Vollverstärker

Symphonic Line RG9 ca. 1992

Revision:

  • Erneuerung aller Elektrolytkondensatoren
  • neue Lautsprecher-Relais
  • Überarbeitung Vorstufen-Versorgung
  • Ergänzung der im Seriengerät weg gelassenen Leistungs-Stütz-Kondensatoren in den Endstufen inklusive eigener Masse-Leitungen
  • auf Wunsch zusätzliche Aufrüstung auf fernbedienbaren Lautstärkeregler und Kopfhörerausgang möglich.

Eigenschaften:

  • Hervorragendes Phono-Teil mit MM/MC-Umschaltung
  • eine Tape-Schleife mit Monitor-Schalter
  • Vorstufen-Ausgang geregelt (technisch ist die eingebaute Vorstufenplatine ähnlich einer gleich alten RG2, der Versorgungsaufwand natürlich nicht)

Dem Eigengerät habe ich eine Fernbedienung für die Lautstärke eingebaut, das hinten angsteckte Empfangsmodul stammt nicht von Symphonic Line, sondern ist Zubehör für eine Linux-Settop-Box, von mir mit dem passenden Stecker versehen und jetzt mit jedem Symphonic-Line-Fernbedien-Anschluß kompatibel. Billiger und kompakter. Kleiner Gimmik dabei: zusätzliche Betriebsanzeige, die bei Betätigung blinkt.

Im Dreierpack billiger?

Anfang 2015 hatte sich eine kleine Menge RG9-Verstärker der ersten Generation angestaut. Eine lange geplante Kunden-Revision, ein bei ebay erworbenes, recht gut erhaltenes Eigengerät, für das ein Kunde Kaufinteresse gezeigt hatte und unerwartet noch ein durch Selbst-Eingriff verschlimmertes Exemplar.

die ersten Schrauben gelockert, nach dem Anfassen Hände waschen

Man muss dazu wissen, das eins der häufigsten Probleme dieser Geräte im Zeitraum ihrer Entstehung nicht absehbar war: auslaufende Elektrolyt-Kondensatoren. Und im ersten RG9/10/11 können nicht nur Panasonic HFG/NHG-Typen betroffen sein. sondern oft auch die großen Becher-Elkos im Haupt-Netzteil. Sieht man entsprechende "Fußbäder", muss das nicht heißen, dass der Verstärker komplett ausfällt oder auch nur deutliche Störungen zeigt. Doch kann man in einem solchen Zustand keinesfalls mehr von optimaler Funktion oder gar bestem Klang ausgehen. Erneuerung der lecken Teile und gründliche Entfernung der ausgelaufenen Elektrolyt-Flüssigkeit sind sogar dringlich, um weitere Korrosion, Kriechströme und letztlich den kompletten Zusammenbruch zu vermeiden.

Das dritte Gerät war eines dieser Sorte, nur dass es mich erst erreicht hat, nachdem der Besitzer einen Selbst-Wechsel-Versuch der ausgelaufenen Becher-Elkos (ohne Reinigung) mit anschließender Verpolung durchgeführt hatte und das Gerät nun etwas merkwürdige Geräusche produzierte.

Von vornherein war abzusehen, dass mindestens dieses Gerät eine Grundreinigung benötigen würde.

Die schwierigste, absehbare Aufgabe war die Beschaffung neuer Becher-Elkos. Dazu könnte man einfach bei Symphonic Line anrufen. Oder welche von dort "um die Ecke" oder gebraucht besorgen. Nur: es gibt z.B. vom Hersteller gar keine Ersatz-Becher mit 10.000µF, dort hat sich der "custom"-Typ mit 13.000µF aus der zweiten Variante etabliert, geht auch, ist aber weiter weg vom Original, als ich in diesem Punkt eigentlich vor hatte. Im Endstufen-Netzteil des RG9/10/11 der ersten Generation kamen nacheinander mehrere verschiedene Elko-Typen zum Einsatz, wobei sich als Lieblings-Zulieferer immer mehr die Husumer Firma F&T heraus kristallisiert hat - ist jedenfalls meine schwerpunktmäßige Vermutung, dass auch alle aktuellen Symphonic-Line-Elkos dort gefertigt werden, sicherlich mit Sonder-Werten und -Wünschen im Schrumpfschlauch mit Firmen-Aufdruck, doch nicht allzu abweichend von den Standard-Serien - weil die nämlich GUT sind.
Bei der Recherche habe ich so nebenbei erfahren, dass auch die hoch gelobten M-Lytic wohl aus deren Hallen stammen, allerdings sind hier weit mehr Mundorf-Wünsche eingeflossen, die in der Summe in meinen Ohren sogar deutlich über das Ziel hinaus schießen - für die sicherlich hervorragenden M-Lytic müsste man eigentlich einen eigenen Verstärker bauen, denn die sind so sauber und gleichmäßig hoch-dämpfend, dass sie in "normalen" Schaltungen zur analytisch angehübschten Langeweile tendieren. Die kamen also für die RG9s nicht in Frage. Eine Bestellung genau passender 10.000er wäre gar kein Problem - aus deutschen Landen frisch in den Verstärker. Ab 250 Stück, der Einzel-Preis ist erträglich. Pro Stück sogar so erträglich, dass diese Mindest-Abnahme-Menge kaum mehr als das Doppelte kosten würde, als die benötigte Zahl Exemplare direkt in Duisburg zu ordern. Mit dem Ergebnis, dann über 230 Elkos entweder zum Großteil verkaufen oder bis zum Verfall lagern zu müssen. 
In England habe ich dann einen Posten passender F&Ts aufgetrieben, genau die gewünschten 18 Stück. In grün. Ein Restposten, der mal von F&T für Rega Research gefertigt worden war, ansonsten alles ganz normale snap-in-Typen.

Die Ersten werden die Besten sein

Wozu nun den ganzen Revisions-Aufwand treiben, es gibt doch auch RG9-Verstärker in MK2 bis MK4-Version, alles was neuer ist, ist doch selbstverständlich stets besser...
...warum nicht das alte Gelumpe wegschmeißen und auf ein jüngeres Modell setzen? Bereits Anfang der 90er Jahre hat sich eine ganz andere Vollverstärker-Endstufenmodul-Linie bei Symphonic Line etabliert, ich würde sogar mal sagen: eine zuverlässige und sehr warm und Verzerrungs-arm klingende Nachfolger-Linie.

Dazu muss man jetzt die Detail-Geschichte etwas kennen, der RG9 war ja der erste Vollverstärker aus dem Hause Symphonic Line und mit der Zielsetzung an den Start gegangen, gegenüber den Vor-End-Kombis nicht allzu viel zu opfern und zu einem gemäßigten HighEnd-Preis den ganzen zeitgenössischen, hübschen, kleinen Briten mal zu zeigen, wo der Hammer hängt...

Man hat zwar eine neue, schmale Vorstufen-Platine entworfen (die dann parallel auch als RG2-Vorstufe auf den Markt kam), bei der Endstufe wollte man aber erst mal keine Experimente machen. Für die vorhandenen Endstufen-Platinen war ein Vollverstärker-Gehäuse nicht groß bzw. hoch genug, also wurde die Schaltung der aktuellen RG1/RG4/RG7-Endstufe passend gemacht, von der elektronischen Topologie her 1 zu 1 im damals aktuellen Entwicklungs-Stadium. Und zwar gleich unter Integration der Schutz-Schaltung und des Offset-Servos. Beides gab es in gleichzeitig entstandenen RG1/Rg4/RG7-Endstufen nur in Form von zusätzlichen Hilfs-Platinen.
Man hat bei dem flachen Modul sogar vorgesehen, dass man bis zu drei Paar Leistungs-Transistoren montieren kann, der entstehende Leistungs-Block ist bei entsprechender Konfiguration und Versorgung also in der Lage, die gleiche Leistung mit ganz ähnlichem Ergebnis abzugeben, wie eine damalige RG1. Dazu gehörte dann noch das Versorgungs-Modul, darauf ein Brücken-Gleichrichter und die Montage-Möglichkeit für bis zu vier Paar snap-in-Becher-Elkos, erste Exemplare waren noch mit zwei Paaren a 10.000µF bestückt, später kamen durchgehend 6 Stück 10.000µF zum Einsatz. Diese Platine findet man z.B. auch in der Versorgung der großen CD-Spieler oder in Vorstufen-"Turbo"-Netzteilen wieder.

Diese drei Module wurden einzeln ins Gehäuse geschraubt und verdrahtet, vor der neuen Vorstufen-Platine, die die gesamte Standard-Breite der Rückseite einnahm. Ich kann mich gut erinnern, dass es beim Modell-Anlauf auch viel Diskussion gab, wie man z.B. den Phono-Verstärker möglichst Störungs-frei bekommt. Der Phono-Zweig besteht aus einer einfachst gehaltenen diskreten Transistor-Schaltung, für MC ein Linear-Vor-Vorverstärker mit im Grunde nur zwei Transistoren (die Parallelschaltung des Eingangs mal funktional zusammengefasst) und einem Differenz-Pärchen mit Endtransistor in der entzerrenden MM-Stufe. Leider mit sehr unsymmetrisch gerouteter Signalführung im empfindlichen Eingangsbereich und damit großer Anfälligkeit gegen magnetische (Brumm-)Einkopplungen - was übriges über Generationen nicht mehr geändert wurde. Eine der Gegenmaßnahmen war nach anfänglichen Experimenten mit verschiedenen Metallen der durchgehende Einsatz nicht-magnetischen Gehäuse-Materials. So kann das Gehäuse keine Brumm-Felder magnetisch von Kante zu Kante leiten, selbstredend liegt der Phono-Verstärker in der dem Trafo entgegengesetzten Ecke, doch in der Nähe von Blech-Kanten, an denen bei Verwendung von weichem Stahl eingefangene Magentfeldlinien des Netzteil-Brumms wieder austreten würden. Bodenwanne, Deckel, Front und Knöpfe bestehen daher aus Messing! Das hat auch in Sachen Mikrophonie resonatorische Folgen und wurde integraler, aber nicht ganz billiger Teil des Konzepts.

Was nicht im gleichem Maß akzeptiert wurde wie das teure Aushängeschild "Messing":
Der große Aufwand der dreiteiligen Endstufen-Montage hat sich offensichtlich als begrenzender Faktor der Fertigung heraus gestellt, sowohl das Anbringen der Endstufen-Platinen an ihren Kühlkörpern, als auch die Verdrahtung und Verschraubung im Gehäuse lassen sich nicht ohne erheblichen Zeitaufwand bewältigen. Wenn man dann nicht allzu viele zuverlässige Manufaktur-Mitarbeiter zur Verfügung hat, kann ich mir durchaus Liefer-Probleme genauso vorstellen, wie sehr enttäuschende Zahlen bei der Nach-Kalkulation.
Und darin sehe ich auch die Haupt-Triebfeder für den Generations-Wechsel hin zu einer Ein-Modul-Endstufe. Dieses Nachfolger-Modul war im Gegensatz zur RG1/RG4/RG7-verwandten Erstfassung eine komplette Neu-Entwicklung, bei der Netzteil, Schutzschaltung und zwei Endstufen untrennbar als eine Platine mit zwei Kühlkörpern zusammengefasst wurden. Optionen, die man theoretisch mit der alten Linie gehabt hätte, waren damit vom Tisch, z.B. vollständiger oder teilweiser Dual-Mono-Betrieb im RG9/RG10/RG11/RG14.

Auch war die neue Schaltung völlig anders in der Topologie. Wo die RG1 noch in etwa dem RCA-Standard-Schema folgt und prinzipiell ein einspuriger, asymmetrischer Entwurf ist, besteht das jüngere Konzept aus zwei symmetrisch gruppierten Verstärker-Hälften pro Kanal. Das führt zu ein paar grundsätzlichen Unterschieden z.B. im Klirrspektrum. Ohne das je nachgemessen zu haben, gehe ich davon aus, dass die neue Fassung in Sachen gradzahliger Oberwellen in der Nähe des machbaren Minimums liegt, nie völlig vermeidbare Übernahme- und Clipping-Verzerrungen produzieren dagegen stets Oberwellen ungrader Ordnung. Das ältere Konzept kann durch die asymmetrisch angekoppelte Spannungs-Verstärkerstufe die gradzahligen Oberwellen nie derart klein halten, da der hauptsächlich arbeitende Transistor keinen genau umgekehrt gesteuerten Partner mit gegenläufig gekrümmter Kennlinie besitzt. Es gibt bei einem "Eintopf" dafür aber andere Probleme in geringerem Maß, es werden z.B. keine zwei Pfade genutzt, deren Laufzeit-Unterschiede sich bei der Addition bemerkbar machen könnten. Auch arbeitet das ältere Konzept im Eingangs-Bereich und im Spannungs-Verstärker mit extrem hohen Arbeitspunkten, was prinzipiell die Arbeitsgeschwindigkeit steigert und den Klirrfaktor senkt. Um dasselbe am Nachfolger-Modul zu erreichen, dessen Spannungs-Verstärker-Transistoren im Gegensatz zum Vorgänger nicht am Kühlkörper montiert sind, muss man den Strom erhöhen und Kühlfahnen montieren (es gibt beide Varianten).

Und da ich ja beide Verstärker-Generationen zu genüge kenne hier mal kurz mein Urteil: mir gefällt die ältere Fassung einfach besser. In guten Zustand versetzt und wieder eingespielt, halte ich den Erstling - wie es mir so oft auch schon bei anderen Firmen und Modellen gegangen ist - für die beste Ausführung dieses Verstärker-Typs überhaupt. Wieder zeigt sich für mich, dass der höhere Aufwand der Erst-Entwicklung und die tiefe Beschäftigung mit einem neuen Modell bessere Ergebnisse hervor bringt, als die spätere Weiterführung nach Fertigungs- und Verkaufs-Kriterien. Und dass der zeitliche Abstand mit entsprechendem Verschleiß des älteren Geräts einen dazu verführen kann, bei Vergleichen die Neufassung überzubewerten.

gerade ausgebautes Endstufen-Modul

Verwässerungen und Verbesserungen

Betrachtet man sich eine zerlegtes RG1/RG4/RG7-Klon-Modul aus so einem alten RG9/RG10/RG11, dann sticht einem auf der Platine ein Detail ins Auge: Es sind genau wie bei den großen Paten-Endstufen vier Stütz-Kondensatoren vorgesehen, zwei im Strom-Bereich, um hinter den Sicherungen die Spannung an den Leistungs-Zuführungen zu beruhigen, jeweils ein 1000µF-Elko direkt an den Kollektoren der Endtransistoren gegen Masse stellt sicher, dass hier das gesamte Hörspektrum nochmals ordentlich gepuffert und gleichmäßig breitbandig mit Strom versorgt wird. Und ein zweites Pärchen Elkos sitzen über Widerstände entkoppelt als "rail filter" in der Versorgung von Eingangs- und Spannungs-Verstärker-Stufe, das hält die Auswirkungen von Leistungs-Strömen auf die Signal-Bearbeitung möglichst gering.

So schön, so gut...
...doch die direkte Pufferung ist bei so gut wie keinem Gerät je bestückt worden.
Zwei Gründe:
Einerseits hat das Board schlicht einen Routing-Fehler, die Stütz-Kondensatoren haben nämlich alle vier eine gemeinsame Zuleitung mit nicht allzu guter Leitfähigkeit. Folge ist die Verkopplung des Leistungs-Stütz-Stroms mit dem des Eingangs-Stufen-Stütz-Kondensators über den Widerstand des gemeinsamen Leiterbahn-Abschnitts - was diese Eingangs-Stützung regelrecht absurd macht, denn nun sitzt deren Fußpunkt auf einer dem Endstufen-Strom proportionalen Störspannung. Damit wird genau die Art Störung erst recht eingebracht, die dieser Schaltungs-Kniff eigentlich entfernen sollte.
Andererseits gibt es Marketing. Man hätte die Schaltung ja korrigieren können, wie ich es auch mache, doch wozu die Mühe, wenn dabei der Abstand zwischen einem RG9 und einer RG1/RG2-Kombi in einem Maß schrumpft, die den Preis-Unterschied wesentlich schlechter erklären lässt?

Ergänzung der fehlenden Stütz-Elkos mit eigenen Masse-Leitungen

Also hat man die für die großen Endstufen so typischen "Stützen" weg gelassen - und das Board wie es war, der Nachfolger stand ja schon vor der Tür.

Und ich verlege jetzt zu den Stütz-Positionen Extra-Leitungen und ergänze die fehlenden Elkos. Durch die getrennte Masseführung stören die Leistungs-Ströme nicht mehr den Bezugspunkt der "rail filter" und schon sind beide Versorgungen unabhängig optimiert.

frisch bestückt

Zahn der Zeit

Wenden wir uns dem weniger schönen zu. Was fehlt so einem RG9 der ersten Serie üblicher Weise?
Inzwischen einiges. Fangen wir mit dem letzten Zugang an, das war der älteste. In einem Vorserien-Gehäuse mit Hand-gebohrter Stahl-Bodenwanne. Und mit ein paar baulichen Besonderheiten, die Netzteil-Platine ist kürzer mit weniger Anschluss-Schrauben, die Endstufe hat keinen Ausschnitt über den Treiber-Transistoren, so dass diese mit Abstandhaltern montiert werden müssen und vor allem: einseitige Platinen. Das klingt jetzt nach nicht Besonderem, ist aber ein wesentlicher Unterschied, eine Platine ohne Durchkontaktierungen und rückseitige Lötaugen neigt viel stärker zu lockeren Lötstellen. So auch hier, es war locker, was auch immer ging. Buchsen, Transistoren, Spannungsregler, Operationsverstärker.

Dann befinden sich auf älteren Vorstufen im Phono-Verstärker besonders viele Styroflex-Kondensatoren. Klanglich hervorragend und präzise in der Toleranz, aber bei der Bearbeitung extrem problematisch. Einerseits muss man höllisch aufpassen, wenn man an so einem Kondensator lötet, denn das Dielektrikum schmilzt bei minimal übertriebener Löt-Zeit bereits, dann kommt es zu Kurzschlüssen oder heraus gefallenen Anschluss-Beinen. Andererseits kann man bei einer stark verschmutzten Platine gewickelte, offene Syroflex-Kondensatoren keinesfalls mit der restlichen Platine waschen. Genau wie offene Relais, Trimmer und große Elkos muss man diese Bauteile vor der Reinigung entfernt werden, denn Wasser würde in den Wickel seitlich eindringen, die kleinsten Risse (und dieses Material reißt) führen unvermeidlich zu Problemen mit prasselnden Kriechströmen. Diese Kondensatoren mussten entsprechend bei zwei Geräten vor der obligatorischen Wäsche entfernt werden.

In der Regel sind die Relais-Kontakte nicht mehr gut in Ordnung, ein schwarzer oder gar brauner Überzug und dunkle Spuren am Deckel weisen auf verzerrende Übergangs-Widerstände. Hier ist Erneuerung die schnellste Abhilfe, man könnte bei manchen Relais auch die Kontakte freilegen und polieren.

Genauso hat sich im Lautsprecher-Stromkreis ein zweiter Übergang oft wesentlich verschlechtert, die Sicherungs-Halter. Deren Versilberung ist gerne dunkel angelaufen, und zwar nicht nur auf der Außenseite. Diese Halter lassen sich preiswert ersetzen, hat man keine bei der Hand, kann man sie ebenfalls polieren. Auch die Endkappen der Sicherungen selbst sollte man reinigen, wenn man sie nicht gleich ersetzt. Abschließend etwas Schutz-Öl auf die Oberflächen bremst die erneute Korrosion.

verzunderter, korrodierter Relais-Kontakt hinter verdrecktem, angelaufenem Sicherungs-Halter

Die Endstufe selbst besitzt nicht allzu viele kritische Teile, doch müssen die vorhandenen Elkos auf jeden Fall erneuert werden, da hier verschiedene Endstadien bereits bekannt sind. Der Eingangs-Koppel-Elko spielt zwar nur im tiefsten Bass wirklich eine Rolle, den größten Teil des Frequenzbands überträgt hier ein verschleißfreier Folien-Kondensator, doch wenn ein weinroter Röderstein-Kondensator mal die ersten Risse aufweist, geht es mit ihm rasend schnell bergab und mit der unteren Grenzfrequenz in diesem Fall nach oben. Die Stützkondensatoren laufen wie erwähnt aus, die restlichen kleinen Werte haben nur Hilfs-Funktionen, doch auch das höchste Risiko des Kapazitäts-Verlusts wegen ihrer geringen Volumina. Bei den Halbleitern ist die Frage "bleiben oder gehen?" ein reines Poker-Spiel, doch liegt das Risiko für einen Ausfall der gut gekühlten Treiber-Transistoren immerhin so niedrig, dass ich die nicht ohne Anfangsverdacht anfasse. Wenn im Bereich Halbleiter etwas schief geht, liegt es in der Regel entweder an Überlastung durch Kurzschluss, oder an einem statistisch zufälligen inneren Kontakt-Verlust in den Treibern, kommt bei 80er und 90er-Jahre Bauteilen manchmal vor.

Teer-Film und Elektrolyt-Pfützen wollen entfernt werden

Bei der Vorstufe gab es ab Werk einige kleine Änderungen seit der Einführung der Platine. Insbesondere der Phono-MM-Verstärker wurde etwas "zahmer" ausgelegt, eine in allen drei Kandidaten noch vorhandene Darlington-Endstufe des Entzerrers wurde auf nur noch einen Transistor zusammen-gestrichen und stabiler kompensiert. Die verringerte Kreis-Verstärkung führt zu weniger Selbstbeschäftigung und wurde daher bei allen drei Kandidaten entsprechend geändert.

Insbesondere die Vorstufen-Versorgung hat mit den Jahren einige angestrickte Umbau-Varianten aus Duisburg hinter sich, üblich waren am Schluss ein paar ergänzende Fußpunkt-Elkos an den Spannungsreglern und die Speisung der Relais-Versorgung aus der geregelten Plus-Spannung. Zeitweise hatte man auch einen großen Stütz-Kondensator nach jedem Regler vorgesehen, den aber nicht konsequent bis zu jenem notwendigen Wert erweitert, bei dem jeder frequenzabhängige Effekt der Regelung unter die Messbarkeits-Schwelle und unter den Hörbereich rutscht. Diese Beschaltung blieb den großen Vorstufen und CD-Spielern vorbehalten, wurde aber hier von mir eigenmächtig ergänzt.

Dann hatten die ersten RG9 Ihre "weiche Erdung" (den Verbindungs-Kondensator zwischen Signal-Masse und Gehäuse-Erdung) noch auf der Netzteil-Platine, meine Änderung hat sie jetzt an den später verwendeten Punkt verlegt, nämlich an die Zentrale Masse der Vorstufe, der Masse-Anschluss-Punkt für die Potentiometer- und Endstufen-Verbindungs-Kabel.

Gesamtübersicht der vier Einheiten, hier mit frisch montiertem Motor-Potentiometer

Eine weitere Eigenmächtigkeit habe ich mir heraus genommen: die Koppel-Kondensatoren. Vorher waren bei diesen Alten Geräten wie erwähnt weinrote Bakelit-Röderstein-Elkos im Einsatz, in der Koppel-Anwendung in bipolarer Ausführung. Wo man tatsächlich wegen ungewisser Gleichspannungs-Anteile einen bipolaren Elko braucht, da habe ich jetzt einen Panasonic (später häufig auch in den Nachfolgern) verwendet. Nur gibt es diese Notwendigkeit im Grunde nur an einer Stelle, nämlich in der Line-Vorstufe. An allen anderen Positionen ergibt sich aus der Schaltung eine klare Polung. Wozu also einen symmetrischen Kondensator mit seinem doppelten Innen-Aufbau und -Widerstand einsetzen, wenn der dann ohnehin stets nur die eine Polung nutzt? Die Wahl fiel, obwohl am Anfang etwas "hart" im Klang, auf die langlebigen und niederohmigen Panasonic FMs, die sitzen jetzt sowohl im Phono-MC-Eingang, als auch am Phono-MM-Fußpunkt und haben hier in ihrer kleinen Bauform auch den Vorteil der geringeren Mikrophonie und der kleineren Brumm-Einstreuung.
Nach dem Einspielen wird sich das aber sehr ausgeglichen haben und dann liegen auch die Vorteile auf der Hand: sauberer, Störungs- und Schlacke- freier macht eben doch mehr Spaß.

Eine weite Position ist der oben bereits angesprochene Koppel-Kondensator im Endstufen-Eingang, hier verwende ich einen etwas größeren gepolten Panasonic FM-Typ.

Ein interessanter Punkt ist der Buffer-Verstärker nach der Relais-Umschaltung, hier hatten die ganz alten Geräte noch einen schlichten, billigen TL071 pro Kanal als Impedanz-Wandler. Das ist so verkehrt nicht in der Anwendung ohne Verstärkung (also mit maximaler Gegenkopplung), doch spätere RG2/RG9/RG10/RG14-Exemplare wurden hier auf den weit edleren OPA604 umgestellt, was ich bei den jüngeren beiden Geräten dann auch so gemacht habe. Dem ältesten habe ich immerhin ein Paar Präzisions-Sockel an dieser Stelle verpasst, da kann sich der Eigentümer selber vergnügen.

Und an dieser Stelle ein kleine Warnung für "Super-Schlaue". Viele Halb-Wissende neigen ja dazu, einfache Änderungen hin zu teurerem Material selber durchzuführen. Weil man meint, teurer sei besser. Es gibt noch einen Punkt im Gerät, da könnte man meinen, ihm etwas Gutes zu tun, wenn man da ein neues, modernes, teures Geschütz auffährt:
Der eigentliche Vorstufen-Ausgang.
Der ist parallel verteilt auf ein paar Cinch-Ausgangs-Buchsen und die internen Endstufen-Eingänge und besteht aus je einem 70er-Jahre Operations-Verstärker NE5534 und zwei japanischen End-Transistoren. Wer hier denkt, einen edlen, neuen Achtbeiner einbauen zu müssen, wird nahezu sicher eine üble Verschlimmbesserung erreichen. Die Schaltung ist mit diesem OP-Opa absolut in der Balance, bipolare (also Strom-gesteuerte) Eingänge, eine nach heutigen Maßstäben relativ geringe open-loop-Verstärkung und ein äußerst niedriger Ausgangs-Widerstand sind die genau austarierten Zutaten für diese Kompakt-Endstufe. Bei dem elegant minimierten Entwurf wurden wirklich alle Register der Feinabstimmung gezogen, die interne OP-Ausgangs-Stufe wird z.B. durch asymmetrische Anbindung im Eintakt-Class-A-Modus betrieben, die Kompensation und der Gegenkopplungs-Grad sind exakt für diesen OP erprobt - und funktionieren mit keinem anderen so gut, auch wenn es zehnfach teurere mit deutlich besseren Nenn-Werten gibt. Deren weit höhere Bandbreite mag noch kein Problem darstellen. Doch unter Einbeziehung der zusätzlichen Endtransistoren und deren Bedarf nach Steuer-Strom und dem instabilen Ergebnis, wenn man mit mehr Gegenkopplung (denn die würde aus einer höheren Open-Loop-Verstärkung resultieren) OP und Endstufe zwar in Reihe betreibt, aber nicht beherrscht, rate ich hier dringend von jeglichen Experimenten ab. An dieser Stufe wird sich jeder "Tuner" die Zähne ausbeißen, wenn er nicht ganz tief in die Materie einsteigt, Finger weg.

Wo ich mich wiederum dran vergriffen habe, sind die "snubber"-Kondensatoren an den Gleichrichtern, die sind nämlich in allen drei Geräten raus geflogen, da sie mehr Störungen einleiten, als beseitigen. Wie man übrigens auf aktuellen RG1-Fotos erkennen kann: die gleiche Erkenntnis scheint auch Duisburg erreicht zu haben, die Kondesatoren an den Gleichrichter-Dioden sind verschwunden, dafür erkennt man Drossel-Spulen (bessere Maßnahme!).
Ersetzt habe ich die "snubber" in der Vorstufen-Versorgung durch ein Eingangs-Filter am Gleichrichter und an der Endstufen-Metallbrücke durch einen Folien-Kondensator am Wechsel-Eingang. Klingt tatsächlich störungsfreier und in Verbindung mit neuen, größeren Low-ESR-Elkos für die Vorstufe auch - trotz "Ladehemmung" durch das Filter - deutlich lebendiger.  

Blick von hinten auf die Endstufe für den linken Kanal

Ergebnis

Jedes der drei Geräte hat mich durchschnittlich eineinhalb bis zwei Tage Arbeit gekostet. Und alle sind sie wieder richtig frische, wenn auch uneingespielte Spitzenklasse-Vollverstärker geworden. Durch die Entfernung aller Produkt-Management-bedingten Hemmschuhe nimmt es so ein früher RG9 sogar annähernd mit dem auf, was er eigentlich zusammenfasst: die Kombination einer RG1-MK3-Endstufe mit einer RG2-Vorstufe. Bis auf die ein klein wenig niedrigere Clipping-Grenze und das (im Gegensatz zur Dual-Mono-RG1) für beide Kanäle gemeinsame Netzteil unterscheidet dieses Gerät wenig von den "großen Geschwistern", das überarbeitete Vorstufen-Netzteil und die ergänzte Stützung tragen dazu bei, den Abstand zu minimieren.

Durch den Einsatz extrem langlebiger Elektrolyt-Kondensatoren dauert es zwar leider erst mal recht lange, bis die drei ihre Spitzen-Form erreicht haben, doch lässt sich jetzt schon interpolieren, wohin die Reise geht. Mir gefällt die Auflösung und Tiefe z.B. von Anfang an besser, als was mein Bluesline Stage (~RG9 MK3) dem entgegen setzt. Der ist natürlich eingespielt, hat bereits deutlich mehr Fülle, Grundton und Wärme gewonnen, ja besitzt davon vielleicht schon konzeptionell mehr.
Doch der "Alte" hat den besseren Rhythmus, mehr "Durchzug", bessere Platzierung. Und er wird den Nachfahren auch in den anderen Disziplinen noch einholen. Der älteste der drei verhält sich übrigens von der Endstufe noch minimal anders, denn er besitzt (noch) meine Lieblings-Transistoren, Anfang der 90er ausgestorbene Toshiba Ring-Emitter-Typen. Die zwei anderen hatten dagegen bereits weicher klingende Sanken-Exemplare in der Ausgangs-Stufe. Der älteste könnte von daher in der Feinabstimmung vielleicht noch eine kleine "Bremse" vertragen - aber er ist auch so bereits hervorragend. Bleibt abzuwarten, wie die drei nach einem halben Jahr so spielen, erst dann hat ein wenig Feinjustage an dieser Stelle überhaupt Sinn...

Nachtrag zum Ältesten

wie schon erwähnt, der Dienst-älteste meiner Überarbeitungs-Serie hatte noch die "schnellen" Toshiba Ringemitter-Transistoren, machte damit allerdings erst mal die schlechteste Figur, die Sanken-bestückten Exemplare hatten klar die Nase vorn. Unterschied: zu unausgeglichen in den höheren Registern. Und, wohl in Folge einiger nerviger Überbetonungen im oberen Mittenbereich, ein im Verhältnis zu dünner Grundton. Zwar schöne räumliche Tiefe und gewaltige Kraft und Kontrolle, doch im Grunde um den Preis, ihn deutlich kürzer tolerieren zu können, als die andern beiden Revisions-Kandidaten.

Und Schaltungs-technisch waren kaum andere Unterschiede auszumachen, als die Leistungs-Transistoren. Mit den gleichen Typen wiederum hatte ich äußerst erfolgreich das Pärchen RG4 auf die MK3-Version umgebaut, diese Monos stehen momentan noch zum Vergleich zur Verfügung. (Nahezu) Gleicher Schaltplan, gleiche End-Transistoren, aber mindestens so ausgeglichen, wie die beiden anderen RG9. Worin besteht also der Unterschied? Was ich mir bei den RG9 Einzel-Endstufen-Blöcken noch nicht genau angesehen hatte, war der Stand der Kompensations-Maßnahmen. Man kann diese auch ohne weiteres "Stabilisierungs-Maßnahmen" nennen, denn die entsprechenden Schaltungs-Ergänzungen sind für das Regel-und Abkling-Verhalten der Schaltung verantwortlich, sollen dafür sorgen, dass die Gegenkopplungs-Schleife weder annähernd, noch unbemerkt in einzelnen Bereichen der Schaltung in die Nähe der Instabilität gerät. Die Schwingungsbedingung darf bei einem Verstärker unter keinen Umständen je erfüllt werden und die Kompensation soll bei gegebenem Verstärkungs- und Gegenkopplungs-Maß einen möglichst großen Abstand zur Schwingneigung erzwingen.

Nun gibt es verschiedene Detail-Maßnahmen, die man einbauen kann, grob lassen sich Konzepte u.a. danach einteilen, ob sie sich in vielen kleinen, oder wenigen großen Schritten versuchen dem stabilen Zustand zu nähern. Nun zählen die frühen Detail-Entwürfe dieser Endstufen-Schaltung nach genauerer Untersuchung eher zu den "feinmaschigen" ("nested loop"), später hatte man in den MK3-Boards dann zusammengefasst und lieber wenigere, drastischere Eingriffe gemacht. So befinden sich in der RG4 MK3 z.B. nur noch zwei Kompensations-Kondensatoren, drei weitere mit insgesamt drei Reihen-Widerständen gibt es noch auf dem RG9-Endstufen-Board und auch in älteren RG1/RG4/RG7-Varianten.

...hab ich in dem weniger gefälligen RG9 die überzähligen Kondenstoren alle raus gezwickt, die Reihenwiderstände umgangen und nur noch die beiden Kondensatoren der späteren Variante montiert, einen 15nF MKP direkt zwischen die Eingangs-Basen, einen 100pF Glimmer-Kondensator direkt parallel zum Gegenkopplungs-Widerstand.
und wie soll ich sagen - alles gut!
In dieser Fassung kann er jetzt mit den anderen beiden mindestens konkurrieren, tonal wirkt er auf der Stelle völlig ausgeglichen, Nervigkeit weg, "punch" und Räumlichkeit eher besser. Jetzt spielt er die packenderen End-Transistoren endlich aus, ohne über das Ziel zu schießen!

Ob die gleiche Maßnahme bei den von vornherein ausgeglichen klingenden beiden Sanken-bestückten Exemplaren (von denen der jüngere ohnehin schon ein "Mittelding" verwirklicht hat) allerdings gut gewesen wäre, wage ich zu bezweifeln. Da könnte die Sache auch leicht ins langweilige drehen.