Vollverstärker

Musical Fidelity B1 MK2

Verkauft für 447,- €

Eigenschaften:

  • Gehäuse: pulverbeschichtete, bedruckte Front
  • Phono MM/MC umschaltbar
  • Je ein Quell- und ein Aufnahme-Wahlschalter
  • 3 Line Eingänge
  • 2 Tape Schleifen
  • Kopfhörerausgang

Was man an manchen Briten hassen oder lieben kann

...bei Musical Fidelity gehört dazu mit Sicherheit die Fertigungs-Qualität.

Der Entwurf, der (mögliche) Klang und sogar die Zuverlässigkeit sind bei diesem Gerätetyp allererste Sahne
- wenn man erst mal alles nachhaltig in Ordnung gebracht hat. Nicht so bei unbehandelten Geräten, insbesondere bei frühen Exemplaren dieser Serie:
Mit einer gewissen Unverfrorenheit wurden da unfertige oder stark fehlerhafte Entwicklungs-Stände an den Endkunden ausgeliefert, dass man sich wirklich fragt, wie so etwas lange gut gehen konnte. Kann man natürlich auch als eine Art "Gelassenheit" interpretieren.

Ich schreibe das aber eigentlich nicht über das hier angebotene MK2-Gerät, sondern in erster Linie über einen Kunden-B1 der ersten Generation, der für mich nach längerer Nicht-Beschäftigung mit dieser Produktlinie den B-Stein wieder ins Rollen gebracht hat - weiter unten folgt noch für den technisch Versierten warum. Und daraus folgt schließlich auch, dass die MK2-Geräte gegenüber ihren Vorgängern ab Werk wesentlich verbessert waren.
Um jedenfalls die Probleme des Kundengeräts zu ergründen, habe ich hilfsweise dieses Eigengerät auf den Tisch genommen - und in diesem Zusammenhang natürlich auch gleich überholt und fertig gestellt. Hier erst mal ein paar Original-Bilder des angebotenen Exemplars:

die Front ist Pulver-beschichtet, der Deckel nur minimal verkratzt

Gut erhaltener Aufdruck

Alle notwendigen Anschlüsse an der Rückseite

 Auch die Seitenteile sind gut erhalten

Netzschalter, Typen-Aufdruck, Kopfhörer-Buchse - "no nonsense"

B1 zweite Generation - immer noch völlig anders

Unter dem Caruso-Aufkleber steht vermutlich noch B1... Board Revision 2 kann man lesen, die 2er-Varianten hatten stets Kanal-getrennte Sieb-Elkos, typisch für die späteren Varianten auch die Werks-nachgerüsteten Folien-Kondensatoren in der Phono-Versorgung.

Gegenüber dem ersten B1-Entwurf ist man hier von der Quasi-Komplementär-Endstufe zu Gunsten völliger Symmetrie abgekommen. Das Netzteil ist jetzt nicht mehr zweistufig, sondern wird parallel und entkoppelt beladen, das heißt: es gibt zwar keine für beide Kanäle gemeinsamen Lade-Kondensatoren, doch die großen Elkos werden über Widerstände getrennt vom Gleichrichter her versorgt - wegen dieses Vorwiderstands erlaube ich mir hier auch die nicht ganz korrekte Bezeichnung "Sieb"-Kondensator.

das Endstufen-Netzteil mit den neuen 105°C-Panasonic-Elkos

Damit leidet zwar etwas die schnelle Nachlade-Fähigkeit, doch bremst das auch die (mit 100Hz-Oberwellen verseuchenden) Ladestrom-Spitzen und erhöht die Kanal-Unabhängigkeit bei Belastung insbesondere in den höheren Band-Bereichen. Dass die Musical-Fidelity-Entwürfe nicht auf dicke, starre Netzteile, sondern einzig auf ihre ausgefeilte Über-Alles-Gegenkopplung ohne jegliches lokales Strom-"feedback" im Lautsprecher-Kreis setzen, um dynamische Fragen zu lösen, hat man ja bereits allen Vorgängern an-gesehen und -gehört. Dieses Konzept, völlig konträr zu anderen Mitbewerbern, ist in den MK-II-(B-)Varianten natürlich durch gehalten, ja in der jetzt völlig komplementären Endstufe ohne jegliche Emitter-Widerstände sogar noch verbessert worden. Das Fehlen dieser Widerstände legt übrigens auch nahe, die End-Transistoren gepaart einzubauen: Die jeweils von einem Treiber angesteuerten Paare sollten annähernd gleiche Verstärkung aufweisen um zu große Strom- und Wärme-Abweichungen zwischen dem jeweils vorderen und hinteren Transistor zu vermeiden. 

Die Schaltung verbessert, doch überlastete Widerstände an zu kleinen Lötpunkten eingebaut - dieser B1 MK-II ist halb revidiert, die Elkos sind bereits neu, neue Widerstände für die gebräunten Exemplare und Spindel-Trimmer zur Einstellung kommen noch dazu. Im Vordergrund sieht man die Eingangs-Transistoren, die bei diesem Konzept neben dem Offset auch den Ruhestrom in der Balance halten sollen. Die HF-Kompensation ist völlig anders als bei der ersten Variante, insgesamt haben die MK-II-Geräte dadurch messtechnisch auch eine höhere Bandbreite.

Die prinzipielle Stabilitäts-Frage für Hochfrequenz ist bei den MK-II-Versionen gelöst, die Stabilität und Einstell-Schwierigkeit des Ruhestroms war ja im Grunde nie ein wirkliches Problem, da blieb Schaltungs-technisch alles wie gehabt. Die Ruhestrom/Offset-Einsteller sind ab Werk von hoher Qualität und auf der Haupt-Platine montiert. Es war wohl mal ursprünglich vorgesehen, absolut ohne Trimmer auszukommen, nur wird da die Exemplar-Streuung und Temperatur-Drift der Eingangs-Transistoren ein Strich durch die Rechnung gemacht haben. Seit dem lebte man offensichtlich lange Zeit mit dem ursprünglichen Layout und kleinen Regel-Hilfs-Platinen.

Wie immer bei Musical Fidelity hat man sich aber nicht mit einem Problem-losen Gerät zufrieden gegeben und sich neue Pferdefüße geschaffen. Hier ist es nun das Platinen-Material, an dem das Kupfer ohnehin schon schlecht haftet - in Verbindung mit oft viel zu kleinen Löt-Pads unter zu klein dimensionierten Widerständen. Da hat man zwar die Beine unten umgebogen, damit das besser hält - doch ist der Schaden an so einer Stelle dann erst mal fort geschritten, wird es damit noch schwieriger, das Bauteil zu wechseln, ohne das Kupfer der Leiterbahnen vom Träger-Material ab zu ziehen.

in der Vergrößerung zu sehen: blaue Spindeltrimmer und MOX-Widerstände - dieses Caruso-Board (B1 MK-II) hat auch einen kompletten Satz neue komplementäre Endtransistoren erhalten - MJ15015/MJ15016. Neben dem Lautstärkeregler wurde am IC die Verstärkung verringert - mit je einem Parallel-Widerstand in der Gegenkopplung - das lässt sich nach Bedarf schnell wieder entfernen.

Interessant ist, dass es beim B1 wie beim Caruso verschieden hohe Verstärkungs-Faktoren des Line-Vorverstärker ICs am Lautstärke-Regler gibt, die einen Exemplare holen hier nach dem Regler heftige 27dB (23-fach) auf, andere zeigen hier weit weniger - wenn ich das bei einem ab Werk leiser bestückten Caruso richtig im Gedächtnis habe, war hier 13-fache Verstärkung vorgesehen (also 6dB weniger). Da man mit einem normalen CD-Spieler an Lautsprecher mittleren Wirkungsgrads gerade mal auf 9:00 aufdrehen kann, wenn man die Zimmerlautstärke nicht weit überschreiten will, ist eine Verringerung bei den lauten Exemplaren sinnvoll - ggf. unter Ergänzung eines Kompensations-Kondensators gegen Überschwingen.

(fast) fertig montiert

Mit einem Caruso oder B1 MK2 (unter den A-Geräten mit einem David2 oder Avalon) hat der Kunde von Musical Fidelity also ein komplett überarbeitetes Konzept mit jeder Menge Fehler-Beseitigungen und Updates gegenüber den jeweiligen Debut-Varianten erhalten. Der Typen-Charakter wurde dennoch weitgehend beibehalten.
Beim B1 und Caruso unterscheidet sich der Aufbau zusammen fassend in folgenden Punkten:

  • unbedingt Schwingungs-stabile Ausgangs-Stufen
  • Endstufen-Schaltung jetzt symmetrisch und komplett komplementär
  • Kanal-entkoppeltes Haupt-Netzteil
  • etwas veränderte Schalter-Anordnung
  • überarbeitete Phono-Stufen
  • Standard-mäßig bestückte große Folien-Kondensatoren in verschiedenen Versorgungs-Bereichen
  • Einstell-Regler sitzen nicht mehr auf Hilfs-Platinen.

Viele weitere Details sind von Änderungen betroffen.

Und so macht auch ein MK2 in der Regel weniger Mühe bei Reparatur und Revision. Völlig fehlerfrei und überall richtig dimensioniert waren allerdings auch diese Geräte nicht, man sieht es an braun werdenden Widerständen im Ansteuer-Bereich der Endstufen, deren Lötstellen sich auch gerne mal lockern. Die Umschalter wurden billiger, allerdings dann auch zweireihig/doppelt belegt.
Alles in allem jedenfalls ein eher unproblematische zweite Generation.

Klanglich sind die MK2-Geräte gleichmäßiger und unauffälliger als Ihre Vorgänger, also deutlich universeller, jedoch auch mit deutlich vermindertem Charme - fragt sich was man haben will. Bei der zweiten Generation bekommt man jedenfalls mehr Vielseitigkeit in Bezug z.B. auf die Kombination mit unterschiedlichen Lautsprechern. Und auch deutlich geringere Ausfallquoten - zumindest bei nicht oder nicht gekonnt revidierten Geräten.

B1 erste Generation - schöner Entwurf, unfertig verkauft

an einem B1 der frühen Sorte habe ich nämlich so etwa eine Woche verbracht, wohl weil ich das Unmögliche nicht rechtzeitig gedacht habe, doch schön der Reihe nach:

Das Kundengerät war schon mal mit einem akuten Problem vor Jahr und Tag da gewesen, zu diesem Zeitpunkt habe ich noch Detail-Reparaturen durchgeführt und die Umschalter gereinigt. Jetzt gab es  - jedenfalls laut Kunde - Probleme mit dem Regler und irgendwelche Geräusche, also auf den Tisch damit und erst mal das Programm zur Verschleiß-Beseitigung durch gezogen. Alle Elkos wurden neu, überhitzte Widerstände ebenfalls, ein Augenmerk auf Styroflex-Kondensatoren der unzuverlässigen Tropfen-Form hatte ich auch und habe die pauschal ersetzt. Regler und Schalter auffrischen, Druckschalter ersetzen. Nach dem das Einstellen der Endstufe ein wenig holperig schien, kamen hier Spindeltrimmer zum Einsatz.

Übersicht des revidierten Geräts der ersten Generation - um zu zeigen, was bei der Bearbeitung alles mindestens berücksichtigt, meist auch bearbeitet bzw. erneuert wird, das nächste Bild:

...trotz großen Bearbeitungs-Umfangs ist der B1 in jeder Fassung zugänglicher und schneller zu handhaben, als seine heißen Kollegen von der A-Fraktion...

Die Phono-Vorstufe hat fast nur noch neue Kondensatoren im Entzerrer-Teil - die Elkos sind ausgelutscht, den ausgebauten, tropfenförmigen Styroflex-Kondensatoren traue ich nach etlichen Exemplaren mit Feinschluss nicht weiter, als ich sie schmeißen kann...

Geht zusammen genommen nicht ganz schnell, aber nach ein paar Stunden ist man damit rum. Und nun kam der Abgleich, der wollte auch mit den präzisen Einstellern nicht gelingen. Die Schaltung "kippte", will sagen: der Ruhestrom "sprang" - gemessen an einem Paar der Endstufen-Widerstände ging die Spannung mit einer Viertel-Umdrehung plötzlich von 8mV auf 80mV - dabei verschob sich genauso schnell der Offset.

Das war ungewöhnlich und ich brachte es erst mal mit meiner Überarbeitung in Zusammenhang. Doch wo immer ich einen oder mehrere Schritte rückwärts ging, es gab einfach keine Besserung. Das Gerät ließ einfach keine vernünftige Einstellung zu, normal wäre ein (etwas driftender) Wert zwischen 10 und 20mV an den gleichen Messpunkten. Unerreichbar.


Das gab den Anlass, die Schaltung genauer unter die Lupe zu nehmen. Zuerst machte ich mich an einen Punkt, der mir schon lange ein Dorn im Auge war: der Ruhestrom wird anhand der Spannung an den Endstufen-Widerständen geregelt, als Vergleicher dient die Eingangsstufe, gemessen wird eines der beiden Pärchen, das andere fährt einfach so mit. Mit Toleranzen in den Transistoren (insbesondere bei unterschiedlichen Temperatur-Abhängigkeiten, denn die Transistoren haben ja keinen ausgleichenden, gemeinsamen Kühlkörper und definitiv ein PTC-Verhalten) gibt es also deutliche Abweichungen bei der Erwärmung, der Ruhestrom wird dabei vom einen Paar und nicht vom Durchschnitt beider Paare bestimmt. In der unteren Schaltungs-Hälfte gibt es zudem trotz Parallel-Schaltung keine den Strom gegenkoppelnden und damit der Exemplar-Abweichung entgegen wirkenden Emitter-Widerstände.
Das habe ich bei diesem B1 erst mal geändert, indem ich die beiden Paare über Widerstände gekoppelt gemeinsam in die Gegenkopplungs-Schleife gab. Nun hat sich die Erwärmung tatsächlich etwas besser verteilt, das Problem mit dem "kippenden" Ruhestrom aber blieb.

 

Die ergänzten Ausgleichs-Widerstände um bei der DC-Gegenkopplung den Durchschnitt der beiden Endstufen-Paare zu berücksichtigen - der Basis-Emitter-Kondensator ist der später dazu gekommene "dominante Pol" und sorgt für HF-Stabilität.

Die nächste Betrachtung bezog sich auf die unsägliche Asymmetrie der Spannungswerte an den je zwei Widerständen der Endstufe, der Minus-Zweig wies immer von Haus aus bereits 5mV Grund-Strom auf - ganz einfach, weil einer der positive Treiber seinen Kollektor-Strom in den Ausgang speiste (siehe Schaltplan weiter unten), der negative aber an Masse abgab. Dabei kann man denken, dass das ja auch schon einen definiert schönen Bias-Strom abgibt, vielleicht sogar genau diese Absicht dahinter stand. Doch Strom ist der eben einseitig und verfälscht vor allem die Einstellung des Ausgangs-Quartetts und die Symmetrie des Nulldurchgangs samt zugehörigem Klirr-Spektrum - und führt sogar zu unterschiedlicher Erwärmung der Treiber.

Hier kam dann zum ersten Mal das Nachfolge-Modell MKII aus meinem Eigen-Regal als Muster zum Einsatz. Dort nachgesehen stellte sich heraus, dass man einerseits von der Quasi-Komplementär-Stufe der ersten Generation auf echte Komplementär-Transistoren umgestellt hatte und dass zweitens tatsächlich die Treiber beide mit dem Kollektor an den Ausgang angeschlossen waren. Damit lässt sich der Ruhestrom in der eigentlichen Endstufe nun auch wirklich auf "0" abdrehen, denn in der Balance fließt der Treiberstrom dann an der Endstufe vorbei vom einen Treiber zum anderen. Diese in der ersten Generation sehr einfach anzuwendende Änderung brachte den Erfolg, dass man nun wirklich unter 4mV an den Widerständen abdrehen konnte. Und nun kippte die Messung eben von 4mV auf  knapp 80mV - entspricht etwa einem Sprung von 4mA auf 90mA und einem Sprung der Ruheleistung von einem Drittel auf ca. 7W pro Kanal - von "merkt man keine Erwärmung" auf "richtig heiß nach einer Viertelstunde".

Ich habe die vergleichenden Eingangs-Transistoren alle gegen unzweifelhaft erstklassige und neue Exemplare aus durchgehend gleichen Fertigungs-Chargen getauscht. Kein Erfolg. Zeitweiliger Rückbau der neuen Kondensatoren - keine Besserung.

Sowohl die Kondensatoren der Gesamt-Kompensation, als auch beide Kollektor-Widerstände der Treiber sind jetzt direkt am Ausgang angeschlossen

Und dann habe ich - was ich für den Ruhestrom-Abgleich bisher nicht in Betracht gezogen hatte - mal den Ausgang überwacht, ob da noch auf dem Oszilloskop noch irgendetwas auffällt beim "Kippen". Und da wurde es klar: der Sprung im Ruhestrom war ein Sprung in die Hochfrequenz. Ab einem bestimmten Endstufen-Strom fing die Schaltung an zu schwingen.

Und damit fiel es mir nach der richtig langen Suche nach einem DC-Kippen wie Schuppen von den Augen. Man musste sich mal die Schaltung selber genauer betrachten, wieso das instabil werden konnte und ob man beim Nachfolger dagegen etwas unternommen hatte. Und tatsächlich stellte sich heraus, dass die Kompensation dieses Frühwerks alles andere als vorbildlich war. Es gab drei Eingriffs-Punkte, ein RC-Glied am Ausgang des Vergleichers (korrekt), eine mit 100pF sehr satte Kapazität parallel zu jedem der beiden Gegenkopplungs-Widerstände (auch korrekt) und für beide Schaltungs-Hälften unterschiedlich eine recht kleine Kapazität im Spannungsverstärker. Letzteres ist völlig daneben, entweder man setzt an dieser Stelle einen "dominanten Pol" (siehe unten), oder gar keinen, die gewählte Variante erzwang nahezu eine zu hohe Gesamt-Phasendrehung, da sie den Spannungs-Verstärker etwa gleich langsam wie die nachfolgende, unkompensierte Endstufe machte. So etwas ist durch die doppelte Phasendrehung von bis zu je 90° ab einer bestimmten Grenzfrequenz wie geschaffen dafür, aus der Gegenkopplung eine Mitkopplung und aus dem Verstärker einen Oszillator zu machen.
- war er ja dann auch geworden -
Was sagt Murphy dazu? "Verstärker schwingen immer, Oszillatoren nie..."

MF B1 schematic Schaltplan original

oben: die Original-Schaltung eines frühen B1, den Plan findet man im Internet mehrmals - das erwähnte Gerät mit Schwingneigung entsprach nahezu exakt diesem Plan - nur R40/R46 fehlten.
unten: meine Modifikationen, orientiert am Nachfolger
Um den jeweiligen Schaltplan in voller Auflösung sehen zu können: Rechtslick und "Grafik anzeigen" wählen. Auch dieser Plan nur als Orientierungshilfe und ohne jegliche Gewähr.

MF B1 schematic Schaltplan modified

Ein paar Überlegungen weiter war der "dominante Pol" des Nachfolgers, der an den End-Transistoren angebracht ist, auf das ältere Modell übertragen, die Kapazität des Spannungsverstärkers zu dessen Beschleunigung entfernt und die - für die Schaltungs-Hälften doppelte - Über-Alles-Kompensation direkt vom Ausgang her angeschlossen (um die neu eingefügten Verteil-Widerstände für Hochfrequenz-Anteile zu umgehen). Unter "dominantem Pol" versteht man eigentlich eine Eigenschaft der Verstärkungs/Phasen-Funktion der Schaltung. Zuständig für diese Eigenschaft ist diesem Fall ein Kondensator, der alle anderen Phasenknicke im Bode-Diagramms des Geräts "überdeckt" und damit die Gesamt-Phasendrehung im Verstärkungsbereich unter 180°(=stabil), ja möglichst sogar unter 90°(=ohne Überschwinger) hält - um das Stabilitäts-Kriterium nach Nyquist zu erfüllen - siehe auch unter "Regelungstechnik" und "Nyquist-Diagramm".

Und die Schaltung ist nun - oh Wunder - in allen Belangen absolut Hochfrequenz-stabil.
...kaum macht man's richtig, schon funktioniert's,
nach dieser Änderung ließ sich der Ruhestrom, bei "0" angefangen, ohne Probleme auf die gewünschten 10mV an den Endstufen-Widerständen einstellen - symmetrisch natürlich mit je 5mV.

Nach noch ein paar Kundenanpassungen wegen Lautsprecher-Wechsel sowie einem weiteren Ur-B1 eines anderen Kunden kam später folgende, vereinfachte Umbau-Fassung heraus. Hier blieb wegen des unbehebbaren asymmetrischen Verhaltend der Schaltung der eine Keramik-Kondensator sogar erhalten - denn die (obere) Sziklay-Hälfte ist unter Last instabiler, sie führt nach der Änderung MIT den 68pF tatsächlich weniger Eigenleben, als ohne. Die Berücksichtigung des Ruhestroms im zweiten Paar habe ich wegen Unwichtigkeit wieder aufgegeben - Empirie... :

MF B1 schematic Schaltplan modified

Die bekannte Drift des Ruhestroms, insbesondere bei geschlossenem Deckel, bleibt dabei allerdings - wie zu erwarten war - erhalten. Damit hat es folgende Bewandtnis:
Bei konventionellen Endstufen hängt der Ruhestrom von einer einstellbaren und Temperatur-kompensierten Vorspannung für die Ausgangs-Stufe ab - und von der Temperatur der Endstufen-Bauteile selber. Das Verhalten der eigentlichen Ausgangs-Stufe ist bei Verwendung von Bipolar-Transistoren und oft auch bei nicht allzu warmen MOS-FETs  mit Bipolar-Treibern ein PTC-Verhalten, das heißt: je wärmer, desto niederohmiger. Bedeutet auch, dass Erwärmung zu mehr Strom und der wieder zu größerer Erwärmung führt.
Führt nun der Kühlkörper nicht durch eine großzügige Auslegung so viel Wärme ab, dass der Effekt bei einer noch ungefährlichen Temperatur zum Stillstand kommt, kann sich diese bis zum Kollaps auf schaukeln. Nur die Kompensation durch Wärme-Verringerung der Vorspannung kann dem entgegen wirken. Würde man dieses Standard-Verfahren zur Ruhestrom-Einstellung auf den B1 mit seinen Finger-Kühlkörpern übertragen, ohne deren Temperatur zu überwachen und automatisch gegen zu steuern, würde vermutlich kein B1 die erste halbe Betriebs-Stunde überleben.

Nur hängt der Ruhestrom des B1 eben nicht von der Temperatur der End-Transistoren ab - nicht nur ein bisschen weniger als bei Standard-Verstärkern, sondern absolut überhaupt nicht. Die Ruhestrom-Einstellung wird nämlich über die Eingangs-Vergleicher vorgenommen. Die sitzen weit weg von der Endstufe und deren momentaner, thermisch abhängiger (Eingangs-) Offset beeinflusst zwar den Ruhestrom heftig, doch solange die Eingangs-Transistoren nicht unterschiedlich erwärmt werden, besteht keinerlei Risiko einer gefährlichen Eskalation. Auch nicht bei noch so belasteter Endstufe. Bei Erwärmung der End-Transistoren driftet der Ruhestrom also nicht in eine bestimmte Richtung, sondern einfach nur genauso, wie er immer driftet. Und diese Drift ist immer so etwa zwischen dem doppelten und der Hälfte des einmal richtig eingestellten Mittelwerts.
Das ist ein großer Vorteil gegenüber Standard-Konzepten, denn diese haben meist eine durch die Wärme-Kapazität des Kühlkörpers verzögerte, entsprechend phasen-verschobene, damit potentiell instabile Kompensation. Die Temperatur der Endstufe schwankt abhängig vom Ruhestrom, der wiederum reagiert (verzögert) auf die Temperatur. Meist ist das sogar ein Unter- oder Über-Kompensation, so dass nach wie vor eine große Abhängigkeit des Ruhestroms von der Temperatur der Transistoren besteht. Nach einer Weile Belastung stimmt bei den meisten anderen Verstärkern der eingestellte Wert nicht mehr, weil sie sich erwärmt haben.

Wenn jedenfalls in Foren von "heiß laufenden" B1 die Rede ist und von deren unglaublich schwer zu justierenden Ruheströmen: hakelig ist das zwar schon mit den zwei Potis schöne Mittelwerte von ca. 5mV je Endstufen-Widerstand bei möglichst absolutem 0-Offset hin zu bekommen, doch bei intakter und stabil kompensierter Schaltung ist das an sich kein Problem - und auch kein Risiko.
Viele der Verzweifelten werden allerdings genau auf das hier beschriebene Erst-Generation-Problem gestoßen sein. Und da hilft gar nichts, außer Umbau der fehlerhaften Schaltung. Musical Fidelity hatte nun mal damals gute Entwürfe, aber auch eine grottenschlechte Qualitäts-Sicherung in einer unsäglichen Fertigung.

Eines muss man zur Verteidigung des Entwurfs (nicht der Durchführung) auch unbedingt hinzu fügen:
wenn Sie nicht (oder nicht mehr) schwingt, dann klingt die erste Variante unter den B1ern auch am besten, da mag sich in der MK2-Variante manches grundlegend fertigungstechnisch verbessert haben, die späteren Exemplare laufen einfach ab Werk durchgehend stabil(er). Doch wieder mal macht der (verbesserte) Erstling im direkten Vergleich mit seinen gleichnamigen Nachfolgern das Rennen, wenn beide tip-top revidiert gegeneinander antreten. Der Älteste klingt am lebendigsten und feinsten. Und ich würde den B1 allgemein sogar als einen der am meisten unterschätzen Verstärker bezeichnen, denn er kann "großes Kino" spielen, bei einer Bauhöhe von nur ein paar Zentimetern. Dazu sind viele andere Geräte bei einem Vielfachen des Aufwands, Preises und Gewichts absolut nicht in der Lage.