprecher selten gehört. Kleine Einschränkung, die sich vielleicht mit dem Wieder-Einspielen noch gibt: die Abbildung war in der getesteten Kombination in Bezug auf die Höhe etwas beschränkt, alles in allem löst sich aber das Geschehen gut von den Lautsprechern und man wurde von etlichen anderen positiven Klang-Eigenschaften auch mehr als entschädigt.

Fragen Sie mich: "ist so ein Thule IA150B ein empfehlenswertes Gerät"
kommt eine sehr zwiespältige Antwort bzw. eine Gegenfrage "im Originalzustand, oder nach optimierender Überarbeitung?"

Im Originalzustand rate ich von der Serie dringend ab, programmierte Schwachstellen ohne Ende, schlechte Teile-Auswahl, verkopfter und suboptimaler Aufbau mit schlechtem Management der thermischen Ausdehnung.
Bei diesem revidierten Exemplar oder ähnlich behandelten rate ich dagegen ohne Zögern zu, er klingt nach Verschleiß- , Billigteil- und Fehler-Beseitigung in seiner neuen Abstimmung einfach zu gut, als dass man ihn einfach zur Seite schieben könnte. Insofern ist der hier beschriebene IA150B auch bisher das einzige mir bekannte Exemplar, den ich ohne zum Kauf empfehle, ohne Bauchschmerzen und mit wippendem Fuß...