General-Überholung Musical Fidelity

A100/A100-X - Revision

Kompakte Leistungs-Verdoppelung

Der Unterschied zwischen A1 und A100 ist rein quantitativ, wobei offensichtlich die Stellfläche beibehalten werden sollte. Wir finden im Gerät nahezu alles in gleicher Anordnung wieder. Wobei zur Leistungs-Verdopplung auch eine wesentliche Erhöhung der (Ruhe-)Wärmeleistung gehört, eine Erhöhung der eine Spannung und einiger Volumina um ca. den Faktor Wurzel aus Zwei. Entsprechend wurde das Gehäuse erhöht und die Bestandteile des Netzteils vergrößert. Um bei gleicher Fläche der Hitze noch Herr zu werden, entschied man sich, die Platine zu schützen, indem man per Lüfter den Hitzestau vertrieb - extrem teure und leise, Kollektor-lose Papst-Lüfter wurden auf engstem Raum integriert.

Und so sieht der A100(-X) innen wie außen dem A1 sehr ähnlich - und er klingt auch nach dem kleinen Vorgänger. Der Charakter bleibt im Grunde erhalten, nur die größte Schwäche des A1 wird deutlich gemildert: das dickere Netzteil und die höhere Betriebsspannung verleihen dem Konzept mehr Kontrolle vor allem (aber nicht nur) in den unteren Lagen. Im Grunde wird alles im gleichen Stil dargestellt, nur "fester".

Grundsätzlich alles ähnlich wie beim "kleinen Bruder" - die rot markierten Positionen werden bearbeitet, manche nur nach Bedarf. Erfahrungs-gemäß ist der Bedarf bei diesen Modellen sehr hoch...

Diese Erweiterung auf gedrängtem Raum hat allerdings bei der Revision auch ihre zusätzlichen Tücken. Nicht, dass man einen A100(-X) nicht genauso Betriebs-sicher überarbeiten kann, eher stellt das mechanische Gedränge und die Rechenfehler (besser: das fehlende Nach-Rechnen) der "Helden" im Entwicklungs-Labor bei der Bearbeitung noch weit größere Anforderung als die Revision eines A1.

Typisches bei der Revision - der A100-X in Bildern

Mit den Erfahrungen am A100(-X) ging es mir zuallererst so: es wurde immer deutlicher, dass der alte Pauschalpreis von 320€ ein Draufzahl-Geschäft sonder Gleichen war - das Gerät hat mich einfach regelmäßig ein vielfaches an Aufwand gekostet, wie er z.B. für einen A1(-X) nötig ist.

Und da der Typ seltener ist, kamen die Gründe auch erst so nach und nach ans Licht. Insgesamt war vor allem der Grund-Zustand im Schnitt deutlich schlechter. Das liegt zwar auch an der größeren Verschmutzung durch die Lüfter, doch im Grunde war es vor allem die Fehl-Dimensionierung der Zener-Versorgung in den Endstufen-Eingängen, die einen ganzen Rattenschwanz an Problemen nach sich zog. Die Spannung ist eben höher, sämtliche Widerstands-Werte im Leistungs-Bereich waren nahezu unverändert vom A1(-X) übernommen, bei dem die die Leistungs-Berechnungen für +/-24Volt völlig korrekt waren - die gleichen Werte und Baugrößen können nicht ungestraft in der gleichen Schaltung auch für +/-34V verwendet werden.

Hier ein Platinen-Beispiel, bei dem offensichtlich eine Vor-Reparatur vorlag, zu erkennen an den gewechselten Kollektor-Kabeln an den fremden End-Transistoren - und an den ebenfalls gewechselten und zusätzlich zum Normal-Verschleiß heiß gelaufenen Netzteil-Widerständen (an den großen, blauen Elkos).

Schaut man genau hin, sieht man schon in der Übersicht den gebrochenen Eingangswahl-Schalter. Diese Ecke sieht für den Techniker aus wie eine Musical-Fidelity-Grusel-Kollektion:
Die obsoleten Buchsen, die geflickten Massekabel nach einem früheren Schalter-Wechsel (Alps->Lorlin), die angeflickten Brumm-Kompensations-Schleifen, die falsch dimensionierten Widerstände und der durch Druck oder Schlag auf den Knopf weg gebröselte Schalter. All das umgeben von wieder mal völlig anderen Elkos, als man sie aus anderen Musical Fidelitys kennt.

Weitere Perspektiven des beschädigten, verschmutzten, verschlissenen und verbastelten Geräts

und man sieht, wie sich der Staub sammelt - kein Gerät für's Schlafzimmer

Die Erwärmung der falsch dimensionierten Widerstände sieht man hier deutlich. Von oben...

...und von unten

Da muss man einfach eine Etage tiefer einsteigen. Es haben sich meist auch schon Leiterbahnen rund um die Zenerdioden und Widerstände gelöst, lockere Lötstellen sind hier eher an der Tagesordnung (beim kleinen Modell gibt's das eigentlich nicht). Und selbst bei den weniger belasteten, doch dicht gedrängten Widerständen im Umfeld zeigen sich deutliche Hitzespuren. Wie gesagt: das kommt nicht von der Endstufen-Leistung, das ist einfach... technische Dummheit in der Fertigung, ein eingebauter Schwachpunkt.

radikal neu bestückt - richtig berechnete Widerstände, Entstör-Kondensator am Gleichrichter etc.pp.

die ganze Mangelhaftigkeit der Fertigung und auch der Vor-Reparaturen zwingt einen zu wesentlich mehr Detail-Arbeit an den braunen Stellen, zur Erneuerung (und sorgfältiger Stabilisierung - wie gesagt, die Leiterbahnen lösen sich bei der Hitze) von weit mehr Widerständen als im A1(-X). Auch die Kollektor-Kabel der End-Transistoren, die Transistoren selbst (teils wirr gewechselt), alles hat Folge-Schäden, die Isolierung ist oft verfärbt, hart und brüchig. Beim A100(-X) kommt es sehr häufig vor (übrigens auch bei den genauso betroffenen MA50[-X]-Mono-Blöcken), dass man schlicht alle Halbleiter in Netzteil und Endstufe erneuern muß, weil absolut nichts mehr zuverlässig arbeitet.

Der Schalter wurde mit gebrauchten Teilen repariert. Auf dem ganzen Bild sind kaum Teile zu finden, die nicht getauscht oder bearbeitet wurden.

 

Auch der A100(-X) bekommt neue LAPP-Lautsprecherkabel.

 

Selbst die Phono-Vorstufe musste bei diesem Exemplar wegen Verschleiß und Fremdeingriff weiter als gewohnt überarbeitet werden. Neue Transistoren samt Widerständen für die Versorgung und ein neues IC braucht man beim A1(-X) eigentlich nie.   

Das Ganze von der Seite. Zwischen den Massen der großen Elkos habe ich zwei Vorwiderstände für den Lüfter parallel geschaltet. Das reduziert die Drehzahl, das Geräusch und die Verstaubung. Der Luft-Vorhang-Effekt bleibt dennoch wirkungsvoll vorhanden und verhindert die Überhitzung der Platinen-Bauteile.

Nach Lösung der gefundenen Probleme allerdings - üblicher Weise unter Einsatz eines neuen Satzes (End-)Transistoren, also mit richtiger Berechnung, bleibt als einziges der genannten Probleme nur noch das (durch die Lüfter Prinzip-bedingte) Staub-Problem erhalten, alle anderen Ausfall-Gründe sind nachhaltig beseitigt. Ich gehe sogar so weit, dass ich die Ruhestrom-bestimmenden Widerstände (die in einigen Fällen AUCH nicht auf die andere Betriebsspannung umgerechnet sind), wenn sie einen niedrigeren Wert haben, auf 5,6MOhm erhöhe, damit läuft das Gerät dann mit ca. 100W Ruheleistung - wie die meisten ab Werk. Die Geräte mit 3,9 oder 4,7MOhm an dieser Stelle laufen mit bis zu 150W einfach ZU heiß - klingen jedoch keinen Deut besser, im Gegenteil: sie gehen so schnell nieder, dass man sie nur kurze Zeit auf gleichem Niveau genießen kann, wie die (auch ab Werk) sparsameren Geräte. In meinen Augen sind das Bestückungs-Fehler zusätzlich zu den Fehl/Nicht-Berechnungen.

Die Lüfter

sind dann der Zusatz-Punkt, an dem man nicht auf der Zielgerade noch die Geduld verlieren darf. Auf engstem Raum montiert, gereinigt, geschmiert und frisch verkabelt sowie (zur mechanischen Entkopplung) auf neue Durchführungen geschraubt sollten sie eigentlich sofort tadellos arbeiten. Tun sie meist auch - bei offenem Deckel. Setzt man den auf, und schraubt fest, kommt Bewegung in's Gehäuse, das ist vielteilig, verschachtelt und keineswegs starr. Dass etwas mit einem oder beiden Lüftern nicht stimmt, merkt man sofort, wenn ein Klopfen aus dem Gerät tönt. Doch auch wenn es still bleibt: man muss den Lauf der Lüfter per Blick durchs Gerät gegen eine Lampe kontrollieren - einer oder beide könnte auch komplett hängen. Ist meistens so. Bis man dann alles so gedreht, gedrückt, gebogen hat, bis die Abwärme einwandfrei und lautlos aus dem Gerät geschafft wird, kann man oft noch ein halbes oder ganzes Stündchen investieren.

Die Lüfter sind gereinigt, geschmiert, mit Vorwiderständen (ganz unten) und auf neuen Durchführungen verschraubt.
Sie funktionieren nur richtig bei exakter Ausrichtung per "try & error".

End-Abnahme

Beim Endtest müssen Ruhestrom und Offset stimmen
- und natürlich jegliches Signal sauber von jedem Eingang zum Ausgang gelangen.
Dies ist übrigens auch das erste Mal im Verlauf, dass ich das Gerät in Betrieb nehme - zwar werden bei der Montage einige Bauteile und Gruppen geprüft, doch ein verschlissenes oder gar defektes Gerät werde ich mich hüten vor der Überarbeitung unter Strom zu setzen oder gar an wertvollen Lautsprechern anzuschließen - das kann einen möglichen Schaden nur unnötig vergrößern ohne für die Revision neue Erkenntnisse zu bringen.
Wenn beim Endtest auf dem Arbeitsplatz ausnahmsweise noch Probleme zeigen, muss man halt noch mal eine Runde zurück, z.B. bei zu unterschiedlichem Ruhestrom und/oder zu hohem Offset einen Satz gepaarte, neue Eingangs-Transistoren  in die Endstufen einbauen.
Und erst wenn alles stimmt, wird der Deckel wieder befestigt. Es folgt der Probelauf an meinem Lautsprechern. Wenn dann nach dem Heiß-Spielen immer noch alles in Ordnung ist und bleibt, erfolgt die obligatorische VDE-Messung und schließlich die Verpackung für den (Rück-)Versand.