Endverstärker

Musical Fidelity A370

Im Kundenauftrag Elektronik komplett revidiert und aktualisiert

Eigenschaften

  • Gigantische, schwere Sterero-Endstufe
  • durchgehender dual-mono-Aufbau
  • durch MOSFET-Leistungs-Transistoren mit (versteckter) Strombegrenzung durch Anwender-Einwirkung nahezu unzerstörbar
  • die Leistungs-Transistoren arbeiten ohne lokale Gegenkopplung
  • hoher Class-A-Bereich mit kräftiger Erwärmung, dabei aber nicht mal ansatzweise im gesamten Leistungsbereich Class A - unabhängig davon extrem sauber und kräftig klingend.

Revision

  • siehe Text

Der Monster-B200

Erst vor kurzem war ich auf den B200 aufmerksam geworden, der meiner Wahrnehmung bei der ersten Begegnung doch eher ein wenig entgangen war. Aufgeweckt hatte mich da die Erfahrung mit einer ABACUS-Endstufe, die tatsächlich hielt, was die Hersteller-Theorien vorher sagten. Wenn man Leistungstransistoren ohne lokale Gegenkopplung betreibt, kann man einen hohen Dämpfungsfaktor zwar nur noch über die Gesamt-Gegenkopplung herstellen, der differentielle Innenwiderstand des eigentlichen Stromverstärkers ist höher. Doch dafür entfallen etliche Artefakte besonders beim Schalten der Leistungsstufe, wenn sich zeitweise oder dauernd im Zusammenspiel von Signal und den beiden Gegenkopplungen in der Haupt-Schleife völlig chaotische, disharmonische Effekte aufschaukeln. Die Schaltungsweise des B200 entspricht weitgehend den ABACUS-Endstufen und die Art von Sauberkeit und für seine eher dünne Netzteil-Ausstattung auch ungewöhnlichem Druck bis zu der Grenze, an der das schwache Netzteil das Geschehen zu dominieren beginnt, die gute Rhythmik, all das hat ein intakter B200 mit einem ABACUS gemeinsam. Und als erstmals ein Kunde einen der seltenen A370 zur Revision anmeldete war ich aufgrund dieser Vor-Erfahrung bereits äußerst gespannt. Natürlich auch darauf, welche Verhältnisse ich vorfinden würde - das Gerät war ja betriebsbereit. Von einem "schwachem Netzteil" brauchte ich hier bereits anhand von Fotos aus dem Netz nicht ausgehen, doch wie hoch wäre die Versorgungsspannung und wie heiß würden die riesigen Kühlkörper werden? Das war vorab nicht heraus zu bekommen und völlig unklar. Auch wo im Gerät tatsächlich Verschleiß zu erwarten wäre und wie stark blieb abzuwarten.

Dann kam das lange überfällige Gerät, verspätet, weil der Kunde es zeitweise einfach nicht heben konnte. Auch hier wurde es dann eigentlich nur auf einem Rollbrett bewegt.

Hier der erste Blick hinein:

zwei Netztransformatoren in der Kilowatt-Liga, zwei Netzteil-Batterien und flächige MOSFET-Endstufen-Boards an den Kühlkörpern. Eigentlich "schlicht"

Übersichtlicher Aufbau eines Leistungs-Boards, links ist "oben" mit dem Eingang(s-OP), rechts ist die sonst unten liegende Versorgung

Die tatsächliche Reihenfolge der Bearbeitung war dann: ein Endstufen-Modul, beide Netzteile, die andere Endstufe, die Zusatz-Beschaltungen und schließlich ein-messen.

Die Endstufen-Boards

die habe ich erst mal samt der Abstand haltenden Alu-Vierkante von den Kühlkörpern getrennt, danach mit ein paar Schrauben die Leistungstransistoren an den Vierkanten fixiert, um Verbiegen und abknicken zu vermeiden. Und dann der Blick unter das Board. Schon von oben fiel auf: manche Widerstände hier werden extrem heiß.

Von unten betrachtet waren an allen Zement-Widerständen die Lötstellen gelockert.

oben und unten: lockere Lötstellen an den Leistungs-Widerständen

Nur ging mir der Sinn der beiden jeweils äußeren Leistungs-Widerstände mit Ihren asymmetrischen 1k und 1,5k absolut nicht auf, denn die lagen einfach nur zwischen der jeweiligen Versorgungsspannung und Masse - ein reine Heizung, bei einem reinen B-Verstärker maximal noch geeignet durch genügend Grund-Last die Ladestom-Spitzen zu verbreitern und zu senken - doch hier? Sinnlos. Da Fotos aus dem Netz auch zeigten, dass diese Positionen später ausnahmslos nicht mehr bestückt wurden, habe ich diese vier Widerstände einfach ersatzlos entfernt.

Blieb der jeweils mittlere, den braucht die Schaltung und auch der wird kräftig heiß - den konnte man nur sorgfältig nachlöten, wenn man keine komplette Um-Konstruktion haben wollte. Vertretbar, da hier kein großer Schaden entstehen würde, die Endstufe würde halt Strom-los und still, falls hier tatsächlich mal eine Lötstelle aufgibt.

Rückseite des Boards. Alles recht sauber entworfen

revidiertes Board in der Übersicht

Im Laufe der weiteren Bearbeitung fielen etliche kleine Entscheidungen - z.B. den Ersatz der lokalen Stützkondensatoren der Versorgung von 4x 47µF auf (Baugrößen-gleiche) 4x 220µF Panasonic-FC-Kondensatoren umzustellen (untere Grenzfrequenz bei 8 Ohm Last vorher ca. 200Hz, nachher ca. 45Hz).

Eingangs-Seite aus Richtung "unten"

Es fand sich, dass bei einer Reparatur gepfuscht worden war und die Kompensation durch falsches Ablesen und Ersetzen von Styroflex-Kondensatoren dem einen Kanal die Höhen geraubt hatten, dass Kunstharz-vergossene Transistoren mit Aussetz-Neigung (Näpfchen-Transistoren) im Einsatz waren, es wurden für die vorgefundenen rissigen Styroflex-Kondensatoren weitgehend haltbare WIMA FKP-Typen eingebaut, der Fußpunkt-Kondensator der Gegenkopplung wurde bipolar um weniger zu verzerren, der Ausfall/Drift-gefährdete-Plastik-Piher-Ruhestrom-Trimmer durch einen dauer-stabilen Bourns-Spindeltrimmer ersetzt.

Eingangs-Seite aus Richtung "oben"

Die Lötstellen bekamen ein sorgfältiges Augenmerk, die Kohleschicht-Widerstände des Zobel-Glieds wichen MOX-Typen.

Die Netzteile

ELNA-Becher-Elko mit Lötfahnen aus der Schellen-Befestigung ausgebaut

Die alten Elna-Becher waren durchaus noch schwer, man hätte sie vielleicht auch noch ein paar Jahre laufen lassen können, ihr klanglicher Anteil wird wohl leicht eher überschätzt bei dieser Schaltung, zumindest bei ziviler Lautstärke. Ich hatte das mit dem Kunden besprochen und er wollte eine auf absehbare Zeit haltbare Lösung. Internet-Fotos zeigten schadhafte Elna-Elkos mit Auslauf-Spuren, wir entschieden uns für Wechsel. Allerdings gibt es auf dem Markt verfügbar kaum mehr Elkos mit Lötfahnen, schon gar nicht bei 40mm Durchmesser wie hier, nicht mal bei dem vorgefundenen, sehr gängigen Wert 22000µF/63V. In guter Qualität konnte ich steckbare 5-Pin-Elkos auftreiben, je zwei Pins für Plus und Minus - mit der Schellen-Montage des Geräts aber sehr bedingt kompatibel stellte sich heraus. Das hat dann locker einen kompletten zusätzlichen Arbeitstag für die Lösung in Anspruch genommen. Dabei habe ich das Netzteil wiederum angeregt von Fotos der Nachfolge-Version zusätzlich geändert. Auf Bildern sah man, dass Musical Fidelity später in der Mitte zwischen den je vier Elkos einer Spalte einen 1-Ohm-Leistungswiderstand eingefügt hatte um das Geschehen in Lade-und Sieb-Elkos zu trennen und die Brummspannung genauso wie die Ladestromspitzen zu Lasten eines kleinen Verlusts zu senken. Das Prinzip habe ich nun viel radikaler verfolgt, indem ich einfach die je vier Elkos pro Spannung ein Loch im Halteblech nach unten versetzt habe (da war noch eines frei) und oben einen nachbestellten zusätzlichen 4700µF Lade-Elko eingefügt habe. Zwischen dem und den restlichen je 88000µF wurde nun ebenfalls ein 1Ohm-17W-Zement-Widerstand eingefügt. Damit sind die Ladestromspitzen nochmals um den Faktor 9 geringer und die Spannung an den Sieb-Kondensatoren nochmals glatter und ruhiger. Das Netzteil ist in dieser Beziehung extrem "entstört".

Doch wie die Steck-Pin-Elkos überhaupt neu verdahten, durch die Haltebleche und (sich übrigens gegenseitig behindernden, weil viel zu eng stehenden) Halte-Schellen hindurch? Mit Draht was biegen?

Ich hatte 0,5mm Kupferblech, daraus habe ich per Blechschere kleine T-Stücke geschnitten, mir aus einem Stück 2,5mm durchbohrem Messing-Abstandhalter und einem im Bohrständer verkehrt herum eingespannten 2,0mm Bohrer eine Stanze gemacht und allen 32 T-Blechen je zwei Löcher verpasst, so dass sie nach dem Knicken auf die Pins passten.

So sieht das aus:

T-Bleche statt Lötösen

Und so wurden die montiert:

die Batterie von Sieb-Elkos für einen Kanal

neu neben alt

das Netzteil fertig montiert

Als die Netzteile endlich fertig waren ging es an die Wieder-Montage. Und die Inbetriebnahme der wieder am Kühlkörper montierten Leistungs-Module.

kontrolliertes erstes "Anfahren" und erste Grundeinstellung des Ruhestroms

Blieb noch die nicht allzu üppige Peripherie zu bearbeiten. Da war zunächst die Anlauf-Strombegrenzung des Monster-Netzteils. Die beiden kW-Trafos würden beim Einschalten nicht nur jeden Sicherungsautomaten in der Haus-Unterverteilung auslösen, auch der Netzschalter des Geräts würde andauernd verzundert ausfallen. Also wird über einen Vorwiderstand gestartet, da hatte man ursprünglich wohl auch nur einen eingebaut, später auf zwei erweitert und den zweiten unsäglich an die Rückwand geklebt. Der baumelte inzwischen an der Schaltung herum, das konnte nicht halten. Ich habe ihn mit Abstandhaltern über der Schaltung verschraubt wie den anderen, damit da nichts passiert.

oben vorher, unten nachher

Und auf Absprache mit dem Kunden kehrte auch erstmals Lautsprecher-Schutz in das Gerät ein. Würde nämlich wirklich mal eine Endstufe versagen und Gleichspannung an die Klemme geben, dann sorgt einfach nichts für ein Beenden dieses Zustands - außer dem Durchbrennen und Unterbrechen der Schwingspule des Basstöners. Also habe ich zwei ausgebaute "Crowbar"-Schaltungen aus QUAD 405-Endstufen je einseitig neu bestückt und die Lautsprecher-Klemmen damit nachgerüstet. Bei etwa einer halben Sekunde mehr als 30V Gleichspannung zündet jetzt ein TRIAC und schließt den Ausgang kurz - wodurch die Sicherung auslöst, vor allem aber der Lautsprecher aus der Lebensgefahr wieder befreit wird. Diese Schaltung löst zuverlässig nur dann aus, wenn die Endstufe ohnehin bereits defekt ist, mischt sich ansonsten klanglich nicht ein. Im Gegensatz zu einem Lautsprecher-Relais, das einerseits verzunderte Kontakte bekommen kann, die den Klirr erheblich steigern, andererseits im Ernstfall oft versagt, weil es die Kontakte bei hohen Gleichströmen nicht schaffen, die Last zu trennen, stattdessen Lichtbogen bilden oder verschweißen. Und ich hatte es noch nicht erwähnt: diese Endstufe läuft mit ca. +/-60V, da wird es wirklich in jeder Beziehung schwer für ein Relais. Im Profi-Analog-Endstufen für PA-Anwendung findet man bei kräftigen Exemplaren daher auch nie ein Relais, sehr häufig aber eine "Crowbar". Frage der Zuverlässigkeit. 

Der Ruhestrom, der Arbeitspunkt

Und damit konnte ich auch ein wenig ins Rechnen einsteigen. 2x 60V bedeutet bei dieser nahezu komplett durchsteuerbaren Schaltung eine sofort verfügbare Leistung von 225W an 8Ohm und 450W an 4Ohm.

Wollte man bei einer so hohen Betriebsspannung echtes Class A auch nur für 8-Ohm-Widerstände verwirklichen (Lautsprecher-Impedanzen sind von Natur aus noch anspruchsvoller, daher für die Berechnung "nur" eine realer Widerstand), dann müsste man 7,5A Ruhestrom, also eine Ruheleistung von 900W einstellen. Für 4Ohm natürlich das Doppelte. Ersteres geht kurzzeitig vielleicht. Aber nur für den Trafo, die Kühlrippe könnte 900W auf keinen Fall sicher längere Zeit "verbraten", anhand deren Verhalten würden 900W hier erst bei einer Temperatur von um die 270°C abgegeben. Da wären die MOSFETs längst nur noch Matsch, ganz abgesehen davon, dass eine Gehäuse-Temperatur von 70°C-80°C bereits sehr leicht zu Verbrennungen beim Berühren führt. Also für Class A im eigentlichen Sinn bei dieser hohen Versorgungsspannung sind Gehäuse, Netzteil und Kühlung noch bei weitem zu klein.

Anhand der vorgefundenen Einstell-Werte und der Kunden-Aussagen war da auch ursprünglich weit weniger vorgesehen. Vom B200 mit seinen ca. 100mA pro Kanal hoch gerechnet wäre ein halbes Ampere normal, im Netz fand sich, dass spätere B370 mit 200mA pro Transistor - also mit 1A Ruhestrom betrieben wurden. Und damit lief dieses Exemplar zu ca. 55°C an den Kühlrippen hoch, heiß genug für meinen Geschmack. aus diesem Wert ergeben sich genau 4W Class A an 8Ohm und die Hälfte an 4 Ohm. Würde man wie vorgefunden bei 1,1A bleiben, erhöht sich das auf ca. 6,25W Class A, die Wärmeleistung steigt von 120W auf 132W pro Kanal und schon ist die Temperatur bei 58°C.
Bei frühen Exemplaren der A370 sollen satte 1,5 oder gar 2 Ampere eingestellt gewesen sein, das entspräche 72°C bzw. 88°C (alle Messungen bei 22°C Raumtemperatur). Also da bleibt die Endstufe natürlich eine Weile intakt, nur dass der Verschleiß natürlich exorbitant ausfällt und man das Gerät auf keinen Fall anfassen sollte. Dennoch erreicht man auch bei 2A Ruhestrom gerade mal 16W Class A an 8 Ohm und die Hälfte an 4 Ohm. Alles Quatsch also, die 55°C sind ein guter Kompromiss, bei dem man auch lange am Gerät Freude hat. 

Ruhestrom einmessen im Dauerlauf

Und die Netz-Stromaufnahme dabei...

Beurteilung

Und wie klingt die Endstufe denn eigentlich?

Ich hatte schon große Hoffnungen nach all dem gewaltigen Aufwand. Aber ich hatte immer noch weniger erwartet. So eine Maschine erwischt einen, wenn man eigentlich gar nicht "mit Wundern" rechnet, dann doch leicht auf dem falschen Fuß.

Also nicht dass da andere Töne raus kommen. Auch nicht dass es nicht auch andere schöne (Monster-)Endstufen gibt. Doch trotz ihrer Unhandlichkeit, ich verstehe den Kunden, der sie liebt (da kam auch eine ganz überragende Kritik nach der Abholung, es hat sich wohl doch einiges zusätzlich getan mit der Überholung). Derart unangestrengt, locker, flockig gewaltig und dennoch freundlich-unverzerrt und Detail-reich...

So was müsste es nur noch in klein geben, so oder so zählt sie nun für mich zu den richtig Großen - und zwar zu den saubersten unter den Großen. Auf die blöden Bezeichnungen kommt es hier nämlich gar nicht an - "Class-A" oder "nicht-Class-A", Hose wie Jacke. Eigentlich haben wir hier sogar nur was wie einen erweiterten, ja voll ausgebauten, sehr schnellen Operationsverstärker vor uns, bei dessen Erweiterung auf viel Leistung so gut wie keine Fehler unterlaufen sind. Das ist alles sehr gekonnt angefügt.
Die gelungene Schaltung wird zusätzlich untermauert von einem "Geschoss" von Netzteil und ohne jeden Firlefanz. Das Ganze läuft unglaublich feingliedrig, ohne irgendwelche Grenzen spüren zu lassen. Übliche Fehler durch chaotische, disharmonische Verzerrungen lässt das Konzept - wie schon beim B200 - nicht zu, das bisschen Klirr durch den nicht vollständigen A-Betrieb vermag ich nicht heraus zu hören. Zumal die Transistor-Abschalt-Grenze an normalen Lautsprechern ohnehin sehr hoch liegt und die hohe Über-Alles-Gegenkopplung das nahtlos weg bügelt, während Sie für überragende Kontrolle sorgt. SO darf man Gegenkopplung auch anwenden, in dieser Form ist sie kein Gift für den Klang - hören Sie da nicht auf die "zero-feedback"-Fanatiker, hören Sie sich lieber das hier an. Und einen Abglanz davon können Sie auch mit einem B200 oder einem ABACUS erleben, nur dass die halt gerade an kritischen, Strom fordernden Boxen leichter "ins Schwimmen" geraten, weil sie kein derart gewaltiges Netzteil zur Unterstützung besitzen.

einfach riesig

Ganz großes Kino ist hier jedenfalls mal sehr wörtlich zu nehmen.