Vollverstärker

Meracus Onesta - erste Version

zwei Geräte im Kundenauftrag generalüberholt

Revision:

  • Austausch aller Elektrolytkondensatoren,
  • neue Einstell-Trimmer
  • umfassend neue Transistoren, Austausch defekter Endstufen und aussetzender BC/BF-Typen

Eigenschaften:

  • Gehäuse MDF hochglanz-lackiert
  • bedruckte Glasplatte als Abdeckung
  • 5 Line Eingänge
  • Tape Schleife
  • Phono-Vorverstärker

Deutsches 80er-Jahre HighEnd

Nicht nur in England hatte man in der ersten Globalisierungs-Welle während der Reagan-Zeit schnell genug von der nachlassenden Industrie-Qualität und den verpassten Detail-Möglichkeiten der Allerwelts-Produkte genug.

Gegenwehr gab es auch aus Deutschland, Firmen wie Schäffer&Rompf, Brinkmann, Symphonic Line und viele andere sahen sich durch den industriellen Abbau bald in einer Boom-Phase - auch Meracus versuchte zu dieser Zeit zu zeigen, wie man es besser macht. Und zeigte tatsächlich viel versprechende Ansätze.

Der größere Vollverstärker

Vom Schaltungskonzept her unterscheidet sich der Onesta ( = der Ehrliche) wenig vom Intrare
( = der Eingang), dem Meracus Einstiegs-Modell. Man hatte allerdings ein Dual-Mono-Konzept gewählt, zwar "nur" mit Kanal-getrennten Doppel-Wicklungen auf einem mächtigen gemeinsamen Trafo-Kern, doch ansonsten mit konsequenter Trennung der Kanäle auf zwei Etagen. Sogar die Endstufen-Kühlung ist nicht mit einem gemeinsamen Block zusammen gefasst, sondern jeweils einer der übereinander angeordneten Endstufen-Platinen zugeordnet.

Besonders auffällig sind zwei Merkmale: die Verdrahtung mit relativ dünnem Volldraht und die konsequent sternförmige Masseführung. Ersteres ergibt eine Minimierung der Stromverteilung und der Wirbelstrom-Verzerrungen und führt zu einem mehr Mitten-betonten, weniger breitbandigen Verhalten. Das zweite vermindert bzw. beseitigt Strom-Verkopplungen, so dass nicht durch die unvermeidlichen Leitungswiderstände den Signal-Spannungen oder den Bezugspunkten die Spannungs-Abbilder anderer, kreuzender Stromflüsse aufgedrückt werden.

Die Masse- und Verkopplungs-arme Bauweise ist in diesen frühen Onestas durch die gleiche Ausgangs-Stufe wie im Intrare unterstützt, wieder begegnen uns hier die europäischen komplementären Audio-Typen BD911 und BD912. Diese sind weder schnell wie mancher Japaner, noch so belastbar wie dicke Amerikaner, doch mit einem unauffällig-warmen Klirrspektrum und völlig unkomplizierter Handhabung.
Im Onesta sind pro Kanal je vier Paare davon im Einsatz, mit simpler Darlington-Ansteuerung und schlichter Ruhestrom-Einstellung. Leider stellte sich der Ruhestrom-Regler in seiner etwas leichtsinnigen Beschaltung als nicht hinreichend zuverlässig und mit seinen Aussetzern als Ausfall-Grund heraus, Abhilfe ist hier entweder ein Umbau oder der Einsatz eines zuverlässigeren Trimm-Reglers, der zweite Weg ist zumindest originaler und einfacher. Wobei der Ersatz des Trimmers auf der unteren Ebene wegen der Achse des Lautstärke-Reglers schwierig ist, ein stehender 25x-Einsteller ist zu hoch, ein Abgleich durch das Platinen-Loch bei voll gekapselten Modellen von unten ohnehin nicht machbar. Das zwingt zu einem Vor-Abgleich, bevor die zweite Platine eingebaut wird.

Eine weitere Ausfall-Quelle besteht in der Bestückung des hier modular ausgeführten Spannungs-Verstärkers. Die 80er-Jahre Röderstein-Elkos neigen zum Auslaufen, zu hohem Innenwiderstand und Kapazitäts-Verlust. Die in der eigentlichen Spannungs-Verstärker-Stufe eingesetzten BF-Transistoren neigen nach der Zeit zu Korrosions-Aussetzern an den inneren Verbindungen. Ersatz für die Elkos sind bei mir neue, langlebige Panasonic-Typen, für die obsoleten BF-Transistoren habe ich einen mindestens gleichwertigen Ersatz von Fairchild gefunden, gleicher Verstärkungs-Grad, ähnliche Kapazitäten und Transit-Frequenzen, aber im Gegensatz zu den ursprünglich eingesetzten Typen in Sachen Linearität für den klirr-armen Audio-Betrieb vorgesehen. Bei den in zwei Geräten vorgefundenen vier Modulen habe ich auch die Trimmer und die Kleinsignal-Transistoren erneuert bzw. vereinheitlicht.

Für eine sichere Handhabung bin ich auch nicht umhin gekommen, mich etwas genauer zu orientieren und daher habe ich mir anhand der beiden Onestas den Schaltplan heraus notiert.

Das größte Beschaffungs-Problem konnte ich (vorläufig) übrigens nur zur teilweisen Zufriedenheit lösen: die axialen Netzteil-Elkos. Hier waren güldene Rödersteine, sogar durchgehend 105°C-Typen im Einsatz.

Die sind mit dem Alter fertig, ich mag sie (oder was davon noch übrig ist) klanglich ohnehin nicht sonderlich. Bei F&T konnte ich noch einen Satz passender, hochwertiger Exemplare beschaffen, der Rest wurde mit billigerer 105°C Massen-Ware ersetzt, nicht allzu schlecht, aber auch nicht das Ende der Fahnenstange. Immerhin egalisiert die sternförmige Masseführung einige Elko-Probleme. Überrascht hat mich der Unterschied zwischen den beiden Onestas, einer hatte auf vergoldete Miniatur-Kontakte gesteckte Spannungs-Verstärker-Module, beim anderen waren Drähte durch entsprechende Löcher gezogen und umgeknickt verlötet worden. Bei dem zweiten Exemplar hatte man auch einige Massepunkte an der Platinen-Rückseite mit durchgehenden Kabeln vom Haupt-Sternpunkt an der jeweiligen Lautsprecher-Minus-Klemme direkt verlötet - nachdem sie kompliziert durch Lücken gefädelt worden waren. Ich habe da zuerst die vorgesehenen Klemmen wieder eingebaut, doch zeigte sich dabei im ersten Hörtest ein deutliches Brummen, das erst verschwand, nachdem ich (dann bei allen vier Endstufen-Modulen) die entsprechenden dünnen Leiterbahnen mit versilbertem Kupferdraht auf ein Vielfaches verstärkt hatte.

Außer den beiden Leistungs-Platinen sind im Onesta nur noch eine kleine Umschalt- und zwei Rand-Platinen eingebaut. An der Rückseite befindet sich die Eingangs-Platte, die die Cinch-Buchsen trägt, die Relais-Signal-Umschaltung und eine Line-Puffer-Stufe.

Über Eck schließt sich daran die Phono-Vorstufe an, ein Modul, das auch in den Intrare passt.

Versorgt wird beides in zwei Kanal-getrennten Strängen von den Leistungs-Modulen aus, gemeinsam haben die beiden Kanäle nur die Umschalt-Steuerung und eine Masse-Verbindung der beiden Lautsprecher-Minus-Quellen.

Akustische Eigenschaften

Im Grunde hat der Onesta die gleichen Tendenzen wie der Intrare, das bestätigte nicht nur der Schaltungs- sondern auch der Hör-Vergleich. Der Aufbau mag für den Service noch ein wenig verzwickter sein, als bei kleinen Bruder, doch sind Versorgung und Kühlung besser und die Strom-Führung konsequenter. Und so spielt er denn zwar nicht "krach-dynamisch" und auch nicht weniger Mitten- und Farb-betont als der Intrare, jedoch bodenständiger und selbstverständlicher, u.a. das größere Netzteil macht's möglich. Alles in allem würde ich das Gerät trotz völlig anderer äußerer Gestaltung akustisch in eine Reihe mit vielen Hand-gebauten Briten stellen - oder im weiteren Sinn in eine Reihe mit den handwerklich-handverlesenen Individual-Konstruktionen der 1970er bis -90er Jahre. Da gehört für mich akustisch übrigens auch so etwas wie der Revox A78 eingereiht.

Dieser erste Onesta glänzt im akustischen Zentrum, konzentriert sich auf die Gesangs-Register und wirkt besonders da äußerst sauber und authentisch. Auch hier mag es spätere Varianten ohne die ursprünglichen Leistungs-Transistoren geben, doch wie beim Intrare (oder Nait) sind die Generationen ohne BD911/912 vergleichsweise uninteressant.