Vollverstärker

Nytech 250

Preis 549,-€
komplett revidiert, 3 Jahre Garantie*
*Erläuterung siehe Garantiebestimmungen

english version

Eigenschaften:

  • Stahlgehäuse mit Aluminium-Frontplatte, schwarz lackiert in gutem Zustand, nur wenige kleine Kratzer oben und an den Kanten
  • großer Ringkerntrafo
  • 5 oder 6 Line-Eingänge, davon
  • 2 Tape-Schleifen
  • 1 Eingang kann als Line oder Phono MM konfiguriert werden
  • Zwei Paare 4mm Lautsprecher-Buchsen (Bi-Wiring möglich)
  • Netzschalter auf der Rückseite
  • Eingangs-Wahlschalter und Lautstärke-Regler sind die einzigen sichtbaren Bedienelemente

Revision:

  • Erneuerung aller Elektrolyt-Kondensatoren
  • Neue Einstell-Regler für den Ruhestrom
  • Reinigung und Versiegelung der Bedienelemente
  • Behebung von Konstruktions-/Routing-Fehlern in der Line-Stufe der Lautstärkeregelung

Vorne: einfach gehalten

kein Wunder, dass er her kam...

...aber erstaunlich, wie er spielt, nachdem man die Konstruktionsmängel behoben hat.

Tatsächlich habe ich mittlerweile zwei Stück davon, einen habe ich bei ebay gekauft und der andere kam von einem Kollegen, der offenbar angesichts des krachenden Lautstärke-Reglers aufgegeben hatte. Da ich für neue Experimente eigentlich überhaupt keine Zeit hatte, standen beide inzwischen seit Jahren herum. Doch mittlerweile sind wir zu zweit und beschlossen beide fertig zu stellen.

Noch vor jedem Test wurden alle Elektrolyt-Kondensatoren mit richtig gutem Material erneuert, der Ruhestrom der Ausgangsstufe wurde notiert: bei einem 20mV@2x0.33Ohm, beim anderen 16mV@2x0,22Ohm, auf beiden Kanälen jeweils ähnliche Werte. Das bedeutet, dass der Hersteller so etwa 30 bis 35mA für die MJ11015/MJ11016 Ausgangs-Darlingtons vorgesehen hat.

Offensichtlich läuft das Gerät mit einer einzelnen Versorgungsspannung von ca. 60Volt und stellt der Vorstufe eine einzelne Betriebsspannung von nicht weniger als 52V aus einem Hochvolt-fähigem, speziellen LM317-Regelbaustein zur Verfügung. In Folge dessen können alle Stufen nur Wechselspannungs-gekoppelt arbeiten, Koppel-Kondensatoren sind unvermeidlich. Sogar die robuste Ausgangsstufe ist mit dem Lautsprecher über einen 2200µF Elektrolyt-Kondesator verbunden - ähnlich wie bei den ION Obelisken und auch z.B. in der Quad 303, der ersten CAS4040-Version oder den frühen (nicht fernbedienbaren) Altos  von Audio Innovations.
Das hat Vor- und Nachteile. Weder im Betriebs- noch in Fehler-Fall kann normalerweise Gleichstromden Tieftöner beschädigen, so wie der Nytech aufgebaut ist, ist es sogar schwer vorstellbar, dass irgendein Kurzschluss die 30A-Leistungstransistoren beschädigen könnte, da es doch keine Gleichstrom-Anbindung gibt und immer etwas ESR im Wege ist. Dieser ESR hat auch den Vorzug, den Dämpfungsfaktor in den Bereich hin zu reduzieren, der zu den meisten britischen Lautsprechern dieser Zeit passt (einfache Weiche, zwei Wege, mittlerer Wirkungsgrad). Und das Netzteil braucht weniger Teile - o.k., wenn man an dieser Stelle nur einen Kondensator verwendet und der Trafo keine sekundäre Mittelanzapfung, braucht man wiederum einen Ausgangs-Koppelkondensator pro Kanal, der sich mit einem Doppelspannungs-Netzteil vermeiden ließe. Insofern wird die Zahl der Teile nicht wirklich reduziert.

Der Koppel-Kondensator vermindert die Bandbreite nach unten, mit den gegebenen Werten erhält man etwa 9Hz@8Ohm und 18Hz@4Ohm (beises am -3dB-Punkt mit 45° Phasen-Drehung). Trotzdem ist das kein echtes Problem, der Kondensator würde nur auffallen, wenn der Lautsprecher sich als wirklich kritisch erweist, dann würde sich seine Funktion hörbar vom Lieferanten für die Last hin zum Beschützer der Ausgangsstufe verschieben.

die Lautsprecher-Ausgänge waren ursprünglich für Kopfhörerbuchsen-geschaltet und direkt angeschlossen vorgesehen, doch bei dieser Version sind sie parallel geschaltet

Natürlich haben beide Verstärker das "volle Programm" bekommen, der Alps-Lautstärkeregler und der Lorlin-Eingangs-Wahlschalter wurden zerlegt und gereinigt.

 

solche Kontakte brauchen Politur und Versiegelung

Nachdem die Versilberungen der poliert waren, wurden sie mit einem speziellen Fett vor weiterer Korrosion geschützt. Danach wurde das Alps-Potentiometer auf minimalen Gleichlauffehler abgeglichen.

die Leistungs-Stufe mit neuen Einstell-Reglern...

Die neuen Bourns-Trimmer wurden auf die vorherigen Ruhestrom-Werte abgeglichen.

...verwendet robuste MJ11015/MJ11016 Leistungs-Transistoren

Einer der Verstärker wurde von reinem Line-Betrieb auf Phono-MM-Betrieb der ersten beiden Cinch-Buchsen zurück gestellt.

Ein Paar Cinch-Buchsen können alternativ als Line-Eingänge oder mit dem eingebauten Phono-MM-Vorverstärker genutzt werden.

Erst mal eine Enttäuschung

Der Hör-Test zeigte dann ein insgesamt taffes Verhalten, von Anfang an hatte der Verstärker einen gewissen Spass-Faktor. Doch er klang zu scharf und hatte einen großen Nachteil: Der Lautstärke-Regler krachte immer. Das war nicht nur hörbar, wenn man auf einen leeren Eingang schaltete, auch wenn man bei spielender Musik ein wenig die Lautstärke korrigierte, gab es Aussetzer. Zuerst dachte ich, da sei was bei der Reinigung des Reglers schief gegangen, doch sehr bald war klar, das das an der Konstruktion lag, denn beide Verstärker waren betroffen. Die naheliegendste Ursache war Gleichstrom durch die Schleifer-Anschlüsse des Alps-Reglers. Aber es gab einen nicht allzu großen Koppel-Kondensator, der direkt am Schleifer des Reglers angeschlossen war, 22µF - und ohne parallele Bauteile. Trotz all dem ließ sich zwischen Schleifer und Masse jederzeit eine Spannung messen, nicht nur kurze Zeit nach dem Einschalten des Verstärkers. So konnte ich das auch nicht auf das unvermeidliche Aufladen nach dem Einschalten zurück führen, denn jedes reine Aufladen hat nur einen einzelnen Anstieg, eine e-Funktion, die nach ein paar Sekunden oder Minuten (nahezu) beendet sein muss - wie konnte das also sein?

Ein paar Messungen später war klar, dass die Polarität des Stroms wechselte, es war also gar kein Gleichstrom, sondern Tief-Frequenz, die Line-Stufe war ein Ultra-Tieffrequenz-Oszillator, der auf der anderen Seite des Kondensators, dem eigentlichen Verstärker-Eingang an der Basis des ersten Transistors, zwischen 10V und 30V auf  und ab schwang.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das absichtlich so entworfen worden war und entschloss mich daher, den Schaltplan für diesen Teil der Platine  heraus zu schreiben. Hier haben wir das Ergebnis: der Line-Verstärker war tatsächlich eine Tieffrequenz-Oszillator.

 

Schaltplan des Line-Verstärkers wie vorgefunden - ein"no go"

Und während ich die Platine analysierte, konnte ich mir vorstellen, was während des Routings schief gelaufen war: Ein paar Verbindungen verliefen zu den falschen Leiterbahnen, ich habe das im Photo markiert. An seinem unteren Ende war der Sieb-Kondensator der Spannung für den Arbeitspunkt nicht wie üblich mit der Signalmasse verbunden, sondern mit der Gegenkopplung der Eingangsstufe (dem Emitter), daher driftete er herum und konnte seine stabilisierende Aufgabe nicht erfüllen. Auch der Filter-Kondensator am Eingang war auf die falsche Leiterbahn gesetzt und dann entfernt worden.

Wenn man die Leiterbahn am "X" trennt und dann ihren linken Teil mit der Masse-Leiterbahn darüber verbindet (Pfeil), funktioniert alles bestens. Auch das Eingangsfilter kann wieder bestückt werden, um eindringende Hochfrequenz und Transienten-Verzerrungen zu vermeiden; ich habe 47pF gewählt, was mindestens eine obere Grenzfrequenz von etwa 100kHz gewährleistet.

der Routing-Fehler, der behoben werden muss

Doch immer noch war die Dimensionierung nicht perfekt, das Aufladen des Sieb-Kondensators auf 70% des Endwerts über zwei parallele 330kOhm-Widerstände würde immer 150s dauern. Daher wurde der Wert durch zehn geteilt, 33kOhm bedeuten eine theoretische Zeitkonstante von 15s. Um die Sache weiter zu beschleunigen, habe ich eine 27V-Zenerdiode in Reihe mit 330Ohm hinzu gefügt, die den Kondensator schnell auf nahezu den Endwert lädt und dann los lässt. Und beim Ausschalten entlädt sie den Kondensator sobald die Betriebsspannung mehr als ihre Vorwärts-Spannung unter dessen Ladespannung liegt. Die Ergebnisse sind ein nahezu sofortiger, stabiler Arbeitspunkt ohne vermeidbares Extra-Rauschen und ein schnelles Abschalten.

resultierender Schaltplan mit allen Änderungen

Schließlich wurde noch der 22µF-Elektrolyt-Eingangskondensator an der Anzapfung des Reglers durch einen 1µF WIMA MKS02 Folienkondensator ersetzt, die untere Grenzfrequenz ist hier jetzt 0,5Hz, was weit unter der Grenzfrequenz der Endstufe liegt und völlig unkritisch ist, die vorherige Bandbreite bis hinunter auf 0,02Hz hatte keinen rechten Sinn. Der Folienkondensator erzeugt selber bei weitem weniger Verzerrungen und sein größter Vorteil ist das nahezu vollständige Fehlen eines Leckstroms, nun ist der Schleifer absolut Gleichstrom-frei, weder eine Ladungsänderung, noch ein Lecken des Kondensators stört nun die Arbeit des Reglers.

Sofort nach dem Einschalten erwies sich all die Theorie als richtig, natürlich muss sich der Kondensator eine Weile laden und das schickt beim Einschalten noch immer Gleichstrom durch den Regler und erinnert einen an das unsymmetrische Netzteil, wie es das auch z.B. bei einem Revox A78 tut. Doch lange bevor der Endstufen-Ruhestrom seinen Endwert erreicht hat, verbleibt nicht mehr die geringste Spur des vorherigen Prasselns. Es ist nun, wie es immer hätte sein sollen.  

der umgebaute Line-Verstärker - Draufsicht

Zweiter Hörtest

Einige mögen sage, dass es gerade mal einen minimalen Unterschied ausmacht, alles derselbe Charakter, nur ein paar Details verbessert und ein paar Störungen beseitigt.
So sehe ich das nicht. Ich denke, die resultierende Fassung meiner zwei Muster-Verstärker zeigt zum ersten Mal deren wirkliches Potential.
Nach Beseitigung der Konstruktionsfehler fielen zwei Dinge besonders auf:

  • das Fehlen vorheriger Verzerrung und
  • die Stabilität der räumlichen Abbildung

Beides ist leicht zu erklären. Die Verzerrung an einem Regler ist kein seltener Fall, hier ergab der permanent vorhandene, sich jedoch umpolende Gleichstrom einen sehr nervtötenden Effekt von Rauigkeit, sehr ähnlich der Übernahmeverzerrung einer Class B MOSFET-Endstufe, was ein entspanntes Hören schlicht verhinderte. Da war das Prasseln bei Lautstärke-Veränderung das kleinere Problem.

Der andere Punkt ist das das Driften des Line-Verstärkers. Hat man eine ständige Veränderung der Verstärkungs-Verhältnisse, muss man sich nicht wundern, wenn darunter die räumliche Abbildung leidet.

Wie ich es bereits von den Musical Fidelity A1 Line-Vorstufen kannte, bei denen die originale Konstruktion unter beinahe denselben Effekten leidet, geht mit den Verbesserungen die Sonne auf und die wirklich gut gemachte Endstufe lebt auf.

Immer noch tendiert der Verstärker in die Richtung "kräftiger Antritt" und "schnelle Gangart", der Unterschied ist jetzt allerdings, dass er auch entspannt und leicht spielen kann.

Übersicht bei offenem Gehäuse, das Bild wurde gemacht, bevor die Vorstufen-Probleme gelöst waren

Platzierung bei der "goldenen Zitrone"

Sie wissen, ich mag britische Verstärker-Entwürfe, doch mittlerweile kann ich auch Mengen von UK-Konstruktionsfehlern auflisten. Bislang führen die Musical-Fidelity-Sachen der 80er und beginnenden 90er diese Liste ganz vorne an. Aber dieser hier hat auch das Potential den betroffenen Verstärker bei jedem ernsthaften Vergleich durchfallen zu lassen.

Lassen Sie mich anmerken, dass Hand-gebautes Hifi - wie es Nytech auch auf das Gehäuse des 250ers schreibt - mehr eine Verpflichtung ist, als eine Spielerei. Nur wenige Firmen, die das Erkennen dieser Verpflichtung weiter verweigert haben, überlebten die Übernahme-Anläufe der Industrie im neuen Jahrtausend. Ich weiß nicht genau, wie die Geschichte von ION, Nytech und Heed seit Fertigung dieses Verstärkers weiter ging, aber sie hätte vermutlich besser verlaufen können, wenn man sich solche "goldene Zitrone"-Pokale gespart hätte.

Und diesen Exemplare hier können überhaupt das allererste Mal auf ihr "hand made" stolz sein.